241218

IMG_8450

Liebe Leute,

Super Schwarzwald-Tatort gestern. Tolle Schauspieler, tolle Story, toll montiert. Man musste ein bisschen aufpassen, aber das kann ja manchmal nix schaden. Gehe da (ausnahmsweise) mit meinen Spiegel Online-Kollegen, die ihm 8 von 10 Punkten gegeben haben. Kritik der BILD: Muss man nicht sehen – nee, muss man nicht. Man muss sich auch nicht für Kunst, gutes Essen, einen geistreichen Kommentar oder überhaupt für die schönen Dinge des Lebens interessieren. Es macht das Leben nur manchmal … schöner.

Haben vor ein paar Abenden mit dem fast 18-Jährigen, der bei uns wohnt, einen Filmabend veranstaltet. Auf dem Programm: Lucky Number Slevin. Ich liebe diesen Film, super Mischung aus Kunst und Kalkül, wobei ich glaube, dass der damals in Deutschland gar nicht groß im Kino lief. Keine Ahnung, warum, meines Erachtens kann man den Film in einer Reihe mit Pulp Fiction oder Die üblichen Verdächtigen gucken. Jedenfalls war ich ganz angetan davon, wie angetan mein Ziehsohn von dem Film war. Es ist ja immer die Frage, was man den jungen Menschen mit auf den Weg geben kann. Ein Film, der hängen bleibt, ist auf jeden Fall allemal besser als halbherzige Belehrungen, die zum einen Ohr rein und zum anderen wieder rausgehen.

IMG_8451

Habe beim Aufräumen ein altes Büchlein gefunden, das bei mir als 4 oder 5-Jähriger am Adventskalender hing. Hab es in die Hand genommen, aufgeblättert und schon nach den ersten beiden Seiten fiel mir plötzlich die ganze Geschichte wieder ein, mit dem ungeschickten Engel, dem das Gebäck vom Blech rutscht, usw. Wäre ich ein bisschen älter, würde ich jetzt schreiben: Solche Bücher werden heute gar nicht mehr produziert. Mama und Papa, falls ihr das lest, ich hab Euch lieb. Und an alle anderen: zum Jahreswechsel mal ein altes Kinderbuch hervorholen und übelst geil  melancholisch draufkommen. Wie eine Motorwäsche fürs Herz! Noch ein paar kluge Tipps (Würg! Ächz! Stöhn!)?

Mein Hamburger Lieblingsradiosender 917xfm hat natürlich auch eine App. Die spielen da ganz coole Weihnachtsmusik. Also, JETZT GERADE!

Und: In der aktuellen 11Freunde ist ein Interview mit dem ehemaligen Bayern-Spieler Jupp Kapellmann (heute: Arzt, damals schon Spitzname „Die Apotheke“). Die zwei Anmerkungen, die er zu Uli Hoeneß fallen lässt, sind aufschlussreicher als alle Features über den Bayern-Manager der letzten 10 Jahre. Super Zeitschrift für Fußballfans, die nicht auch BILD-Leser sind!

Ansonsten? Zum Abschluss, am Heiligen Abend, wie immer mein kleines Weihnachtsgedicht. Für nächstes Jahr versuche ich mal, ein neues zu schreiben …

Die heil´ge Nacht weilt ungeduldig vor den Toren,
doch in der Stadt hebt niemand recht den Blick,
gehetzt, stets auf der Suche nach dem großen Kick,
brüllt abgewandt ein Lärm aus tauben Stöpselohren. 

Zuhause fällt ein jedermann ins Winterbett,
und über 100 Jahre alte Läden jammern
über zum Bersten vollgefüllte Kammern,
denn Buntes treibt sich bloß im Internet.

Kalter. Atem. Zug – in Lichtgeschwindigkeit durch kleine Bäume,
die jung anscheinend, immergrün und gut,
behutsam wandeln, die uns allen anverleibte Wut
in lang vergessene, feine Träume. 

So stehen und sinnen wir in tiefgefror´ner Nacht.
In seel´ger Wonne schlafen schon die Kinder.
Wir denken nach – und warten wie ein reuevoller Sünder 
auf Zeichen des´, das über uns und alle Zeiten wacht. 

Und für einen Bruchteil spüren wir die starke Kraft.
Mit einem Schlag ummantelt uns die lang ersehnte Ruhe.
Als läge lebenslang in einer fest verschlossenen Truhe,
der Geist, der ausgehaucht die größten Dinge schafft.

B-Sinnlich

IMG_8448

Alle schlafen noch oder sind schon unterwegs. Ich nutze die kurze Zwischenzeit für ein paar Gedanken. Besinnlich werden, ihr wisst schon.

Bin vorgestern 45 Jahre alt geworden. War gar nicht so schlimm, abends waren wir im kleinen Kreis essen. Mit am Tisch: alle drei Kinder, die nun bald schon Männer sind.

Ich habe keine Angst vorm Älterwerden. Ich wünsche mir aber – wie alle anderen auch – manchmal, dass die Zeit nicht so schnell vergehen würde. Egal, wie gut man sie nutzt. Habe auch nach 15 Jahren im Job im Grunde immer noch das Gefühl, noch gar nicht richtig angefangen zu haben, mit dem, was ich am besten kann und am liebsten tue. Obwohl ich meinen Job wirklich mag, darum geht es nicht. Es geht um „Erfüllung“. Wobei da natürlich viele Faktoren eine Rolle spielen.

