Meine Mutter ist gestern 75 geworden. Was soll man dazu sagen? Außer: Herzlichen Glückwunsch! Und: Alles Gute! Und: Danke für alles! Ich habe in den letzten Monaten wieder viel über meine Familie nachgedacht. Also die, in die ich hineingeboren worden bin. Vor allem deshalb, weil die männliche Hauptfigur meines neuen Buches „Eben noch Eden“ keine so schöne Kindheit hatte und ich natürlich – auch wenn meine Eltern sicher clever genug sind, um abstrahieren können – trotzdem befürchte, sie (oder Freunde, Nachbarn und Verwandte) könnten auf die Idee kommen, dass sich diese negative Sicht auf die Kindheit irgendwie mit meiner persönlichen decken könnte.
WAS – um das einmal an dieser Stelle öffentlich kundzutun – NICHT DER FALL IST! Ich hatte eine wunderbare Kindheit, liebevolle Eltern und Geschwister, bin gefördert worden, durfte basteln, Musik machen, spielen, lachen, hatte Freunde, mir wurden im Grunde keine Grenzen gesetzt, die, objektiv betrachtet, keinen Sinn gemacht hätten. Dafür bin ich dankbar.
Auch dafür bin ich dankbar: Das Buch ist fertig. Es gibt nicht nur einen Titel, sondern auch ein cooles Cover, und es ist schlicht und einfach traumhaft, wie all diesen wunderbaren Menschen aus dem Umfeld meines Verlages Minimal Trash Art mit Leidenschaft, Fingerspitzengefühl und Sachverstand dazu beigetragen haben. Falls ich es noch nicht gesagt habe: Premiere ist am 02. November im Nachtasyl.
Nun versuche ich, natürlich alles neben dem Job, ein paar Lesungen zu organisieren. Wer das also hier liest und eine Idee hat, ladet mich gerne ein, ich komme (fast) überall hin. Alle news dazu gibt es ab jetzt laufend auf der Seite:
Im Job wird es gerade wieder ein bisschen turbulent. Der SAT1-Check geht in die entscheidende Schnitt-Phase. Parallel denke ich gerade mit einem Kollegen auf einer Idee herum, die wir jetzt gerne sehr schnell pitchen würden. Und im Zuge der Recherchen ist mir eine tolle Sache passiert, die ich gerne kurz erzählen würde …
Es geht, wie unschwer zu erkennen ist, um die berühmte Harzreise von Heinrich Heine. Aus gegebenem Anlass sind dazu in letzter Zeit zwei Bücher entstanden, die ich mir besorgt habe. Ich hatte darüber hinaus, weil mich das Thema schon seit Jahren begleitet, mal ein paar Links zu einer Homepage gespeichert, auf der der Heine-Experte Helmut W. Brinks die einzelnen Stationen der Harzreise, wie Heine sie gewandert ist, relativ genau rekonstruiert und aufgeführt hatte. Als ich die Links jetzt aufrufen und meinem Kollegen zeigen wollte, führten alle drei Links ins Leere: Seite nicht zu erreichen. Soviel zum Thema, das Internet vergisst nie, mir rutschte fast das Herz in die Hose. Nun muss man wissen, Helmut W. Brinks ist mittlerweile über 90, und natürlich dachte ich daran, dass der Mann womöglich nicht mehr lebt und alle seine Forschungsprojekte abgeschaltet wurden.
Jedenfalls war ich relativ verzweifelt und habe dann trotzdem eine Mail an eine Adresse geschrieben, die in dem Kontext bei Google als Impressum zu finden war, relativ offen im Wortlaut, nach dem Motto, keine Ahnung, ob es diese Adresse noch gibt, hätte nur gesehen, die Seite sei nicht mehr aktiv, schade, ob irgendjemand etwas wisse. Und einen Tag später schrieb mir kein Geringerer als Helumt W. Brinks höchstpersönlich zurück, ja, er habe das gesehen, dass die Seite nicht mehr aktiv sei, versuche das gerade zu beheben, und (mit einem gefühlten Augenzwinkern) er hoffe, er werde das mit seinen 91 Jahren noch erleben. Außerdem verwies er auf einen anderen Text, den er mal geschrieben hatte, wo diese Ergebnisse zur Harzreise auch zu finden seien. Ist das nicht der Hammer? Ja, vielleicht hätte ich diese „Begegnung“ auch gehabt, wenn ich nicht bei SPIEGEL TV arbeiten würde. Die Lust und die Nase für die erfolgreiche Recherche haben sich aber sicher erst im Job entwickelt. Auch dafür bin ich dankbar.
Heute habe ich Zeit; mich dankbar zu fühlen und darüber zu schreiben. Habe diese Gefühle allerdings auch vorher alle ein bisschen sortiert, im Kopf, während ich faktisch meine Sportsachen ausgemistet und sortiert habe. Das geht bei mir oft Hand in Hand; dass ich das Chaos im Kopf bändige, indem ich faktisch irgendwie irgendwo eine äußere Ordnung herstelle.
Und – um den Kreis zu meiner glücklichen Kindheit zu schließen: Ich habe es NICHT übers Herz gebracht, zwei alte Handtücher wegzuschmeißen, die beinahe genauso alt sind wie ich. Habe sie mal bei einer Laufveranstaltung gewonnen, ich glaube, in Coesfeld, da muss ich ungefähr 8, 9 oder 10 gewesen sein. Sie waren bis zuletzt im Einsatz, jetzt habe ich sie ins Altenteil sortiert. Hebe sie auf, für das Gerrit Jöns-Anders-Museum. Oder ich mache Schuhputzlappen daraus. Ja, vielleicht putze ich bald mein letztes paar Fußballschuhe mit meinen ersten eigenen, beim Laufen gewonnenen Handtüchern. Das ist doch irgendwie romantisch, oder Heinrich Heine?