Adrian!

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Bin krankgeschrieben, diesmal allerdings planmäßig. Hab heute eine sehr private Vorsorgeuntersuchung, die einen u. a. daran erinnert, dass man längst nicht mehr so jung ist, wie man sich an guten Tagen noch fühlt. Nur soviel: Man muss vorbereitend über zwei Tage eine Lösung trinken, die schmeckt wie hochkonzentriertes Red Bull, also ziemlich ekelig. Aber da mein Opa väterlicherseits, den ich aus diesem Grund nie kennen gelernt habe, recht früh an Darmkrebs gestorben ist, denken die Experten, es sei sinnvoll.

Mir fällt übrigens jetzt gerade auf, dass Krankgeschrieben! ein erstklassiger Romantitel ist …

Jedenfalls wollte ich heute vormittag eigentlich noch ein bisschen arbeiten, aber da diese vorbereitenden Maßnahmen etwas nerven, habe ich mich spontan aufs Sofa bzw. Lesen verlegt. Habe auf dem Rücken liegend das Bücherregal betrachtet, und da ist mir ein Adrian Mole-Buch ins Auge gefallen, von Sue Townsend, Die schlimmen Jahre – nach 39, hat mir meine Mutter mal geschenkt, lag auf dem Wühltisch im Kaufhaus Stolz in Kappeln (also, das Buch, nicht sie, sie hat das Preisschild nicht abgemacht), und irgendwie musste ich es in die Hand nehmen und in der Mitte aufschlagen. Hab mich natürlich sofort festgelesen.

Meine Mutter hatte mir damals schon den ersten Band geschenkt, als ich 13 oder 14 war (www.anders-blog.de/?p=3548), also im selben Alter wie Adrian. Man kann schon sagen, dass wir zusammen groß geworden sind, und vielleicht liegt es an dem YPS-Fund neulich (www.anders-blog.de/?p=7075) oder daran, dass die eigenen Kinder immer größer werden oder diese Bücher auch einfach klug, lustig und warmherzig sind,  jedenfalls hat mich das Lesen eben sehr berührt. Adrian hat Prostata-Krebs, aber er findet einen Freund und beginnt am Ende, leise optimistisch seinen Garten zu bestellen. Und plötzlich hab ich mich gefragt, welche Bücher aus der Reihe ich nicht kenne, und ob Sue Townsend noch lebt, was sie für ein Mensch ist und woher sie ihre Adrian-Ideen nimmt. Ich hab dann kurz recherchiert und in einem alten SPIEGEL-Artikel gelesen, dass sie schon seit 2014 tot ist – und aus ganz ärmlichen Verhältnissen stammt, als junge Frau alleinerziehend war, mit drei Kindern, früh im Rollstuhl saß und zeitgleich zur Prostata-Erkrankung ihres Romanhelden offenbar ein schweres Nierenleiden durchzustehen hatte (Mehr zu Sue Townsend …). Sie war auch erst 68, als sie starb, also keine Autorin, die mit 80 noch, ewig jung, hoch zu Ross auf Fuchsjagd ging – ja, so stellt sich mein kleiner Geist reiche, englische Menschen vor.

Ihre Adrian Mole-Reihe ist und bleibt ein Geschenk, für den Leser, aber auch für sie: eine Figur in einem Milieu zu schaffen, das einem erlaubt, über Jahrzehnte ungestraft seine Meinung zu aktuellen, politischen Geschehnissen kundzutun, ohne dass es den mahnenden Zeigefinger braucht – genial!

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Apropos geniale Bücher: So gerade eben noch konnten wir am Montagabend mit unserer Autorin Ina Bruchlos bei Cohen&Dobernigg vor ausverkauftem Haus die Premiere ihres neuen Buches feiern: Suche Stehplatz Nord! Wir freuen uns über Euer Interesse:  Hier geht’s zum Buch …

Originalverpackt

Am Samstag gehen meine Frau und ich gerne auf den Markt. Dort gibt es einen Stand mit gebrauchten Büchern – und Comics. Es war ein Highlight für meinen jüngsten Sohn, als er noch klein war und Lustige Taschenbücher gelesen hat, da samstags nach dem Einkauf auf dem Rückweg vorbeizugehen und vielleicht noch etwas abzustauben.