Man kann auch nicht immer kreativ sein. Man muss auch mal im Unterhemd auf dem Sofa liegen, Fußball gucken und Bier aus Dosen trinken.

In diesem Moment, da ich diese Zeilen schreibe, läuft auf RTL bereits die zweite Weihnachtsschnulze. Das ist auf der einen Seite kaum zu ertragen, auf der anderen irgendwie auch nett. Allein über die Ambivalenz von Weihnachtsstimmung könnte man Bibliotheken füllen.

Bei meinem Arbeitgeber brennt der Baum, weil ein junger Kollege unsauber gearbeitet und gelogen hat. Das ist krass. Genauso krass ist, wie nun alle anderen Medienhäuser darauf eingehen und abrechnen. Und genauso krass ist, wie unabsehbar und besorgniserregend die möglichen, allgemeinen Folgen dieses persönlichen Fehlverhaltens sind.

IMG_8438
Krass – Helene Fischer und Florian Silbereisen haben sich getrennt

 

Mir ist auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken nochmal aufgefallen, wieviele Ratgeber und Lebenshilfe-Bücher gerade in den Bestsellerlisten stehe. Aber wie lebt man sein Leben richtig?

Ich glaube mit 45 Jahren sagen zu können, dass es nichts bringt, immer nur über die Rahmenbedingungen zu jammern, wenn man mit sich selbst gut auskommen möchte.

Es spricht nichts dagegen, sich ab und zu ehrlich zu fragen, wie man wohl auf andere wirkt oder das Leben anderer beeinflusst. Und ggf. an sich zu arbeiten, ohne sich untreu zu werden. Nicht weil man allen gefallen oder um jeden Preis Erfolg muss, sondern weil es nicht schaden kann, ein bisschen Licht ins Dunkel zu tragen. Weil es auch glücklich macht, andere glücklich zu machen.

 

Bloody Merry

Upps, hab´ ich nach dem letzten Mal eigentlich den Grill sauber gemacht?
Upps, hab´ ich nach dem letzten Mal eigentlich den Grill sauber gemacht?

Jaja, der Weihnachtsgruß … kommt ja schon. Von Herzen sogar. Dafür komme ich zu nix. Ernsthaft. Also, zumindest nicht (so richtig) zu den Dingen, für die ich mir eigentlich jetzt Zeit nehmen wollte: die Kunst. Naja, ein bisschen was passiert da schon nebenher, aber … es war vermutlich auch ein bisschen blauäugig von mir zu glauben, man könne sich im Dezember – und speziell in der Vorweihnachtszeit – zuhause wie im Kloster zurückziehen.

Stattdessen tausend andere Dinge: Zahnarzt (einmal im Jahr, wie immer auf den letzten Drücker), Werkstatt (Warum gerade jetzt?), schon wieder Urlaubsplanung fürs nächste Jahr, obwohl man gerade erst zurückgekommen ist, ja, alles nicht so schlimm und nötig, so ist das Leben, dann eben im Januar irgendwie nochmal in Klausur.

Jetzt sitze ich wieder hier und zerbreche mir den Kopf wegen der Geschenke (geht nicht leichter, wenn man Zeit hat, sich darüber Gedanken zu machen). Vor allem für den Nachwuchs, wobei die einem ja klipp und klar sagen, was sie sich wünschen. Also, was sie bitte zu bekommen wünschen. Das Problem, wenn man dann anfängt nachzudenken, anstatt einfach nur zu gehorchen, ist, dass man sich eingehender mit den Söhnen beschäftigt: Was waren denn nochmal seine Interessen? Hmm, … wie war das denn früher? Und prompt hängt man über Fotoalben und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Herrlich!

Und inspirierend: 

Den Schuhen, die man
Dir morgens kauft,
bist Du abends
schon entwachsen.
Drehst dich einmal
um die Achse,
während der, sichständig
um Dich drehend,

knöchrig, allzu bald,
ergraute Haare rauft.
Hast mich gekostet,

Nerven, Geld und so
manche nie
geschriebene Texte,
die wie Heckenschützen
lauern, dauern nun,
verworfen in die Tonne
vor den Gummistiefelpfützen,
darin voll Wonne,
Dein gekreischtes Lachen
mich zum wahren Menschen
fast verhexte.

Allen Lesern dieses Blogs von Herzen ein besinnliches Weihnachtsfest!

Afrika 4

IMG_8281

Unser Afrika-Abenteuer neigt sich dem Ende zu. Zeit für letzte Gedanken.

DSC01524

Wir haben ein paar wunderschöne Orte gesehen, meistens toll gegessen, interessante Menschen kennen gelernt und einen supersüßen Hund (Chewy).

IMG_8208 IMG_2906

Erlebnisse, an die wir uns jetzt schon gerne erinnern, als wären sie bereits lange her. Pflügen abends durch Unmengen von Bildern, in hellster Vorfreude auf das entstehende Fotobuch.

IMG_8247

Apropos Freude – die Lebensfreude der Einheimischen hat uns umgehauen, zuletzt am Samstag, an den Stränden von Camps Bay, aber auch an den Straßen, die bunt zusammengewürfelten Bautrupps aus Facharbeitern, Hilfskräften und Frauen, die rote Warnflaggen schwenken, aber auch mit anpacken, ja, es sind häufig nur Drive by-Beobachtungen, aber erste Eindrücke sind ja nicht immer falsch. Wir sind aber auch häufig angebettelt worden, von schwarzen Kindern und weißen Crystal Meth-Süchtigen, und uns ist einmal mehr klar geworden, dass es uns gut geht. Beneidenswert gut.

