Futour

Digi1

Im akuellen SPIEGEL (also von letzter Woche, morgen kommt ja der neue) spricht Richard David Precht über die Risiken der Digitalisierung. Die Arbeitswelt werde sich radikal verändern, ein Großteil der „normalen“ Jobs wegfallen. Klingt jetzt altbekannt, aber er unterstreicht seine These mit neueren, differenzierten Erklärungsansätzen. Allerdings sieht der Philosoph nicht nur schwarz, sondern malt auch ein mögliches, positives Szenario: Sollten die Maschinen nämlich wirklich irgendwann alle Jobs machen, könnte die Industrie, die an den Maschinen verdient, effektiv Lobbyarbeit für das bedingungslose Grundeinkommen machen (bei Siemens scheint das jetzt schon zu sein, wusste ich gar nicht), die Politik würde es dann vielleicht umsetzen, so dass die Menschen irgendwann in naher Zukunft in ein Zeitalter übergehen, in dem sie nur Tätigkeiten verrichten, die ihnen sinnvoll erscheinen. Bin dabei!

Die Digitalisierung hat aus der „Welt“ keine andere gemacht. Aber aus dem Umgang mit ihr, vor allem für unsere Kinder. Es ist daher wichtig, in Familien nicht den Kontakt zueinander zu verlieren. Das war allerdings schon immer so. Nur, dass die analogen Parallelwelten, in die sich Kinder und Jugendliche früher flücheten, nicht solche „Irrgärten“ waren wie die virtuellen heute. Auf der anderen Seite standen einem suchenden, jungen Menschen eigentlich schon immer traditionell zwei „Fluchthelfer“ zur Seite: Content und Drogen.

Ich glaube, Mediennutzung muss von Eltern genauso vorgelebt werden wie alles andere auch. Und was Dauer und Umfang angeht, hilft, wie immer, ein Blick auf Aristoteles Mesotes-Lehre, wo es, verkürzt gesagt, um das „gesunde Mittelmaß“ geht. Wobei digitale Abstinenz vielleicht keinen wirklichen Mangel darstellt. Aber es macht ja auch Spaß, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Bloggen oder Bildbearbeitung (siehe oben). Und gestern Abend bin ich nach dem Trommeln nach Hause gefahren und habe im Radio byte fm gehört. Da liefen zwei Spitzensongs hintereinander. Der Moderator nannte die Künstler und die Titel zum Schluss auch, doch ich konnte sie mir nicht merken. Eben habe ich plötzlich wieder daran gedacht, bei byte fm auf der Homepage die playlist von gestern Abend angeklickt und den Song gleich bei Spotify nochmal angehört. Hier ist er. Super!

Den zweiten Song verrate ich Euch bim nächsten Mal.

Von Außen betrachtet …

Der April … von strahlend blau auf fahl und grau in zwei Tagen.

War am Sonntag mit meinem jüngsten Sohn beim Fußball. Am Rande des Spiels hat eine Mutter ein wunderschönes Foto von den Jungs gemacht, wie sie alle gemütlich und lässig auf der Rasentribüne in der Sonne liegen und miteinander Spaß haben. Eine tolle Momentaufnahme, bei deren Betrachtung die Jungs in 30 Jahren womöglich feuchte Augen bekommen. Es sieht, von außen betrachtet, einfach nach einem unbeschwerten, guten Leben aus.

Ich erinnere mich an diese Zeit und weiß, dass sich trotzdem jeder Einzelne von ihnen Sorgen macht. Weil er sich zu klein findet für sein Alter, oder zu groß, zu langsam, zu schwach, zu hässlich oder zu doof. Weil ihn kein Mädchen beachtet oder er sich von seinen Eltern oder der ganzen Welt unverstanden fühlt.

Quo vadis, Schwester? Mit Achtzehn.

