Schneewalser

In einigen Busse bei uns in Hamburg gibt es hinter dem Fahrer so ein kleines Regal mit Büchern, die man mitnehmen und irgendwann im nächsten Bus wieder zurückstellen kann. Letztens hat meine Freundin ein dünnes Büchlein von Martin Walser mit nach Hause gebracht: Der Grund zur Freude. Das habe ich mir heute nach einem verkorksten 0:1 gegen den Tabellenletzten mal vorgenommen. Darin stehen so kleine Sprüche und Gedanken, und obgleich einige von denen schon 50 Jahre alt sind, fand ich sie erstaunlich aktuell. Oder, andersherum, es hat sich am Ende doch nichts wesentlich verändert. Da ich letztens überlegt habe, den Fernseher abzuschaffen, um wieder mehr selbst zu schaffen, bin ich gleich über einen der ersten Verse gestolpert:

Ich lese
Ich lese

Schöne Kunstform, diese Vierzeiler, hab die hier gerade irgendwo bei mir gefunden:

Er kauft Blumen für seine Frau.
Blumen für seine Frau, denkt er, sind eine gute Investition.
Eine Frau rennt an ihm vorbei.
Eine Frau, die rennt, denkt er, zeigt ihr wahres Gesicht.

na, alphabeten

Liebe Leser,
ich mache es kurz: Hier der erste, offizielle Bilderwitz von den Alphabeten. Natürlich auch bei facebook & Co. Seit heute Morgen online, bin janz jeck vor Jlück.

spargeltarzan

Mehr demnächst, keine Sorge, gebloggt wird weiterhin, ich hoffe, ihr habt ein bisschen Freude damit.

Ich jedenfalls jetzt schon:

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Else, thanx for spreading.

Grusel, Clown

Meine Büronachbarin hat mich heute Morgen (in ganz anderem Zusammenhang) gefragt, was ich über die T-Aktie wisse. Also sagte ich ihr, was ich weiß: Dass viele Kleinanleger damals ihr Geld in die neue Telekom-Aktie gesteckt und im weiteren Verlauf Verluste erlitten haben, und zwar so eklatant, dass sich das Werbegesicht der T-Aktie, Manfred Krug, Jahre später in einem Interview öffentlich dafür entschuldigte. Daraufhin fragte ich sie, ob Manfred Krug noch lebe, und das wussten wir beide nicht. Zwei Stunden später kam plötzlich bei Spiegel Online die Meldung, dass Manfred Krug gestorben sei. Das war irgendwie ziemlich gruselig. Als hätte ihn meine harmlose Frage, ob er noch lebe, schnurstracks ins Jenseits befördert.

Ansonsten? Freue ich mich sehr über die neue Ausgabe der 11Freunde, die gestern per Post ins Haus geflattert kam. Bisschen viel Werbung dabei, aber das geht heutzutage wohl nicht mehr anders. Jedenfalls habe ich mich sehr über eine Deutschlandkarte gefreut, für die der Blogger „Trainer Baade“ verschiedene, regionale Bezeichnungen eines beliebten Bolzplatz-Spieles gesammelt hat, bei dem man den Ball hochhalten und aus der Luft versenken muss. Haben wir früher auch immer gespielt. Wer verschießt, muss ins Tor, wer keine Punkte mehr hat, bekommt noch einen Elfmeter („Henker“), wenn er den verschießt, hat er verloren. Und in der Tat fand sich im Raum NRW die Bezeichnung „Technik“, so hieß das auch bei uns in Münster. Es gab allerdings noch einen zweiten Namen, der nicht auf der Karte stand, und den ich hiermit feierlich hinzufüge: „Spezi“!

Und? Das hier. Für einen fußballverrückten Literaturliebhaber wie mich – Knaller!

Quelle: Neue 11Freunde - kaufen!
Quelle: Neue 11Freunde – kaufen!

Undund? Ich frage mich insgeheim, ob Donald Trump noch lebt …

 

After Show

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Das Sophia-Konzert war toll. Trotz leicht mulmiger Anfahrt mit der belasteten U-Bahn. Immer noch die Aufkleber auf den Mülleimern, dass diese zu meiner Sicherheit übergangsweise versiegelt seien (siehe oben). Aber natürlich alles gutgegangen.