DSC01638

Reisen sollte staatlich verordnet werden, weil man bestimmte Dinge dann besser versteht. Wir haben die Gefängniszelle von Nelson Mandela gesehen. 18 Jahre lang war er inhaftiert, weil er gegen Unterdrückung und für seine Ideale gekämpft hat, bewaffnet, anders als Gandhi, der, was mir gar nicht so bewusst war, aus ganz ähnlichen Motiven siebzig Jahre vorher ebenfalls zunächst in Südafrika politisch aktiv war.

DSC01867

Mandela war am Ende seiner Haftzeit ein anderer Mensch. Er hat für Versöhnung geworben, weil er geahnt hat, dass die Zukunft seines geliebten Landes in Gefahr ist, wenn er Rache schwört. Obwohl er allen Grund dazu gehabt hätte.

Der Gefängnisbesuch auf Robben Island war wirklich ein eindringliches Erlebnis. Angefangen von der Überfahrt mit dem Schiff, bis hin zu den intensiven Schilderungen der Guides. Im Zellentrakt hat ein ehemaliger Gefangener von der Zeit der Apartheid und der Inhaftierungen erzählt. Bei den Folterungen ließ er die Details aus, weil, wie er es formulierte, „jemand, der vergewaltigt wurde, Probleme hat, über seine Vergewaltigung zu sprechen“. Lediglich an einer Stelle sprach er von Stromkabeln an den Hoden, was in der Kürze reichte, um zu verstehen, dass man diese Grausamkeiten nicht verstehen kann. Nicht, dass Folter irgendwann gerechtfertigt wäre, aber nochmal fürs Verständnis: Es ging ja damals nicht darum, dass man von einem Erpresser eine Aussage erzwingen wollte, wo das entführte Kind ist, sondern man hatte diesen jungen Mann gefoltert, weil er als Student für die Gleichberechtigung von Schwarzen gekämpft hat. Der Horror und die Anstrengungen dieses Lebens steckten in jeder Zeile seines Vortrags. Zwischendurch fragte ihn einer aus unserer Gruppe, warum er diesen Job mache, hier, an diesem Ort, der ihn an all das Schreckliche erinnere. Er antwortete, weil er sonst arbeitslos wäre.

Apartheid ist einfach ein schwieriges Thema. Eines, das bis heute zurecht die „Psyche“ der schwarzen Bevölkerung prägt. Das auch immer mitgedacht werden muss, um aktuelle Entwicklungen zu verstehen. Es ist ja nicht so, dass jetzt alles gut ist. Die Townships gibt es immer noch, und die reichen Weißen mit ihren großen – wie Festungen gesicherte – Häuser ebenso. Und das beeinflusst natürlich die Sichtweise. Und auch wenn Enteignungen weißer Farmen oder vermeintlich übertrieben hohe Quoten, was den Arbeitsmarkt betrifft, (keine Ausländer mehr, dafür vermehrt schwarzes Führungspersonal etc.) womöglich zunächst auch zu strukturellen Problemen führt, bspw. in der Landwirtschaft, kann ich diese neue Anti-Weiße-Haltung, die hier und da und zum Teil sehr aggressiv deutlich wird, zwar nicht gutheißen, aber ein Stück weit nachvollziehen. Diese Entwicklungen sind eben nicht (nur) rational zu erklären. Hier hat der weiße Mann keinen Wind gesät, sondern er war jahrzehntelang der Sturm selbst. Und es wird spannend sein zu sehen, in welche Richtung sich Südafrika in den nächsten zwanzig Jahren entwickeln wird.

IMG_8239

Ansonsten? Bin ich sogar ein bisschen zum Arbeiten gekommen und ganz zufrieden. Bücher und Literatur werden mich immer begleiten. In der schönen Hafenstadt mit dem leicht bekloppten Namen Hermanus waren wir im Hemingway Bookshop, ein Laden, in dem allein man eine Woche Urlaub machen könnte (wenn man zwischendurch immer mal wieder an die frische Luft geht). Ich habe dort ein Buch gekauft: Genius, für knapp 3 Euro. Eine tolle Kompilation vom Observer, die sich nicht zu ernst nimmt, und in der es darum geht, was einen Genius ausmacht, aber auch welche Persönlichkeiten „geniale“ Züge hatten, und wie die historisch zusammenhängen. Hochinteressant.

Das Buch eröffnet mit einem A-Z of genius. Unter X findet sich der Begriff Xerostomia – Dry Mouth. Intellectuals near a breakthrough can often forget to drink! Habe daraus geschlossen, dass ich in den letzten vier Wochen zwar vorangekommen bin, der „Durchbruch“ aber offenbar noch auf sich warten lässt.

Afrika 3

jb1

Ich weiß, ich wollte eigentlich mehr über St. Lucia schreiben, aber wir haben wenig Internet unterwegs, und es passiert andererseits soviel … man kann da auf jeden Fall Hippos sehen, wenn man Glück hat. Und viele Affen, das ist cool. Mehr muss man aber über St. Lucia nicht wissen.