Die meisten Menschen sorgen sich in jeder Lebensphase. Wenn man älter wird und schon ein paar echte (also: objektiv betrachtet) Rückschläge weggesteckt hat, verändert sich die persönliche Definition von Sorge. Und von Glück. Vielleicht. Manche Menschen fühlen sich ein Leben lang zu klein oder zu groß, oder wären gerne ein berühmter Schriftsteller, anstatt zu erkennen, dass sie unterm Strich glücklich sein müssten, weil sie zum Beispiel nicht schwerkrank sind. Aber diesen Unterschied zu erkennen, ist nicht immer leicht. Glück ist, meines Erachtens, kein Dauerzustand. Glück sind kleine Momente, die manchmal kürzer oder länger andauern, genauso wie Trauer oder Angst. Doch auch die gehören zum Leben dazu, weil man sonst kein Maß für die glücklichen Momente hätte. Deswegen bin ich ein großer Freund des Begriffes „Zufriedenheit“. Weil der, wenn sich Freude und Leid, Glück und Schicksalsschläge die Waage halten, in unseren Breitengraden mit der Mittelsilbe „frieden“ sich zumindest für mich als sehr passend erweist.

youthknuefer
Werde ich jemals Schriftsteller? Mit Anfang Zwanzig.
Foto 2
Wahnsinn. Erstes Buch ist raus. Mit Ende Zwanzig.
Journalist und Schriftsteller sein wollen und plötzlich ins Grübeln kommen, ob man "Kartusche" mit oder ohne "r" schreibt. Heute.
Schriftsteller sein wollen und plötzlich ins Grübeln kommen, ob man „Kartusche“ mit oder ohne „r“ schreibt. Heute.

Natürlich bin ich von Geburt an privilegiert. Es gibt Millionen, vielleicht sogar Milliarden Menschen, die beinahe ausschließlich schlechte Erfahrungen machen und kaum noch glückliche Momente erleben. Habe eben mit meiner Kollegin über einen Artikel aus dem aktuellen SPIEGEL gesprochen, der uns sehr berührt hat, über den iranischen Flüchtling in Berlin, der dort drogensüchtig wurde und sich deswegen nun prostituiert. Und wie der von den Freiern erzählt und von den Dingen, die er für Geld für die macht, bzw. an sich machen lässt. Und meine Kollegin und ich fragten uns: Wie kann das sein, dass 50-jährge Familienväter zu einem jungen Mann gehen, der Heroin nimmt und von anderen Freiern mit Filzläusen berichtet? Wie groß muss sozusagen der Trieb sein? Und da fiel mir ein, dass ich vor ungefähr 15 Jahren im Rahmen einer Recherche bei der AIDS-Beratungsstelle in Altona war und mir die Sozialarbeiterin dort erzählte, die „abhängige Cracknutte“ (ihre Worte aus der Perspektive der Männer) hätte die meisten Freier – weil es da nicht nur um das Ausleben eines Sexual-Triebes geht, sondern vielmehr um die Ausübung und das Gefühl von Macht. Anders gesagt: Die Befriedigung des Mannes erfolgt in dem Moment nicht nur körperlich, sondern den eigentlichen „Kick“ bezieht er aus dem Gefühl absoluter Macht und dem Wissen, dass er von dem anderen (in dessen/deren Notsituation) im Prinzip ALLES verlangen kann. Und diese Art von Männern führen häufig genug eine bürgerliche Parallelexistenz, wo sie genau diese „dunkle Seite“ eben nicht ausleben können. Das ist alles nicht schön, aber nicht ungewöhnlich. Und besagt einiges über die männliche Psyche.

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Hatte ein sehr erfolgreiches, aber natürlich viel zu kurzes Arbeitswochenende mit Sebastian von den Alphabeten. Wir waren in einer Art Landgasthaus in der Nähe von Wacken, haben neue Bilderwitze kreiert und weitere Podcast-Folgen produziert. Kann es kaum erwarten, dass dieses tolle Projekt endlich an den Start geht.

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In einer der kleinen Pausen waren wir im Ort Wacken, der ja wirklich unter dem Einfluss dieses Festivals steht. Da gab es auch so einen Metal-Mittelalter-Rollenspiel-Laden mit Kostümen und Schwertern, zum Teil mit Kunstblut verziert. Nicht mein Ding, aber beeindruckend. Allerdings achtet man offenbar darauf, dass die psychosoziale Balance im Ort stimmt:

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Herzstück und Engel (der Alphabeten) – und ein paar Zeitschriften …

Nebenbei erzählte mir Sebastian, dass die Firma für die er letztes Jahr viel gearbeitet hat, einen ECHO gewonnen hat, für dieses Beatsteaks/Deichkind-Video „L auf der Stirn“. Ich erwähne das deswegen, weil es eine schöne Überleitung zu einem unschönen Thema ist, nämlich der Frage: Was darf Kunst? Oder versteckt sich vielmehr manchmal dämlicher, geschmackloser Content unter dem Deckmantel der „künstlerischen Freiheit“? Ich würde mich normalerweise gar nicht so intensiv mit diesem Genre beschäftigen, aber 1) glaube ich, dass meine Söhne sowas hören, und 2) würde mir dann vielleicht einmal dasselbe passieren, was jetzt Jens Balzer passiert ist, der in der ECHO-Jury saß und erst im Nachhinein realisierte, wer da eigentlich für was ausgezeichnet wurde.

