25 Jahre Mauerfall. Hab eben kurz überlegt, wo ich am 09. November 1989 war. Bin mir, ehrlich gesagt, gar nicht sicher. Glaube, dass ich in Amerika war und meine Eltern mir die BILD-Zeitung mit den berühmten Fotos aus Berlin in einem Adventspaket nach Kalifornien geschickt haben. Damals war ich fast sechzehn, nur knapp älter als mein älterer Sohn heute.
Habe das Gefühl, ihn noch gar nicht so lange zu kennen. Das Schicksal der Teilzeit-Väter. Das ist wie im Deutschunterricht mit der Erzählzeit und der erzählten Zeit. In meiner Wirklichkeit, das heißt, wenn man die Tage addiert, die wir zusammenverbracht haben, ist er vielleicht erst vier oder fünf. Deswegen tue ich mich, glaube ich, manchmal noch schwerer als andere damit zu akzeptieren, dass er nicht mehr klein ist. Für mich ist er noch klein. Oder zumindest jung.
Wettertechnisch war der große Mauerfalltag heute wie aus dem Bilderbuch. Goldener Sonnenschein, angenehme Temperaturen, klare Luft. Hatten ein Fußballspiel im Schanzenpark, relativ früh. Danach mit ein, zwei Kollegen zum anderen Platz an der S-Bahn-Station und da bei einer kleinen Knolle noch ein bisschen zugeguckt. War eine ganz freundliche Atmosphäre. Fast hippiemäßig. Multikulti at its best. Klar, war Schanze, aber ich hab – nach dem ganzen Ukraine-IS-Hooligan-Salafisten-Feuerwerk der letzten Monate – schon das Gefühl, auch der letzte Depp hat erkannt, dass friedliches Miteinander keine Selbstverständlichkeit ist. War es noch nie, ja, aber die Luft war extrem bleihaltig in letzter Zeit.
Ich hab mir damals in Kalifornien keine großen Sorgen gemacht. Ehrlich gesagt, auch keine großen Gedanken. Ich wollte nach meiner Rückkehr in Münster eine Rockband gründen. Und irgendwann nach Island. Beides gemacht. Jetzt entwickeln meine Söhne Ideen. Haben Träume. Und ich? Träume von Weltfrieden wie eine naive Miss-Anwärterin.
Mein kleiner Sohn sprach auf dem Weg zum Fußball letztens – zwar liebevoll, aber dennoch – von meinem Elch als „alter Karre“. Ich hielt ihm einen kleinen Vortrag, dass die Lebensleistung eines Mannes nicht darin bestünde, zur Bank zu gehen und einen 50.000 Euro Kredit für ein Auto aufzunehmen, was ich jederzeit machen könnte, aber nicht wolle, sondern z.B. neben diversen Jobs, der Geburt eines Kindes und einem Umzug nach England noch eben eine Doktorarbeit zu schreiben. Ohne Plagiate, wohlgemerkt. Abends fiel mir dann ein, dass mein Vater mich, als ich so alt war wie mein kleiner Sohn heute, eine Zeitlang mit einem 66er Renault Dauphine zum Fußball gefahren hat und ich mir damals auch einige (lustige) Sprüche meiner Mannschaftskameraden anhören musste. Ich fand es damals so lala, mit der Mühle kutschiert zu werden, zumal wir noch ein „normales“ Auto hatten. Heute denke ich: Was war das für ein geiles Teil …
Ansonsten? Kann man meine Reportage für die Spiegel-Onliner jetzt auf deren Facebook-Seite sehen. Also, Kopfhörer auf und Lautstärke hoch. Viel Spaß:
https://www.facebook.com/video.php?v=742670472484607&set=vb.120313354720325&type=2&theater