Ansonsten? Sind wir oft auch nur für eine Nacht irgendwo, denken, hier müssten wir länger bleiben, und denken denselben Gedanken am nächsten Abend am nächsten Ort. Man muss aufpassen, dass aus der Reise keine Nächstes-Mal-Reise wird, nach dem Motto, beim nächsten Mal machen wir es soundso. Die Dinge, die man zum ersten Mal betrachtet, so betrachten, als müsste man sie für alle Zeiten im Gedächtnis behalten. Das ist die Kunst, wenn man reist …

IMG_8056

Habe mich vor ein paar Tagen morgens vor so einem Kosmetikspiegel rasiert – und fast einen Schock bekommen. Wie alt sieht man in diesen Dingern aus? Da erkennt man ja plötzlich jede Falte, jedes graue Haar. Wie halten Frauen das aus? In Amerika hat es bestimmt schon Versuche gegeben, die Hersteller solcher Spiegel zu verklagen!

Südafrika zeigt sich von seiner besten Seite. Sind hier vor ein paar Tagen sogar abends alleine zu Fuß vom Restaurant nach Hause gegangen, obwohl man das nicht soll. Nix passiert. Überhaupt empfinde ich die Menschen bislang als sehr hilfsbereit und freundlich. Wir sind auch in Swasiland in eine Polizeikontrolle geraten, und, ja, als uns der Officer seine Hand durchs Fenster streckte, dachte ich zunächst, er wolle Geld haben, wollte er aber gar nicht. Er wollte uns tatsächlich nur die Hand geben – und vielleicht checken, ob ich eine Waffe habe ;-)

Ein paar Tage später haben wir – auf der Suche nach einem Kaffee (Oh, Boy) – einen Zwischenstopp in einem kleinen Ort gemacht, der sehr geprägt war von einer riesigen Zuckerrohrfabrik, und als wir eine Einheimische nach einem Supermarkt fragten und sie nicht weiter wusste, weil sie selber fremd war, überholte uns ein junger Mann in so einem getunten Caddy, hielt neben uns und fragte, was los sei. Als wir sagten, wir wären auf der Suche nach einem Supermarkt, fuhr er persönlich vor, bis wir an dem Supermarkt angekommen waren. Es gab da allerdings auch keinen Kaffee.

Danach waren wir in so einer River Lodge, und das war auch interessant. Traumhafte Lage, direkt am Indischen Ozean, aber im Ganzen etwas aus der Zeit gefallen: kein WLAN (was toll ist), der Lack ein bisschen ab, auch bei den überwiegend älteren Gästen. Irgendwie filmisch, ja, im Grunde eine fiktive Location für eine entsprechende Story, irgendwas zwischen Dirty Dancing und Jurassic Park. Für die drei Nächte, die wir dort verbrachten, jedenfalls genau das Richtige. Nach der superanstrengenden Anfahrt (Schlaglöcher, Hunde, Ziegen, Einheimische, die wie die Verrückten fahren), die eher einer vierstündigen Fahrprüfung glich oder einem komplexen Computerspiel, bei dem man jede Sekunde hochkonzentriert sein muss, war ich ziemlich euphorisch, als ich oben auf der Terrasse vor der Bar dieses vergessenen Paradieses saß und dachte: Hier möchte ich nicht wieder weg. Zumindest nicht so schnell.

bernhard

Was übrigens auch an Bernhard, dem besten Bar- und Hansa-Pils-for-me-Keeper lag. Und als wir später, pünktlich um 19 Uhr, den Dinnerraum betraten und der wunderbare, halbindische Alleinunterhalter gerade Can´t help falling in love von Elvis spielte, unserem absoluten Lieblingsstück von Gunter Gabriels Wohnzimmerkonzerten, da wusste ich, jetzt sind wir angekommen.

riverlodge1

Habe in diesen Tagen in der Lodge ein bisschen gearbeitet und endlich auch The Film Club durchgelesen, und das ist ein bisschen lustig, weil ich eben von Dirty Dancing sprach, und es in dem Buch an einer Stelle auch um „guilty pleasures“ geht, also um Filme, die eigentlich Schrott, aber auf gewisse Weise trotzdem gut sind: Der Autor David Gilmour nennt Pretty Woman als Beispiel, und ich erzähle das deswegen, weil ich mir in dem Ferienpark, in dem es ja kein Internet gab, die ganze Zeit in Erinnerung zu rufen versuchte, wie die Ferienanlage hieß, in der Dirty Dancing spielt: Nicht Houseman, so heißt Babys Familie (keine Ahnung, warum ich das noch weiß), aber so ähnlich …

ninas

Heute sind wir in dem Surferparadies Jeffreys Bay angekommen (s. Foto ganz oben), haben schon im sagenumwobenen Nina´s gegessen (wirklich empfehlenswert, haben gleich noch eine Pizza für heute Abend mitgenommen), und ich konnte es eben nachlesen: Das Ferienresort in Dirty Dancing gehört den Kellermans! Jetzt geht es mir besser.