Offensichtlich hat ihn das so beschäftigt, dass er prompt einen Kommentar für die taz verfasst hat, den ich hier auszugsweise zitiere, weil ich die Debatte auch wichtig finde:

„Um es gleich zu gestehen: Ich war selbst in der Jury und habe zwar nicht für Kollegah und Farid Bang gestimmt, aber mich über ihre Nominierung auch nicht weiter empört, das war eine Nachlässigkeit. Offen gesagt, hatte ich einfach keine Lust, mir den klanglichen Ausstoß der beiden von vorne bis hinten durchzuhören, sonst wäre mir auch aufgefallen, was nach der Bekanntgabe der Nominierungen zum Thema wurde. In dem Song „0815“ rappt Farid Bang nämlich: „Deutschen Rap höre ich zum Einschlafen / Denn er hat mehr Windowshopper als ein Eiswagen, ah / Und wegen mir sind sie beim Auftritt bewaffnet / Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“, das heißt, er hat so wenig Fett auf den Rippen wie sonst nur jemand aus dem KZ. In anderen Songs schwelgen die beiden in heiteren Gewaltfantasien, sie wollen Menschen, die ihnen nicht passen, mit einem „Sprengstoffgürtel“ massakrieren oder mit einem Lkw, „als wärst du auf dem Weihnachtsmarkt“, oder mit einem Attentat „wie bei Charlie Hebdo“; oder anders gesagt: Sie finden alle Arten von Gewalttaten toll, bei denen Christen und Juden ums Leben kommen. Warum wird so etwas zum „Album des Jahres“ nominiert? […] Ihr Album wurde seit Dezember 200.000-mal verkauft und über 30 Millionen Mal gestreamt, ohne dass es irgendeine nennenswerte Debatte über antisemitische oder sonst wie reaktionäre Textzeilen gegeben hätte. […] Wozu das führt, kann man zum Beispiel auf Berliner Schulhöfen studieren, wo die Zahl der antisemitischen Vorfälle steigt.“

(Quelle: taz vom 14.04.2018)

Ich erinnere mich an einen Einkauf mit meinem Kumpel Christian bei Elpi, dem heißesten Plattenladen in Münster. Oder war es Jörgs CD-Forum? Egal, jedenfalls habe ich als damals 14-Jähriger (und ich sah jünger aus) erst mein Herz und dann die Ärzte-Scheibe „Die Ärzte“ in die Hand genommen und möglichst unbeteiligt zur Kasse getragen, wo sie die junge Dame damals noch unbeteiligter und ohne aufzublicken abkassierte. Christian hätte sich fast noch verplappert, weil die Platte damals Stücke enthielt, die in der Zwischenzeit auf dem Index gelandet waren. Ich konnte ihm gerade noch vors Schienbein treten. Draußen vor dem Laden haben wir dann vor lauter Erleichterung einen Lachanfall bekommen. Ja, vielleicht waren da zwei, drei Nummern (noch) nichts für unsere roten Ohren, aber gegen das Zeug, was bestimmte „Künstler“ so von sich geben, erscheint mir das heute total harmlos. „Ich könnte sie auch ideal in dieser Stellung f….“ (Sweet Gwendoline) klingt doch irgendwie anders als „Dein Chick ist ’ne Broke-Ass-Bitch, denn ich fick‘ sie, bis ihr Steißbein bricht.“ Oder sehe ich das zu verkniffen? Bin ich jetzt wie meine Eltern?

Lest mehr taz!