Diese Zeiten sind lange vorbei, aber trotzdem muss ich immer daran denken, wenn wir an diesem Stand vorbeigehen. Was soll ich sagen? An diesem Wochenende bin ich schwach geworden. Vielleicht liegt es an Corona, an dieser ständigen Nachdenklichkeit, den zunehmenden Hiobsbotschaften, den düsteren Aussichten, was „Normalität“ in nächster Zukunft betrifft. Also, ja, vielleicht neigt man dann noch eher zu der Illusion, dass früher alles besser war, dass man wieder Kind sein möchte (was ich nicht möchte), aber ich konnte nicht daran vorbeigehen. Obwohl ich es, objektiv betrachtet, wirklich nicht brauche …

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Yps Nummer 358: das Fingerabdruck-Set. Originalverpackt und mit Gimmick! Das ist tatsächlich sehr selten. Und ich musste es nochmal kaufen, weil ich es als Kind schon mal hatte, die ganze Agentenserie: das Schießbuch, das Blasrohr, das Pulver, den Tresor und die Brieftasche. Und weil mir plötzlich wieder soviel Drumherum eingefallen ist, obwohl ich erst 8 war, damals in dem Sommer 1982. Das Blasrohr, zum Beispiel, war cool, und man konnte durch regelmäßiges Training seine Technik verbessern, allerdings hat genervt, dass die Styropor-Munition sofort weg war. Und dann hat man versucht, selber Munition zu basteln, was natürlich nicht dasselbe war. Ich glaube sogar, dass mein Vater mit mir Experimente mit abgedichteten Fischer-Dübeln gemacht hat – erfolglos.

Wir sind in dem Sommer umgezogen, aus dem Sauerland ins Münsterland. Oder, wie ich es nennen würde, von der Traufe in den Regen. Wir sind da immer noch viel hin und her gefahren, dieser Umzug hat gefühlt ewig gedauert, weil mein Vater das neue Haus erst komplett umbauen musste. Aber unsere Eltern haben versucht, uns das alles so leicht wie möglich zu machen, und irgendwie war es auch eine wilde, schöne Zeit.

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Den Agenten-Tresor, der eine Woche später kam, hab ich bekommen, als ich bei meiner Tante und meinem Onkel zu Besuch war. Keine Ahnung, ob noch Sommerferien waren, auf jeden Fall sind wir an demselben Tag auf der Rückfahrt zu meinen Eltern ganz spontan ins Weserstadion gegangen, weil Bayern gegen Bremen spielte. Und mein Cousin hat die ersten Tresor-Teile schon im Auto verloren, weil wir mit der Montage nicht warten konnten, bis wir wieder zuhause waren.

Bei dem Fußballspiel war es so, dass es, glaube ich, das erste Spiel für Völler bei Bremen war, und ich wusste, der würde einschlagen wie eine Granate, weil ich ein paar Wochen vorher in der Sportschau gesehen hatte, wie er dreimal in einem Spiel traf (damals noch für seinen Ex-Club 1860 München). Und bei Bayern stand zum ersten Mal Jean-Marie Pfaff im Tor, der sich dann auch gleich in seinem ersten Spiel das ätzendste Tor fing, das man als Keeper kriegen kann: das – bis heute – ziemlich legendäre Einwurftor von Uwe Reinders. Bitte schön!

Tja, all das ist mir am Samstag so durch den Kopf gegangen. Und eigentlich würde ich das Heft gerne auspacken und gucken, was das Unboxing in mir auslöst. Auf der anderen Seite verliert es dann massiv an Wert, vielleicht auch für mich. Vielleicht sollte man Erinnerungen in der Verpackung lassen, um die Illusion zu bewahren.

Bleibt gesund! Vor allem im Kopf …

Ina B(r)uch, Los!