IMG_8088 IMG_8092

Am letzten Abend war die River Lodge übrigens komplett ohne Strom, bestimmt für zwei Stunden, was im Prinzip nicht schlimm gewesen wäre, aber es ging gerade auf den Abend zu und draußen regnete und stürmte es. Küche und Bar wurden zwar über einen Generator betrieben, aber da die Ursache für den Stromausfall zunächst unklar war, und die nächste Stadt eineinhalb Stunden entfernt ist, rechneten wir mit dem Schlimmsten. Ich hatte auch diesbezüglich sogleich wieder den richtigen Film parat: From Dusk Till Dawn. Wir alle kennen den Moment, wenn überraschende Winzigkeiten, merkwürdige Wendungen und klitzekleine Ausdrücke im Gesicht eines eben noch „normalen“ Menschen dazu führen, dass einem plötzlich die Haare zu Berge stehen, die Fantasie mit einem durchgeht und man sich plötzlich fragt, ob die Rentner-Reisegruppe nur „untot“ aussieht, weil sie den Tagesmarsch zum Wasserfall gebucht hat oder weil sie … naja … womöglich zur Nacht hin mutiert. Ein vergleichsweise junges Paar aus Hamburg – super Gelegenheit, die Kühltruhe aufzufüllen. Ich dachte an meinen Sohn, der immer davon spricht, sich später einen PickUp zu kaufen („bestes Auto für eine Zombie-Apokalypse“), weil man von der Ladefläche aus mit dem MG auf die herannahenden Kreaturen schießen kann. Aber wir mit unserem scheißmodernen Nissan? Vielleicht können wir die Zombies mit der Klimaanlage einfrieren? Oder mit dem Eco-Modus beeindrucken? Oder dem seelenlosen Design zu Tode langweilen?

Nein, ich mache nur Spaß, es war ein total netter Abend, Strom war irgendwann wieder da, und meine Freundin und ich haben noch gescrabbelt. Habe zum ersten Mal in meinem Leben das Wort „EBAY“ gelegt und dafür 30 Punkte kassiert. Und mir ist auch unser Mietwagen schon ein bisschen ans Herz gewachsen, weil wir doch schon ein paar kribbelige Situationen unterwegs mit ihm überstanden haben. Auch ohne Ladefläche …

Afrika 2

Unsere große Reise geht weiter. Nach Swasiland nun St. Lucia, ein sehr schöner, wenn auch touristischer Ort. Aber davon später mehr.

Swasiland war jedenfalls unfassbar interessant. Zunächst hat es mich allerdings auch ein bisschen nachdenklich gemacht. Fast traurig. Wir sind auf sehr abenteuerlichem Wege von Südafrika nach Swasiland gekommen, über den Grenzübergang Josefsdal und dann weiter über Pigg´s Peak.

josefsdal schotterstrasse

Als Abenteuer zu empfehlen. Bis Pigg´s Peak  geht es allerdings knapp 20 Kilometer über krasseste Geröll- und Steinstraßen. Zum Glück hatten wir unseren Four-wheel drive, sonst wäre es echt eng geworden. Bin da zum Teil Schrittgeschwindigkeit gefahren, weil wir uns sonst alles aufgerissen hätten. Als wir dann von oben in Richtung Mbabane, der Hauptstadt, gefahren sind, haben wir uns natürlich über das Land unterhalten: die hohe AIDS-Rate von über 20 %, die offiziell verschwiegen wird, die hohe Arbeitslosigkeit von über 50 % – und dann ist da ja noch dieser, positiv ausgedrückt, extravagante König, der zwar auf riesigen Plakaten für den Fortschritt wirbt, aber faktisch nichts dafür tut. Und auf der Straße unzählige Menschen, denen man den täglichen Überlebenskampf ansieht.

Urlaub im Kolonialstil, jaja, nächstes Mal alternativer ...
Urlaub im Kolonialstil, jaja, nächstes Mal alternativer …

Als dann in der ersten Nacht im Hotel, das uns im Übrigen auch nochmal vor Augen führte, wie privilegiert wir „weißen Wessis“ eigentlich sind, neben unserem Zimmer die ganze Zeit ein eingesperrter Hund heulte, habe ich mir doch wieder den Kopf darüber zerbrochen, warum die Lebensbedingungen auf der ganzen Welt so unterschiedlich und ungerecht sind. Nicht, dass bei uns alles toll und woanders alles schlecht wäre, im Gegenteil. Die Art und Weise, wie der Tag in Afrika (gezwungenermaßen) im Hier und Jetzt begonnen und nicht nur von dem Gedanken befeuert wird, wie man noch sicherer und (erfolg)reicher werden kann, ist, so gesehen, sehr inspirierend und stünde uns auch durchaus gut zu Gesicht. Aber natürlich tippe ich diese Sätze in dieser Sekunde in mein Macbook und habe gerade meine amtliche Malaria-Prophylaxe genommen, mit einer Mahlzeit, die zu keiner Sekunde in Frage gestellt war.

thebagshop yebogallery

Glücklicherweise haben wir am nächsten Tag ein paar Orte besucht, die so schön waren, dass man sie – von außen betrachtet – beinahe als paradiesisch bezeichnen könnte: House of Fire, den Candle-Market und besonders die Yebo-Galerie. Ich pflege ja schon seit einigen Jahren die Angewohnheit, von meinen Reisen für kleines Geld kleine Gemälde mitzubringen, falls meine Freundin und ich es endlich mal schaffen, unser Resthof-Museumscafé auf die Beine zu stellen. Deswegen sind Besuche in lokalen Galerien immer gut. Auch diesmal bin ich wieder fündig geworden:

irregular

Die junge Galerie-Managerin erklärte die zumeist düsteren und sehr realistischen Arbeiten der einheimischen Nachwuchskünstler damit, dass man im Volk eben immer noch nicht laut die Missstände ansprechen dürfe. Im weiteren Verlauf des sehr netten Gespräches sagte sie, ein richtiges Umdenken in Bezug auf Missbrauch, Vergewaltigung und Arbeitslosigkeit etc. käme eben erst auch dann in Gang, wenn das Volk seinen eigenen Führer wählen dürfe. Und das war ganz lustig, weil ich dann entgegnete, bei uns wäre Kunst natürlich auch immer eine Reaktion auf politische, gesellschaftliche und soziale Missstände. Und wir dürften zwar alle laut unsere Meinung sagen, aber das produziere in der jüngsten Vergangenheit eben auch sehr viel Hass und Lügen und Hetzereien, weil niemand da ist, der dieses negative und anonyme Gebrüll so aufbereitet, dass es die Demokratie nicht gefährdet. Und die Tatsache, dass man in Europa wählen dürfe, führe im Moment in vielen Ländern leider zu einem allgemeinen Rechtsruck. Also Wahl- und Meinungsfreiheit sind zwar per se gut, aber immer auch abhängig von den Bürgern eines Landes im Einzelnen und zusammengenommen.