Und ich werde wieder mehr und kritischer Hip-Hop hören …

Schnitzel-Jagd

Weil ich versuche, ein moderner Mann zu sein …, nein, Moment, weil ich ein moderner Mann bin, versuche ich ab und an, abends für alle zu kochen. Gestern gab es Putengeschnetzeltes. Soße aus der Tüte, Geschmack … naja … und natürlich viel zu viel. Hab die Reste mit zur Arbeit genommen, weil ich kein Essen wegwerfe. Und ausgerechnet heute gab es Wiener Schnitzel, also nicht „Wiener Art“, sondern richtig, vom Kalb. Luxusproblem, ich weiß, aber immerhin. Bin standhaft geblieben.

restessen

Habe ich nicht gestern geschrieben, im Moment laufe hier bei der Arbeit alles ganz ruhig und  reibungslos? Dann bin ich vielleicht die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Denn laut einer aktuellen Umfrage der pronova BKK fühlen sich neun von zehn Deutsche von ihrer Arbeit gestresst. Und immerhin sechs von zehn Befragten klagen gelegentlich über typische Burnout-Symptome wie anhaltende Erschöpfung, innere Anspannung und Rückenschmerzen.

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Passend dazu fiel mir gestern das SPIEGEL-Sonderheft über Karl Marx in die Hände, in dem ich abends auf der Terrasse gleich noch ein wenig blätterte. Marx Begriff der Entfremdung meint ja, grob gesagt: Der Arbeiter kann sich weder mit dem Produkt noch mit der Produktionsweise seiner Arbeit identifizieren. Er verkommt vom schöpferischen Wesen zur rohen Arbeitskraft, die nach Marktgesetzen, die er nicht beeinflussen kann, wiederum selbst wie eine Ware (unter Wert) entlohnt wird.

Unfertige Gedanken ohne abschließende These: Marx bezog sich unter dem Einfluss seiner Zeit auf den Fabrikarbeiter. Was aber, wenn sich heute in scheinbar kreativen Bereichen (Medien, Kultur, Werbung) die Produktionsverhältnisse so unter den Gesetzen des Marktes verschärft haben, dass auch hier die Menschen das Gefühl entwickeln, Texte, Konzepte oder Filme eher „am Fließband“ zu produzieren, in immer engeren Zeiträumen, mit immer kleineren Budgets? Und womöglich gilt das auch für Lehrer, die Tag für Tag, gewissermaßen „am Fließband“ dieselben, komplexen, sozialen Probleme lösen müssen?

Andersherum gefragt: Was müsste gewährleistet sein, damit sich neun von zehn Deutsche nicht mehr von ihrer Arbeit gestresst fühlen? Ich werde mal darüber nachdenken.

ora @ labora

Eben noch Eiseskälte und Stürme. Und plötzlich ist der Frühling da. Und jeder Tag erpicht darauf, das Tempo zu erhöhen und zugleich in Erinnerung zu bleiben.

Versuche hier mal in Kürze das Wichtigste festzuhalten:

Tschick gemacht
Tschick gemacht

Es gab zwischendurch die Konfirmation meines jüngsten Sohnes zu feiern. Ich habe ihm aus diesem Anlass einen langen Brief geschrieben, tatsächlich über mehrere Abende verteilt, über die verschiedenen Religionen, Fundamentalismus und dass man nichts falsch machen kann, wenn man sich von Jesus das Konzept der Liebe und Barmherzigkeit abguckt. Und dass Religion den Geist trainiert, so wie man als Fußballer den linken Fuß trainieren kann, und schloss dann mit dem legendären, aber hier väterlich gemeinten Schlachtruf: You never walk alone – woraufhin mein Sohn nach der heimlichen Lektüre hinter verschlossener Tür, wieder aus seinem Zimmer kam, sich artig bedankte und sagte: Papa, es heißt You´ll never walk alone …

Schön, oder?

Herz

Liebe. Ganz einfach. Meine Freundin hat mir dieses Foto aus Schweden geschickt, vorletztes Wochenende, als das Eis noch dick und der Schnee noch weiß war.

Aber was passiert, wenn man nie Liebe erfährt? Oder das zumindest glaubt?! Dann spinnt man, wenn bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zusammenkommen, womöglich irgendwann Rachepläne. Immer mehr, immer krasser, bis diese so ungeheuerlich groß sind, dass man sie in die Tat umsetzt und – wie unlängst in Münster geschehen – mit einem großen Auto Menschen totfährt.

