Heute Abend kommt nochmal meine Shaolin-Dokumentation über Julian. Hab versucht, ihn anzurufen, aber keinen erreicht. Hoffe, es geht ihm gut. Gucke gerade den Vorfilm, Bulletproof Monk, und muss an unseren China-Trip denken. Die Besuche in den verschiedenen Schulen, das frühe Aufstehen, das harte Training – und unseren Dolmetscher Mr. Wei. Und am Ende Julians Unzufriedenheit, wenig über den geistigen Pfad erfahren zu haben.
Trotzdem waren unsere Gespräche – auch abseits der Interviews für den Film – tiefgründig. Warum ich das erzähle? Weil ich offenbar das Glück oder auch ein Talent dafür habe, Menschen zu begegnen, die mich im Hier und Jetzt inspirieren.
Donnerstag Abend kam mein alter Freund Tobias extra raus nach Eberswalde. Er macht seit ein, zwei Jahren Online-PR im Entwicklungsministerium, hat Latein und Philosophie studiert (glaube ich) und auch promoviert. Im Ruhrgebiet, wo wir uns kennengelernt haben, lasen wir uns abends gegenseitig Philippe Djian vor, das ist 10 Jahre her. Vorgestern sprachen wir zu später Stunde über den Plan, mich mal als Videojournalist auf eine Reise des Ministers mitzunehmen. Wir hatten schon ein paar Bier intus, und ich redete mich ein bisschen in Rage, nach dem Motto, er soll sich mal meinen Shaolin-Film angucken und es dürfe natürlich kein Werbefilm für den Minister werden etc. Als ich am nächsten Morgen zur Uni ging, hatte er mir schon zwei Termine gemailt.
Gestern habe ich mich nach erfolgreichem Seminar-Abschluss dann noch mit meinem Freund Jakob in Berlin getroffen. Wir kennen uns noch nicht so lange. Er stammt aus einer Hamburger Verlegerfamilie und hat sich selbst auch der Literatur verschrieben.
Jedenfalls stelle ich fest – und damit schließt sich mein geistiger Pfad für heute -, dass ich bei den paar Freundschaften, die ich in den letzten Jahren pflege, stets das Gefühl habe, weniger zu wissen als der andere. Wobei ich ja auch immer in Fettnäpfchen tappe. Hab gestern z. B. die Suhrkamp-Frau, die da gerade mit dem Barlach im Clinch liegt, irrtümlich als Tochter von Unseld abgetan. Da hat mir Jakob erstmal erklärt, dass sie ja die Witwe ist (was ich eigentlich auch wusste) und ursprünglich mal der Unseld-Sohn den Verlag übernehmen sollte, was, wenn Jakob, der ja selbst einen Verlagschef zum Vater hat, das erzählt, natürlich mit einem bestimmten Unterton daher kommt. Und er verfügt natürlich auch noch über jede Menge Zusatz-Informationen.
Vielleicht sind das die besten Freundschaften. Sich gefordert zu fühlen, ohne im Wettstreit zu liegen. Zu lernen, ohne sich belehrt zu fühlen. Sich zu entspannen, sich sicher zu fühlen und trotzdem das Gefühl zu haben, dass das Miteinander einen selbst als Individuum weiterbringt.