medusin

Ansonsten ist jeder Gang um die Ecke ein Erlebnis, auch wenn in Afrika heute vieles moderner und westlicher ist als noch vor 20 Jahren. Aber manchmal findet man z.B. im Supermarkt eben auch alltägliche Dinge, die es so nur hier gibt (s. Foto oben), und das ist toll, weil es andererseits natürlich auch viele Produkte gibt, die wir von zuhause kennen, z. B. Coca-Cola oder Nivea. Doch auch, was diese „global player“ betrifft, habe ich in diesen Tagen eine interessante Beobachtung gemacht: Es gibt nämlich Firmen, die ebenfalls weltweit tätig sind, von denen man das aber gar nicht so weiß, weil sie gesichtslos sind, bzw. so indifferent, was ihr Produkt-Portfolio betrifft: Jedenfalls stand ich im Bad und wollte mir gerade meine Ohrstöpsel, die ich immer dabei habe, reintun, wegen des heulenden Hundes (s.o.), als mir der Hersteller ins Auge fiel: 3M.

oropax

Lustig, dachte ich, die machen doch auch dieses breite, braune Scotch-Klebeband, mit dem meine Großeltern früher immer ihre Geburtstagspakete verklebt haben. Und haben die nicht früher auch Disketten produziert? Jedenfalls gingen wir am nächsten Morgen zum Frühstück, und auf der ersten Treppenstufe zum Garten klebte so ein Reflektor, damit man im Dunklen nicht hinfällt, und wer stand als Hersteller darauf? Richtig:

3M2

Verrückt, oder? Nicht!?

Afrika 1

camp

Schätzungsweise 30°, strahlender Sonnenschein, und das mitten im November. Waren die letzten Tage im Busch. Aber wirklich. Kein Handyempfang, dafür viel erlebt. Fühlte mich zwischendurch wie Hemingway, auch wenn ich weniger Alkohol getrunken und auf unseren Safaris ausschließlich Fotos geschossen habe. Wir waren in einem Zeltcamp am Rande des Krüger Nationalparks. Ohne Zaun. Die Elefanten kamen bis zu den Duschen, auf der Suche nach frischem Wasser. Wir haben einen Leoparden gesehen, keine 300 Meter vom Camp entfernt. Vor drei Tagen sprang abends ein Löwenweibchen auf die Terrasse, während wir beim Essen waren. Mir ist fast das Herz stehengeblieben. Uns allen. Zum Glück hat sich das Tier genauso erschrocken wie wir, hat sich in derselben Sekunde mit einem komischen Quieken umgedreht und ist – Zack – wieder zurück über die Mauer gesprungen. Krass, keine fünf Meter von uns entfernt. Hab mich aber im Laufe der Tage daran gewöhnt. Sogar geschlafen, auch wenn nachts direkt neben dem Zelt eine Hyäne aufheulte. Nachts durfte niemand alleine durchs Camp laufen, nur in Begleitung, obwohl keine der drei Männer da eine Waffe trug. „My mind is my Weapon“, hat Anthony, unser Fahrer, gesagt. Und es war absolut glaubwürdig.

d5bc19f9-7ab1-4fe8-bb07-37ee49eae1f1 a3648468-043e-48d4-88b0-725c456052c0

Was mir besonders aufgefallen ist: Jede Tour (morgens und abends) dauerte vier Stunden, das gleicht von der Fahrzeit her einer Strecke von Münster bis zur dänischen Grenze. Hier kommt es einem kürzer vor. Ist eben keine Autobahn, sondern der Busch. Wir mussten echt die Augen offenhalten. Auch das Camp war offen. Vor ein paar Tagen spazierte ein Löwenweibchen hinter den (allerdings massiven) Zelten entlang, kurz darauf das nach ihr suchende Männchen.

Interessant, mal wirklich für ein paar Tage keinen Handyempfang zu haben. Hab es total genossen. Heute das erste Mal online, sind jetzt in Graskop, einem Touristenort, ein schönes Gegenprogramm zu unserem Wildlife-Abenteuer der letzten Tage. Klassisches Sightseeing gemacht: Blyde River Canyon, God‘s Window usw. Habe sogar ein paar einheimische Mädchen neben uns zum Lachen gebracht, als ich an dem Aussichtspunkt God‘s Window plötzlich auf Englisch die Frage in den Raum stellte: „So where is this God now?“

IMG_7936

Dabei hätte ich allen Grund, zumindest an göttliches Geschick zu glauben. Tolle Reise, tolle Freundin, tolle Zeit. Bin sehr dankbar. Das Wetter ist natürlich auch super, hier beginnt ja langsam der Sommer. Habe in den letzten Tagen so viel Farbe bekommen, dass mein blaues Auge vom letzten Sonntag kaum mehr auffällt. Und was den Hemingway angeht: Habe es tatsächlich auch geschafft, an zwei Abenden mal durch meine Aufzeichnungen zu gehen. Bin ganz zufrieden. Ein Ziel ist allerdings noch nicht in Sicht. Anders als auf unserer Reise. Morgen: Swaziland.