Ich habe ja in Münster studiert und hätte in dieser Stadt so eine Tat zuletzt verortet. Auf der anderen Seite habe ich ja gerade eine Doku über die Motive von terroristischen bzw. amokaffinen Einzeltätern verfasst. Und auch wenn es für die Opfer keinen Unterschied macht: Es sind, selbst, wenn sich die Erscheinungsweisen dieser Taten zusehends ähneln, dann eben doch nicht immer religiöse Fanatiker, sondern häufig genug einfach Männer, die sich zeitlebens missverstanden und gemobbt gefühlt haben. Und die leben überall.

Interessante Berichterstattung dazu mal wieder in der BILD:

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Eine Terror-Doppelseite, aber irgendwie … merkwürdig: Fiktives Monster links (der Junge aus dem Tatort gestern – war der gut), echtes Monster rechts (Münster). Frage mich, ob das so nebeneinander gut gestaltet ist? Frage mich auch, ob die BILD-Zeitung der Amokgeschichte nicht zuviel Platz einräumt. Schließlich weiß man, dass genau das Nachahmungstäter anspricht, selbst wenn der Täter nicht glorifiziert wird. Eigentlich gibt es sogar die Pressempfehlung, nicht den Tatort zu zeigen. Dieser Empfehlung sind andere Tageszeitungen auch gefolgt …

Apropos Nachahmungstäter – es klingt vielleicht vermessen und egozentrisch, wenn man meint, man hätte irgendwie Einfluss auf alle Geschehnisse in der Welt, aber ich hoffe inständig, der Amoktäter von Münster hat sich NICHT meine Doku zum Vorbild genommen, die vor kurzem lief. Es ist ja erwiesen, das auch so ein Film Auslöser einer Tat sein kann, und dieses ganze `Rache´, `Schuld sind die anderen´ und `Ich hatte nie Sex´ wurde bei mir ja auch nochmal von A-Z durchdekliniert, bis hin zu der schrecklichen „Mode“, einen Lieferwagen zur Mordwaffe umzufunktionieren. Man kann so ein Thema so seriös wie möglich versuchen zu behandeln, Identifikationspotenzial schafft man damit immer.

Merkwürdigerweise hatte ich am Wochenende noch eine weitere, ganz ähnliche Situation, wo ich dachte: Die haben meinen Film gesehen! Lese gerade mit wachsender Begeisterung ein kleines Büchlein, „Die Herzlichkeit der Vernunft“ (wäre auch ein gutes Buch zur Konfirmation gewesen) von Alexander Kluge und Ferdinand von Schirach, in dem diese beiden klugen Männer in einem Kapitel erst über Kleist und dann über „das Böse“ sprechen. Und da merkte ich beim Lesen der „Stoffsammlung“, über die sie sich da kurz austauschen (Unterweger, Fritzl, Gust), dass die offenbar auf den Film zurückgehen, den meine Freundin und ich damals für Spiegel TV gemacht haben, und der dann später in Kooperation mit Kluge als DVD erschien. Alexander Kluge hatte damals eine zweite DVD mit eigenen Werken beigesteuert und von Schirach das Vorwort dazu geschrieben, insofern müssten beide unseren Film eigentlich gut kennen. Ich habe auf jeden Fall größte Hochachtung vor diesen beiden „Geistern“, und der Gedanke, dass die zwei sich punktuell mit Inhalten auseinandergesetzt haben, für die ich (wenn auch mit den üblichen produktionstechnischen Kompromissen) mit verantwortlich war, fühlt sich gut an, auch wenn er aus dem „Bösen“ resultiert.

Ansonsten? Ist es hier im Büro geradezu (nicht: gerade zu) friedlich. Die Chefs alle auf der Messe in Cannes, ich über dem Text der letzten Folge „Abenteuer Moskau“ für den SRF, alles still und leise vor sich hin. Am Wochenende geht es mit Sebastian von den Alphabeten in Klausur. Wir schneiden eine weitere Podcast-Folge, sodass wir damit bald an den Start gehen können. Nächste Woche treffen wir uns dann vom Verlag minimaltrashart mit der Autorin Dagrun Hintze, um mit ihr über die Publikation ihrer Gedichte zu sprechen. Schöne Aussichten sind das. Unten im Atrium beginnt gleich eine Veranstaltung mit Markus Feldenkirchen. Ja, Bücher wie seines wirbeln mehr Staub auf, aber diesbezüglich weiß ich meine Selbstbestimmtheit und das Schaffen im Verborgenen auch zu schätzen.

Und? Blasenpflaster bringen Erleichterung. Hätte ich so nicht für möglich gehalten.