Henry Miller fasziniert mich immer mehr. Unsere Terrasse sieht mit dem ganzen Angelzeugs abends zwar mehr nach Hemingway aus, aber ansonsten kann ich diesem besessenen, belesenen Anti-Freak ganz gut folgen. Spannend finde ich, wie Miller bei jedem Brief immer gleich das Publikations-Potenzial mitdenkt. Anais Nin soll dann Briefe aufbewahren oder kopieren oder wieder mitbringen, weil er irgendeinen Gedanken darin nochmals in irgendeinem anderen Text verwursten will.
An dem Tag als er beschreibt, wie er den Vertrag für „Wendekreis des Krebses“ (Habe ich als Zivi gelesen. Mein erstes war allerdings „Wendekreis des Steinbocks“, und wer hatte es im Regal? – Meine unterschätzte Mutter …) unterschreibt, ist er sich nicht zu blöde im letzten P.S. Anais Nin darauf hinzuweisen, dies sei so ein Brief, der später mal viel Geld wert sei. Na ja, er formuliert es natürlich galanter, aber der Sinn bleibt der gleiche:
Aber, klar, verständlich ist das schon. Jemand, der jahrzehntelang denkt, er habe es (womöglich) in sich, sieht sich regelrecht als „geheilt“, wenn plötzlich jemand aus dem Literaturbetrieb auf ihn zukommt und sagt: „Ich glaube an Dein Buch“. Das ist ganz rührend, wie Miller diese Erleichterung beschreibt, nämlich nun schwarz auf weiß den Beweis zu haben, dass er und sein schaffendes ICH stärker waren als die (Selbst-)Zweifel und vor allem die widrigen Umstände.
Ich musste an mein Lektorat mit Jan-Uwe denken, der seiner Freundin die letzte (von uns gemeinsam überarbeitete Version) mit den Worten übergab: „Freu Dich, Du darfst jetzt ein gutes Buch lesen.“ – Kann natürlich auch sein, dass er damit meinte, wir hätten noch ganz schön viel dran geschliffen, aber gefreut habe ich mich trotzdem.