Auf und davon

IMG_7746
Bin ich noch grün oder schon ein bisschen gelb?

Letzter Tag vor der Abreise nach Südafrika. Gestern und vorgestern noch die üblichen Dinge erledigt: professionellen Mückenschutz besorgt, ausländisches Geld und so lustige Kleinigkeiten wie neue Dichtungen im Baumarkt gekauft (zweimal, wohlgemerkt) und den Abfluss unter der Spüle in der Küche repariert (zweimal, wohlgemerkt), damit mein Ziehsohn während unserer Abwesenheit keinen Schiffbruch erleidet.

IMG_7820
Mandela-Money

War ja in den letzten Jahren wirklich viel unterwegs, aber natürlich sind vier Wochen, privat und gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin (ein Wort, das immer, wenn ich es schreibe, viel schöner und wichtiger wirkt, als wenn man es nüchtern oder unbedacht ausspricht) unterwegs, etwas ganz Anderes als alleine auf Drehreise nach Moskau. Genieße das sehr, die Reisevorbereitungen zu treffen, ohne den üblichen Produktionsstress zu verspüren. Sich einfach nur auf die Zeit zu zweit zu freuen und lediglich darauf zu achten, sich nicht noch kurz vor dem Abflug bei irgendwem einen Infekt einzufangen.

Wir werden Südafrika mit dem Auto erkunden. Das wird sicher nicht nur spannend, sondern auch beruhigend. Freue mich auf große Naturbilder, überwältigende Panoramen, die die eigene Existenz wieder ins richtige Verhältnis setzen. Dass man am Ende merkt, wie unbedeutend man eigentlich für den Lauf der Dinge ist.

Hab mich ein bisschen eingestimmt, körperlich und geistig, mit einem schönen Spaziergang unter der Woche im Höltigbaum, einem ehemaligen Truppenübungsplatz, das nun unter Naturschutz steht. Aus dem richtigen Blickwinkel auch schon ein bisschen Steppe …

IMG_7750

Hatte neben Trink- auch ein bisschen geistiges Wasser an Bord: „Das hier ist Wasser“, von David Foster Wallace, eine berühmte Rede, die Wallace mal vor Uni-Absolventen gehalten hat, in der es letztlich darum geht, wie ein studierter Mensch sein (an der Uni ausgebildetes) Denken im Alltag einsetzen kann, um glücklicher und zufriedener zu leben.

IMG_7747

Bemerkenswert ist das natürlich vor allem vor dem Hintergrund, dass David Foster Wallace bekanntermaßen selbst unter Depressionen litt und sich am Ende das Leben nahm. Er schrieb also eine wichtige Anleitung für ein zufriedeneres Leben, war aber gleichzeitig nicht in der Lage, sie so auf sein eigenes Leben anzuwenden, dass es ihn vor dem Schlimmsten bewahrt hätte. Er reflektiert das in seiner Rede – drei Jahre vor seinem eigenen Selbstmord – übrigens auf gespenstische Art und Weise: „Es ist keineswegs Zufall, dass Erwachsene, die mit Schusswaffen Selbstmord begehen, sich fast immer in den Kopf schießen.“ Die Handlungsmaxime, die Wallace den Studenten nahelegt, sieht im Prinzip vor, bewusst Herr seines Denkens zu bleiben und sich in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie man über was nachdenkt. Für den Alltag konstruiert er ganz schöne, simple Beispiele, die mir bekannt vorkamen. Dass man sich, zum Beispiel, nicht über den rücksichtslosen SUV-Fahrer ärgern soll, der einem gerade den Weg abschneidet, sondern vielmehr auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der in diesem Moment so schnell wie möglich sein krankes Kind ins Krankenhaus bringen will.

Die Idee dahinter ist, dass man seine, wie Wallace es nennt, „Standardeinstellung“ zu überwinden lernt, weil man sonst auf Dauer nur das Schlechte sieht und die Umwelt entsprechend negativ wahrnimmt. Und das ist in der Tat ein Ansatz, den ich selber für mich schon erkannt habe und – auch wenn es schwerfällt – ab und an umzusetzen schaffe: an der Supermarktkasse, bei der Arbeit, auf dem Amt … es gibt immer Erklärungen für menschliches Verhalten. Anders gesagt: Die wenigsten Menschen kommen auf die Welt mit dem Ziel, sich von Tag eins an wie ein Arschloch aufzuführen.

Herman van Veen hat das übrigens schon vor langer Zeit in ein Lied gepackt, und es könnte gut sein, dass mir das als kleiner Junge mal bei meiner Tante begegnet und seitdem hängengeblieben ist:

Damit würde ich für heute mal den Bogen zu dem ersten Foto oben spannen: Glück und Zufriedenheit sind ein hohes Gut. Nicht immer kann man die Faktoren beeinflussen, und manchmal steht man fassungslos vor den Trümmern seiner Seele. Und eine Depression ist eine Depression. Aber wer generell die Vorstellungskraft nicht mehr dafür aufbringen kann, dass etwas nicht auch ganz anders und vielleicht sogar gut sein kann, hat schon verloren. Der guckt plötzlich in den Spiegel und merkt, dass er schon ein bisschen gelb ist und gleich womöglich den Halt verliert und zu Boden segelt – und das ganze Grünsein gar nicht genießen konnte, weil er so in seiner „Standardeinstellung“ gefangen war.