Und die Band war einfach großartig. Sehr dynamisch. Sehr breit. Und tolle Texte: Der Tod kommt langsam, wenn man auf ihn wartet …

Hatte im Vorfeld noch ein paar Interviews mit dem Sänger und Komponisten Robin gelesen, in denen er beschreibt, wie oft er ganze Songs wieder verwirft, weil er sie plötzlich zu poppig findet. Was zugleich die Antwort auf meine Frage ist, warum es solche Künstler nie ganz nach oben schaffen. Oder anders gesagt: Wäre ihm ein Stück wie Chasing Cars von Snow Petrol eingefallen, er hätte es sofort wieder weggeschmissen.

 

Weltanschauer 2 oder: Voll im Soll!

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Köln – Hamburg – Antwerpen – Brüssel – Brügge. Gerade mal wieder ein bisschen unterwegs. Zum Glück nicht nur beruflich, sondern jetzt mit meiner Freundin – das Beste, um bei dem ganzen Job-Stress einmal zur Ruhe zu kommen und gemeinsam durchzuatmen. Wir versuchen ja regelmäßig, ein paar Tage nur für uns zu haben und abzutauchen, diesmal also nach Belgien, dem Land der tausend Biersorten, zum Einen weil ich noch nie da war, zum Zweiten habe ich Karten für „Sophia“, einer meiner absoluten Lieblingsacts. Heute Abend Konzert in Brüssel, das ist so wie Udo Jürgens in Wien oder Lindenberg im Atlantic Hotel, ein Heimspiel eben, und wir sind mittendrin. Bin beinahe ein bisschen nervös, so sehr freue ich mich auf den Abend.

Antwerpen
Antwerpen
Köln
Köln

Der Dreh in Köln, in der Brauerei, war anspruchsvoll, aber sehr nett. Braumeister hätte auch ein Job für mich sein können. Oder Brennmeister. Eine superschöne, alte Destillerie war das da in Köln-Kalk. Es hat ja immer noch ein bisschen was Verruchtes, dieses Schnaps brennen, kein Wunder, dass das alles in Kellern oder Hinterhöfen stattfindet, auf jeden Fall im Verborgenen. Aber, wie gesagt, auch anspruchsvoll, diesen Sp(i)rit mit der Kamera einzufangen. Hab ohnehin das Gefühl, paradoxerweise gerade bei diesem arte-Projekt eine sehr eng gesteckte Erwartungshaltung zu bedienen, was die Ästhetik angeht, nach dem Motto: Das soll soundso aussehen …

Betone das deswegen, weil sich dieses „Sollen“, wie ich jetzt feststelle, die letzten Wochen ein bisschen wie ein roter Faden durch mein Leben gezogen hat, zum Teil ganz subtil. Die (Um-)Welt ist ja voll mit diesen Richtlinien und Anweisungen. Auf dem Rückflug von Köln z.B. über dieses Schild gestolpert:

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Du sollst nicht rauchen. Du sollst Dich anschnallen.

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Zuhause ging es dann weiter: Du sollst Deine Tabletten nehmen. Du sollst Deine entzündete Ferse (super Titel für einen Gedichtband) eincremen. Du sollst Dich gesünder ernähren.

Muss mich wieder davon frei machen. Machen wir jetzt auch. Bis Sonntag. FREI!

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Ansonsten? Hat sich mein Kameramann, bevor wir nach Köln geflogen sind, noch am Flughafen meinen Debutroman „Jugendstil“ als PDF auf seinen E-Reader gezogen. War ein komisches Gefühl, ihn beim Lesen zu beobachten. Aber schönes Gefühl zu wissen, dass er es jetzt gerade womöglich wieder tut. Ich muss nicht Millionen Bücher verkaufen. Am Ende reicht mir die positive Stichprobe.

Alter

Hab meiner Schwester am Samstag geholfen, einen Holzunterstand zu bauen. War gar nicht so einfach zu zweit. Gestern dann noch Fußball gespielt, nach zwei Wochen ohne Training gleich durchgespielt. Jetzt humpele ich leicht und fühle mich ein bisschen so, als hätte mich einer mit `ner Dachlatte verprügelt.

Früher hatte ich auch mal Muskelkater, aber anders. Irgendwie bezog sich der Muskelkater früher wirklich nur auf die Muskeln, ja, das ist der Unterschied, heute ist man einfach von oben bis unten und von innen nach außen platt.