Viel Output im Moment! Die Reisereportagen im ZDF im August, im September die Dokumentation bei ARTE über das Böse. Auf die bin ich jetzt schon zwei Mal angesprochen worden. Sogar unsere alte Nachbarin von unten hat sie geguckt (zufällig) und mich darauf angesprochen. Sie fand sie gut. Dieses Lob bedeutet mir mehr, als ich vermutet hätte.

Und es geht munter weiter: In diesen Tagen veröffentlicht der kleine Verlag, den ich in meiner Freizeit mit betreibe, ein neues Buch von Ina Bruchlos. Es sind Geschichten über den FC St. Pauli, bzw. über Inas Fan-Sein: clever, lustig, ein bisschen nerdig, also Fußballkultur im besten Sinne.

Das für mich Spannende an Ina ist ja, dass sie wie ich (aber natürlich auch wie viele andere Fußballbegeisterte) spielend die Perspektive wechseln kann: also, das Spiel Fußball (auch) als KünstlerIn zu betrachten und die Kunst (auch) als FußballerIn. Das ist dann so, als könnte man mit rechts und mit links schießen, Ihr wisst schon. Nur über Fußball zu reden, wird auf Dauer genauso langweilig, wie nur über Kunst zu reden. Der kompetente, wilde Mix – das ist doch das Reizvolle! In der Kunsthalle vor einer Leinwand zu stehen und die Selbstporträts eines jungen Malers ins Verhältnis zu setzen mit den Instagram-Accounts der neuen Profi-Generation … egal, ich hatte bei der Produktion viel Spaß.

Guckt doch mal hier. Leseproben stellen wir noch rein. Kann man aber auch einfach mal so „no-look“-mäßig vorbestellen …

https://www.minimaltrashart.de

Das wirklich Tolle an diesen Nebenbeschäftigungen ist ja, dass man mit tollen Menschen zusammenkommt. Dass man Menschen besser kennenlernt. Dass sich andere Menschen darüber freuen, dass man sich für sie und ihre Arbeit einsetzt. Dass man Zeit investiert, ohne es so zu empfinden. Habe in diesem Falle auch wieder einen kleinen Trailer gemacht, also in Wahrheit mehrere, aber hier kommt der erste:

Kuh-Tipps

Der amerikanische Präsident hatte das Virus. Sagt er zumindest. Die Frau meines Hausarztes sagte sofort, das sei eine weitere Lüge. Um zu zeigen, dass er alles besiegen kann und um Corona zu verharmlosen. Michael Moore sagte das dann auch. Ob er die Frau meines Hausarztes kennt?

Ich habe pünktlich zum Urlaub leider massive Rückenbeschwerden bekommen. Anfang der Woche schon, bin natürlich sofort zum Arzt. Nervkram (auch wenn es nicht lebensbedrohlich ist). Nehme seit Tagen Schmerzmittel und gehe viel spazieren, weil Sitzen und Liegen den Zustand verschlimmern. Gehe meistens ganz langsam dieselbe kleine Runde durch unser Naturschutzgebiet vor der Haustür, meistens gegen Abend, weil dann da nicht mehr so viel los ist. Jedenfalls hatte ich dabei tatsächlich einen Moment für die Ewigkeit.

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Der Clou an diesem Naturschutzgebiet ist, dass man immer mal wieder durch offenes Weideland geht. Da grast so eine seltene Rinderart, und meistens sind die auch ganz weit weg, aber vor drei Tagen kam die Rinderherde auf ihrer Wanderung abends direkt an mir vorbei, blieb stehen, interessierte sich sogar auch ein bisschen für mich und genoss hier im letzten Licht der untergehenden Sonne das frische, grüne Gras. Das war ein so wahrhaftiger, ursprünglicher Moment, beinahe mystisch. Auch wenn es wie ein Klischee klingt, in diesen Momenten ahne ich mehr über das große Ganze zu verstehen als den Rest der Zeit über …

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Gibt es eigentlich etwas Traurigeres als Blumensträuße an Tankstellen bei Einbruch der Dunkelheit?

Einbruch
der Dunkelheit
in meine Komfortzone
haltet die Die-
bin
ich es vielleicht selbst?