 

Angie macht Schluss

Wir schreiben den 30. Oktober 2018, ein historisches Datum, und die taz spricht mir mal wieder aus dem Herzen:

angietaz

Das glaube ich auch, dass wir uns noch nach ihr sehnen werden. Aber ja, Fakt ist, die CDU-Wähler wandern ab, leider eben auch zur AfD, und der Trend muss gestoppt werden. Irgendwie. Wie das gelingen soll? Keine Ahnung. Es ist ein bisschen so wie beim Fußball. Nur relevanter. Die Trainerin erreicht ihre Mannschaft nicht mehr. Also uns, das Volk. Und ja, ich hätte mir in den letzten Monaten auch mehr Präsenz von ihr gewünscht. Mehr Kampfgeist. Mehr Klarheit. Einfach mal diesen tumben „Merkel muss weg!“-Brüllern über den Mund fahren. Aber das ist eben auch die Folge eines komplexen, politischen und medialen „Miss-Bildungs“-Prozesses, der von den Volksparteien nie richtig erkannt worden ist. Oder, noch schlimmer, ernst genommen.

Ich bin ja überhaupt kein CDU-Wähler, nie gewesen. Undenkbar. Aber Politik ist immer eine Frage der Alternativen, und in zehn Jahren werden wir feststellen, was eigentlich jetzt schon klar ist: Dass unsere kleine, nette Bundesrepublik ihre Unschuld verloren hat – und mit Merkel die letzte einigermaßen „normale“ Akteurin auf der Bühne dieses supercrazy Impro-Hauptstadt-Welt-Theaters.

Zwar nicht historisch, aber gleichermaßen wichtig ist der heutige Tag auch für mich persönlich. Ich verbringe nämlich heute den letzten Tag im Büro und starte morgen meine kleine, dreimonatige Auszeit. Den ganzen November werde ich mit meiner wunderbaren Freundin, die mir überhaupt erst den entscheidenden Schubs gegeben hat, reisen. Danach horche ich mal in mich hinein, ob da womöglich eine neue Buch-Idee schlummert.

Im Momente habe ich wieder soviel mit anderen Autoren und Autorinnen zu tun, dass ich darüber nachdenke, es mit dem Schreiben noch einmal ernsthaft zu versuchen. Ich höre von engagierten Literatur-Agenturen, lese im SPIEGEL mit Interesse die Dörte Hansen-Story, und gestern hatten der Alphabeten-Kollege Stuertz und ich Lucy Fricke zu Besuch, die uns für eine weitere Podcast-Folge Rede und Antwort stand.

Sie erzählte u.a., dass ihr erstes Buch damals ziemlich „gefloppt“ sei: 800(!) verkaufte Exemplare und zwei Rezensionen. Ich glaube, dass sogar ich mit meinem Debüt „Jugendstil“ erfolgreicher war. Obwohl es mit Minimal Trash Art nur ein kleiner Verlag war. Damals meldeten sich ja auch renommierte Verlage bei mir, aber ich konnte – mit Vollzeit-Job und Familie nebenher – nicht schnell genug was Neues nachliefern. Mal sehen, vielleicht reichen die drei Monate ja, um zumindest eine neue Idee zu skizzieren …

Aber ich habe mir geschworen, aus dieser Vorfreude kein Monster werden zu lassen. Das Leben ist kurz und wertvoll. Es kann morgen vorbei sein. Oder nächste Woche. Und es ist ein wahres Wunder. Das übersieht man nur gerne mal, wenn man an einem Novembermorgen über die B75 zur Arbeit fährt. Dass sich die Menschen darin so eingerichtet haben, dafür kann das Leben nichts. Es ist nur eine lächerliche Erscheinungsweise dessen – die mitunter, wenn die Liebe siegt, erahnen lässt, zu was der Mensch fähig ist, wenn er Herz und Geist in beide Hände nimmt und über den Tellerrand hinausschaut.

Der graue Rest ist: Suppe!

Der Tag nach einem schönen Abend …

… ist meist noch besser.

aalhaus3

Gestern Abend eine wunderschöne Release-Party im Aalhaus gefeiert. Es waren viele Leute da, nette Stimmung, unsere Autorin Dagrun hat gut gelesen, Michael Weins und ich waren als Moderatoren jetzt auch kein totaler Reinfall, und wir haben auch eine ganze Menge Bücher verkauft.

aalhaus1 aalhaus2

Meine Freundin war da mit zwei netten Kolleginnen, eine Kollegin von mir war da, hab ich mich sehr gefreut, Kollege Stuertz mit seiner (noch) besseren Hälfte, alles in allem also ein Abend, der einem den Glauben an das Gute vielleicht nicht … zurückgibt, weil er ist ja da, aber doch zumindest ein bisschen in die Glut pustet.

Kleiner Nachtrag: Ich habe vor ein paar Tagen (s. Blog vom 22. Oktober) ja total begeistert von dieser Band Haiti erzählt, die sich nicht googeln lässt, und dass ich das soooo cool fand, dass man die nicht findet. Hab ich Kollege Stuertz erzählt, und er so: Hai-y-ti mit „Y“ in der Mitte, Hamburger Rapperin. Hab sie sofort gefunden – und gleich ein wenig das Interesse verloren …

Trotzdem, wer möchte: Haiyti Monacco

Guter Track um ins Wochenende zu gehen!