


Jetzt also Mexiko-City. Für das Schweizer Fernsehen, wie angekündigt. Dafür die Beerdigung meines Lieblingsonkels verpasst, aber mit meinem Kameramann Jasper in der Flughafen Lounge auf ihn angestoßen. Behelfsaktion, aber besser als gar nix, weil mit meinem Kameramann verstehe ich mich wirklich gut. Ziehen hier auch alles sehr gut zusammen durch, als 2er-Team, was nicht normal ist, weil wir normalerweise zu dritt reisen, mit einem Kamera-Assistenen. Diesen Job teilen wir uns jetzt, d.h. Jasper muss ein bisschen mehr machen, und ich muss ein bisschen mehr machen, z.B. manchmal den Ton. Das macht mir sogar Spaß und schweißt natürlich zusammen.


Es ist ein großes Privileg, diese Reisen zu unternehmen, weil man natürlich Dinge sieht, die man sonst nicht sehen würde. Das ist auch nicht immer gut, wenn man einigermaßen empathisch ist, weil es einfach sehr, sehr viele Menschen auf dieser Welt gibt, denen es deutlich schlechter geht als einem selbst. Und wenn man das dann wieder so geballt, sieht, wird man auch ein bisschen hilflos, weil man sich fragt, wie das alles sein kann (auch wenn man einige konkrete Gründe natürlich auf rationaler Ebene benennen kann). Und wie man das abbilden soll? Wie man das vor sich rechtfertigen kann, wenn man mal eben in so eine Welt hineinschaut, Geschichten herauszieht und wieder abdampft, in seinen sicheren Heimathafen.

Aktuell demonstrieren hier die Lehrer. Für mehr Geld und weniger Kürzungen. Sie bestreiken die ganze Stadt und wohnen dafür wochenlang in der historischen Altstadt, in einem riesigen Zelt-Camp, tagsüber bei großer Hitze, abends bei strömenden Regen. Und das sind noch die Leute, die einen normalen Job haben. Vor zwei Tagen haben wir in einem Viertel von Mexico City gedreht, da leben 7 Millionen Menschen, davon 70% unter der Armutsgrenze. Da wird man demütig.


Wir haben großes Glück. Nicht nur, weil es uns gut geht, sondern auch weil hier alles vor Ort mehr oder weniger reibungslos funktioniert. Tolle ProtagonistInnen (ein Architekt, eine Designerin, ein DJ, eine Brot-für-die-Welt-Mitarbeiterin und eine Hyrox-Athletin, demnächst mehr dazu …), eine tolle, lokale Produktionsfirma um den Ur-Hamburger Jens, der uns mit seinem Team hier sicher und zuverlässig durch alle Straßen führt und mit den nötigen Genehmigungen versorgt. So gesehen, ist es ein bisschen betreutes Arbeiten, aber die Kopfarbeit, was man am besten an welcher Stelle dreht und fragt und gleichzeitig schon im Kopf zusammenbaut, damit es am Ende auch passt, das bleibt natürlich im Wesentlichen an mir (und Jasper) hängen. Und das ist für mich auf Dauer anstrengender als die Tonangel zu halten.




Wir sind jetzt seit knapp zwei Wochen hier, und allmählich kommt man zur Ruhe. Weil sich die erste Aufregung gelegt hat. Weil man die Drehpläne den Gegebenheiten angepasst hat. Weil man auch schon Schönes eingefangen hat. Und zwischendurch sowas wie Alltag: Wäsche waschen, dabei in der ZDF-Mediathek meinen geliebten Wilsberg gucken (Münster!!!!!!!), ein Sudoku machen oder ein Superbuch lesen.


Gleich geht es noch ein letztes Mal los, und morgen dann zurück. Freue mich auf zu Hause, nehme aber auch ein bisschen Mexiko im Herzen mit. Ich stelle mir ja oft die Frage, ob man (bevor man in Rente geht ;-) vielleicht noch mal etwas macht, was den Menschen wirklich hilft. Diesmal muss ich sagen: In dieser Reihe mal auf die Sorgen und Nöte z. B. der Lehrer oder der ganzen NGOs hier in Lateinamerika hinzuweisen, ist auf jeden Fall eine gute Sache. Aufmerksamkeit ist in dieser Welt, in diesen Tagen vielleicht die drittwertvollste Währung. Gleich nach Wasser. Und Brot. Für die Welt.