Unser Afrika-Abenteuer neigt sich dem Ende zu. Zeit für letzte Gedanken.
Wir haben ein paar wunderschöne Orte gesehen, meistens toll gegessen, interessante Menschen kennen gelernt und einen supersüßen Hund (Chewy).
Erlebnisse, an die wir uns jetzt schon gerne erinnern, als wären sie bereits lange her. Pflügen abends durch Unmengen von Bildern, in hellster Vorfreude auf das entstehende Fotobuch.
Apropos Freude – die Lebensfreude der Einheimischen hat uns umgehauen, zuletzt am Samstag, an den Stränden von Camps Bay, aber auch an den Straßen, die bunt zusammengewürfelten Bautrupps aus Facharbeitern, Hilfskräften und Frauen, die rote Warnflaggen schwenken, aber auch mit anpacken, ja, es sind häufig nur Drive by-Beobachtungen, aber erste Eindrücke sind ja nicht immer falsch. Wir sind aber auch häufig angebettelt worden, von schwarzen Kindern und weißen Crystal Meth-Süchtigen, und uns ist einmal mehr klar geworden, dass es uns gut geht. Beneidenswert gut.
Reisen sollte staatlich verordnet werden, weil man bestimmte Dinge dann besser versteht. Wir haben die Gefängniszelle von Nelson Mandela gesehen. 18 Jahre lang war er inhaftiert, weil er gegen Unterdrückung und für seine Ideale gekämpft hat, bewaffnet, anders als Gandhi, der, was mir gar nicht so bewusst war, aus ganz ähnlichen Motiven siebzig Jahre vorher ebenfalls zunächst in Südafrika politisch aktiv war.
Mandela war am Ende seiner Haftzeit ein anderer Mensch. Er hat für Versöhnung geworben, weil er geahnt hat, dass die Zukunft seines geliebten Landes in Gefahr ist, wenn er Rache schwört. Obwohl er allen Grund dazu gehabt hätte.
Der Gefängnisbesuch auf Robben Island war wirklich ein eindringliches Erlebnis. Angefangen von der Überfahrt mit dem Schiff, bis hin zu den intensiven Schilderungen der Guides. Im Zellentrakt hat ein ehemaliger Gefangener von der Zeit der Apartheid und der Inhaftierungen erzählt. Bei den Folterungen ließ er die Details aus, weil, wie er es formulierte, „jemand, der vergewaltigt wurde, Probleme hat, über seine Vergewaltigung zu sprechen“. Lediglich an einer Stelle sprach er von Stromkabeln an den Hoden, was in der Kürze reichte, um zu verstehen, dass man diese Grausamkeiten nicht verstehen kann. Nicht, dass Folter irgendwann gerechtfertigt wäre, aber nochmal fürs Verständnis: Es ging ja damals nicht darum, dass man von einem Erpresser eine Aussage erzwingen wollte, wo das entführte Kind ist, sondern man hatte diesen jungen Mann gefoltert, weil er als Student für die Gleichberechtigung von Schwarzen gekämpft hat. Der Horror und die Anstrengungen dieses Lebens steckten in jeder Zeile seines Vortrags. Zwischendurch fragte ihn einer aus unserer Gruppe, warum er diesen Job mache, hier, an diesem Ort, der ihn an all das Schreckliche erinnere. Er antwortete, weil er sonst arbeitslos wäre.
Apartheid ist einfach ein schwieriges Thema. Eines, das bis heute zurecht die „Psyche“ der schwarzen Bevölkerung prägt. Das auch immer mitgedacht werden muss, um aktuelle Entwicklungen zu verstehen. Es ist ja nicht so, dass jetzt alles gut ist. Die Townships gibt es immer noch, und die reichen Weißen mit ihren großen – wie Festungen gesicherte – Häuser ebenso. Und das beeinflusst natürlich die Sichtweise. Und auch wenn Enteignungen weißer Farmen oder vermeintlich übertrieben hohe Quoten, was den Arbeitsmarkt betrifft, (keine Ausländer mehr, dafür vermehrt schwarzes Führungspersonal etc.) womöglich zunächst auch zu strukturellen Problemen führt, bspw. in der Landwirtschaft, kann ich diese neue Anti-Weiße-Haltung, die hier und da und zum Teil sehr aggressiv deutlich wird, zwar nicht gutheißen, aber ein Stück weit nachvollziehen. Diese Entwicklungen sind eben nicht (nur) rational zu erklären. Hier hat der weiße Mann keinen Wind gesät, sondern er war jahrzehntelang der Sturm selbst. Und es wird spannend sein zu sehen, in welche Richtung sich Südafrika in den nächsten zwanzig Jahren entwickeln wird.
Ansonsten? Bin ich sogar ein bisschen zum Arbeiten gekommen und ganz zufrieden. Bücher und Literatur werden mich immer begleiten. In der schönen Hafenstadt mit dem leicht bekloppten Namen Hermanus waren wir im Hemingway Bookshop, ein Laden, in dem allein man eine Woche Urlaub machen könnte (wenn man zwischendurch immer mal wieder an die frische Luft geht). Ich habe dort ein Buch gekauft: Genius, für knapp 3 Euro. Eine tolle Kompilation vom Observer, die sich nicht zu ernst nimmt, und in der es darum geht, was einen Genius ausmacht, aber auch welche Persönlichkeiten „geniale“ Züge hatten, und wie die historisch zusammenhängen. Hochinteressant.
Das Buch eröffnet mit einem A-Z of genius. Unter X findet sich der Begriff Xerostomia – Dry Mouth. Intellectuals near a breakthrough can often forget to drink! Habe daraus geschlossen, dass ich in den letzten vier Wochen zwar vorangekommen bin, der „Durchbruch“ aber offenbar noch auf sich warten lässt.