Gleich geht es nochmal nach Köln. Drehe morgen in der ältesten Kölsch-Brauerei der Welt, der „Sünner-Brauerei“. Das wird bestimmt nett. Die historischen Fotos auf der Homepage sahen auf jeden Fall schon mal sehr vielversprechend aus.

Da fällt mir ein, bei meiner Schwester wächst ein komisches Zeug im Garten. Wir dachten zuerst, das wäre Hopfen, hab es aber noch nicht verifiziert. Doch das Hobby könnte mir auch noch gefallen: Bier brauen! Besser als Augen brauen … Haha.

Trainiere mich gerade wieder in Kalauern und Sprachspielen, weil Sebastian und ich ja an diesem Bilderwitzebuch arbeiten. Vielleicht versuchen wir uns auch demnächst an einem Literatur-Podcast. Spaßeshalber. Muss natürlich lustig sein. Und clever. Und mit verschiedenen Kategorien, z.B. „Fiktive und abgewandelte Buchtitel“. Einer fiel mir am Samstag ein, als meine Schwester mit beiden Händen und aller Kraft eine soeben (an der falschen Stelle) eingeschlagene Metallhülse excaliburmäßig wieder aus dem Erdboden zog: König Anus und die Zwitter der Schwafelrunde. Zu albern? Oder muss man die Leute nicht manchmal zualbern!

Sieh zu, Albert.

Hmmm, … lese gerade bei Wikipedia, dass Excalibur gar nicht das Schwert ist, das Artus aus dem Stein zog, sondern eingentlich ein Ersatzschwert, das ihm die Herrin vom See schenkte, nachdem er das Schwert aus dem Stein, welches nämlich Caliburn hieß, in einer Schlacht zerschlagen hatte. Hochinteressant. Man darf einfach seinem Halbwissen nicht trauen. Das wäre auch eine gute Kategorie: „Fiktive Fabelwesen“, z.B. der Wikintauros: Halb Wissen, halb Mann.

wikintauros

Ali ens

Gestern und heute unter Hochdruck im Schnitt gesessen. Feinschliff. Noch ein paar fast vergessene Perlen im Rohmaterial gefunden. Sowas könnte richtig Spaß machen, wenn es nicht (fast) immer gegen die Uhr wäre.

Die Nachrichten (Woher kommt der Begriff eigentlich? Weil man sich nach der Botschaft richtet?) daher nur verspätet und im Vorbeiflug gelesen. Der terrorverdächtige Syrer hat sich erhängt? Die Helden sollen Mitwisser gewesen sein? Von Peggys Tod führt eine neue Spur zur NSU? What the f…? Als wäre man nach Wochen aus dem Koma erwacht!? Musste bei dem erhängten Syrer allerdings auch an einen Tatort denken, der vor einiger Zeit lief, ich glaube, mit Wotan Wilke Möhring, wo ein Afrikaner verhaftet worden und in seiner Zelle verbrannt war und sich hinterher herausstellte, dass ein Polizist ihn angezündet hatte und den Mord als Selbstmord vertuschen wollte. Naja, …

Manchmal stelle ich mir vor, wie bei uns zuhause auf dem Wendehammer vor der Garage ein UFO landen würde und Aliens kämen zu Besuch. Und ich müsste ihnen kurz erklären, wie wir uns das auf unserem Planeten so gemütlich gemacht haben, und was bei uns so los ist. Und dann würden wir ein bisschen herumfliegen, und sie würden sowas sehen:

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Oder sowas:

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Ich meine, die Frage ist, wäre die außerirdische Intelligenz höher als unsere? Aber ich denke, ich weiß die Antwort. Also: Wie soll man das erklären?

Hu die sides?

Unsere langjährige SPIEGEL-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen schreibt jetzt für die WELT. Dafür wird es Gründe geben, aber es ist ein bisschen wie der Wechsel von Hummels zu Bayern (und das sage ich als Bayernfan). Fühlt sich komisch an.

Drei syrische Flüchtlinge aus Leipzig werden (zurecht) gefeiert, weil sie einen mutmaßlichen Terroristen erkannt und überwältigt haben. Hatte sogleich die Idee für ein Drehbuch: Ein syrischer Flüchtlingsclan kommt in eine ostdeutsche Kleinstadt und wird erstmal angefeindet. Um ihr Ansehen zu bessern, bestimmen sie einen Freund der Familie als Bauernopfer, weisen ihn als Terroristen aus und übergeben ihn der Dorfpolizei. So als schräge, schwarze Tragikomödie, die natürlich eher tragisch als lustig ist. Aber mit ganz viel Fingerspitzengefühl und guten Schauspielern könnte das was werden …

Hatte am Montag eine sehr gute Abnahme mit dem St. Petersburg-Film für arte. Das freut mich, gerade weil der Dreh so extrem anstrengend war. Und morgen treffe ich mich wieder mit Sebastian, um unser Bilderwitze-Projekt voranzutreiben. Stillstand ist der Tod, sang schon Herbert Grönemeyer. Oder um es mit einem Claim für eine Zigarettenwerbung zu sagen, den ich leider gar nicht so schlecht finde:

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Weltanschauer

Gerade wieder zurück aus Köln. Hab gestern in einem sogenannten „Asyl-Archiv“ gedreht, also einem dieser Übergangsarchive, in denen die Bestände des eingestürzten Stadtarchivs gelagert werden. Sehr interessant, sich an dieser Stelle auch nochmal zu vergegenwärtigen, warum sich Städte überhaupt ein Archiv leisten. Dass jede alte Personalakte eines Beamters wie eine kleine Erinnerung ist und, andersherum, eine alte Stadt, deren Archiv plötzlich im wahrsten Sinne „verschütt“ geht, im Grunde wie ein Mensch, der an Demenz leidet.

In der mobil, der Kundenzeitschrift der Bahn, war ein etwas blutleerer Essay von Eckart von Hirschhausen übers Essen, allerdings mit einem sehr schönen Mark Twain-Zitat, das ich noch nicht kannte: „Nichts ist gefährlicher als die Weltanschauung von Menschen, die die Welt nie angeschaut haben.“

Ich bin in den letzten Jahren ja relativ viel herumgekommen, in den letzten Monaten auch wieder viel in Deutschland, gut, häufig auch nur entlang der Bahnstrecke Hamburg – Köln, aber immerhin. Es gibt da diesen Abschnitt irgendwo in der Mitte, wo sich große Ackerflächen mit Industrieanlagen paaren, und vorgestern auf der Hinfahrt ließ die Sonne das Ganze noch in so einem besonderen Licht erscheinen, und da dachte ich, ja, am Ende kann man dieses verrückte, kleine, bewunderte und verhasste Land vielleicht ganz angemessen in zwei derartigen Bildern beschreiben:

weltanschauer1

weltanschauer2

Trump and Circumstance

Bestandsaufnahme
Bestandsaufnahme

Trump scheint sich zu zersetzen. Endlich. Ostdeutschland auch. Unendlich. Nicht mehr feierlich.

Höre bewusst auf die Gegenstimmen. Doch wo sollen wir Hinterbliebenen hin, wenn es hierzulande unerträglich wird? Wir brauchen Bildung. Aufklärung. Vermischung. Mehr Zeit. Politiker mit guten Ideen. Eine tadellose Rechtsprechung. Und eine zeitgemäße Exekutive …

copdergutenhoffnung

Am Ende werden ohnehin Fruchtfliegen das große Problem gewesen sein. Dachte, es sei lediglich unseres, doch es betrifft offenbar das ganze Land. Paul Wrusch bespricht in der taz-Wochenendausgabe sogar konkret eine bestimmte Fruchtfliegenfalle in Birnenform, mit Hinweis auf den Hersteller und darauf, wo man sie bestellen könne. Alles ein bisschen seltsam.

Ansonsten? Toller Tatort am Sonntag, auch wenn mein Kollege bei SPON, das (mal wieder) anders sieht.

Lese gerade „Apollokalypse“ von Gerhard Falkner. Cooles Buch. Klingt verrückt, aber ich habe mich an ein paar Stellen gefragt, ob er wohl meinen Roman „Kunststoff“ gelesen hat. Die Künstler-Figuren (inklusive Geisteskrankheit), das Berlin-Setting … naja, vermutlich nicht. Wäre mir eine Äre.

Und: Jetzt nochmal der Rundumschlag zum Abschluss: Was soll man von einer Gesellschaft erwarten, die all das, was sie meint, zu brauchen oder besitzen zu müssen, im Internet bestellt, dort aber Bücher wie Apollokalypse nur auf Unverständnis stoßen und 1,5 Sterne bekommen? Warte eigentlich nur darauf, dass im Netz demnächst „öffentlich“ zur Verbrennung dieser „entarteten Kunst“ aufgerufen werden darf.