Erfrischend anders

Mein Onkel war vom alten Schlag. Norddeutsch durch und durch. Sein Herz schlug schneller, für alles, was einen Motor hatte. Oder Räder. Oder am besten beides.
Als ich mir während des Studiums, Mitte der 90er, einen Renault Kastenwagen kaufte (für den Transport meines Schlagzeugs), war ich fortan mit den meisten Reparaturen aller meiner noch folgenden Autos (bis zuletzt, mit meinem alten Elch) in seiner Guerilla-Werkstatt – einer Doppelgarage, ohne Hebebühne und ohne Grube, dafür mit einem großen Wagenheber, dem die Last mit zunehmendem Alter immer weniger zuzutrauen war. Dasselbe galt irgendwann auch ein klitzekleines Bisschen für meinen Onkel, aber richtig schiefgegangen ist nie was. Und Kosten gespart hab ich dadurch, was gut war. Ein kaputtes Auto war für mich immer sofort eine kleine Katastrophe. Und mein Onkel sehr oft der rettende Engel.

Mein Onkel war, wie gesagt, vom alten Schlag. Dazu gehört auch, dass er relativ viel rauchte. Und „Flens“ war sein Ding. Ärzte („Quacksalber“) und Vorsorge waren hingegen nicht so sein Ding. Als es am Ende dann nicht mehr anders ging, ist er doch zum Menschen-TÜV, aber die Mängel waren leider schon zu groß, um ihn nochmal flott zu machen. Kolbenfresser. „Wenn der Motor auf ist, ist er auf“, soll er zu den Schwestern gesagt haben. Es ging so schnell, und von uns wollte er keinen mehr sehen. Als ich noch überlegte, ob es richtig oder falsch wäre, sich über seinen Wunsch hinwegzusetzen und einfach hinzufahren, ist er gestorben. Meine Mutter schickte uns allen eine Sprachnachricht, um die traurige Botschaft zu überbringen. Ich saß gerade im Auto, hatte meine Frau soeben am Flughafen abgesetzt – und im Radio lief „Hymn“ von Barclay James Harvest. Das war sehr traurig.

Meine ganze Familie ist doch eher norddeutsch. Also, zumindest das Gegenteil von südeuropäisch (oder das, was wir klischeehaft als südeuropäisch vor Augen haben). Will sagen, wir sehen uns nicht oft, als Ganzes. Leider, eigentlich, und in den ersten Jahren meiner Kindheit und Jugend war das auch anders. Die regelmäßigen, großen Treffen hörten auf, als meine Oma starb, die Mutter meines Onkels. Aber natürlich liegt es in erster Linie an mir. Die genauen Gründe dafür kenne ich wahrscheinlich nicht mal selbst.

Die einzigen Anlässe, auf denen man sich jetzt noch sieht und feststellt, wer alles noch da ist, sind Beerdigungen. Die meiner Oma habe ich verpasst, weil ich zeitgleich auf einem Dreh in New York war. Als sich meine Familie ums Grab versammelte, stand ich neben mir, auf dem Broadway. Damals habe ich mir geschworen, dass mir das nie wieder passiert. Aber ausgerechnet bei dem Onkel, mit dem mich am meisten verband, passiert es wohl wieder. Wenn die Beerdigung stattfindet, werde ich gerade in Mexico City gelandet sein, am Anfang einer langen, wichtigen Drehreise. Aber was ist schon wichtig?

Leider sehe ich aktuell keine Möglichkeit, das noch irgendwie zu ändern. Das macht mich auch traurig. In der vertrauten Gemeinschaft Abschied zu nehmen, ist wichtig. War es immer schon. Es schützt uns vor Traumata. Der Konstruktivist in mir versucht mir natürlich einzureden, dass mein Onkel so lange lebt, wie ihn mein Kopf denken kann, aber ich ahne, dass das nicht so ganz stimmt …

Mein Onkel hat mir einiges bei- und nähergebracht: Werner, zum Beispiel, den kleinen „Krad-Anarchisten“ aus Flensburg. Mein Onkel war der Erste, der die Comics zuhause hatte und sie mir, der noch ein Kind war, nach den Ferien auslieh. Obwohl ich nicht alle Witze verstand, hab ich die Dinger auswendig gelernt, wurde in der Schule dafür auch ziemlich geschätzt (zumindest von den Jungs), und ich konnte Werner auch selber ganz passabel zeichnen. Kein weißes Blatt war vor mir sicher.

Ein unbeschriebenes Blatt war mein Onkel sicher nicht. Eher so eine Mischung aus Hermann Löns, MERIAN, Lederstrumpf, Tageskarte und einem alten D&W-Katalog aus den 80ern. Er war bekannt. Die Verkäufer bei Matthies nannten ihn beim Vornamen, wahrscheinlich hatte er eine einstellige Kundennummer. In seinem Lieblingsimbiss, in dem er jahrelang zu Mittag aß, besaß er einen Stammplatz, da lag auch seine Lesebrille. Neben den Zeitungen. Die Brille lag da, weil er sie da immer liegenließ. Er kam ja wieder.

Als er das „Richtfest“ seiner Doppel-Garagen-Werkstatt feierte, war ich das erste Mal richtig betrunken – in Anwesenheit meines Vaters, der auch richtig betrunken war. Man kann sagen, diese Party war mein Initiationsritus. Ohne krasse Drogen, oder dass Blut floss, einfach nur Bier.

Werners Bier, „Flensburger“, war auch das Bier meines Onkels. „Erfrischend anders“, so lautete mal ein Werbe-Slogan des Unternehmens. Der Slogan prangte als großer Aufkleber auf der Kühlerhaube seines Opels (ein Kadett C Coupé), eine Anspielung auf unseren Nachnamen. Was ein bisschen lustig war. Und so werde ich ihn auch in Erinnerung behalten: Oft „erfrischend“, aber immer „anders“.

Mein Onkel. Mit ihm geht ein Original, mit allen Ecken und Kanten. Ein Original, das eben auch so oder so ähnlich nicht zu ersetzen ist. Vielleicht ist das niemand, aber er erst recht nicht. Und das werden alle so sehen, die ihn kannten.

Kreislaufen

Es kann natürlich sein, dass irgendeine KI meinen Blog liest und YouTube mir daraufhin bestimmte Formate vorschlägt. Allerdings dann auch wieder nicht, weil da einem ja mittlerweile so viel Schwurbelkram angezeigt wird, dass einem ganz anders wird.

Wie dem auch sei, ich wurde auf eine ARTE Doku aufmerksam gemacht, die ich hier mal teile (s.u.), weil ich sie inhaltlich und formal für sehr gelungen halte. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob die Herstellung des Filmes genauso nachhaltig, im Einklang mit der Natur und ohne Müll war, wie es der Vision der ProtagonistInnen entspricht, aber das Thema Green Production ist ein anderes Thema, und für manche Filme muss man eben sehr weit und viel reisen, das kenne ich ja auch.

Der Film läuft übrigens auch noch in der ARTE Mediathek, wem das lieber ist: https://www.arte.tv/de/videos/100811-000-A/kreislauf-des-lebens

Jedenfalls fand ich es sehr inspirierend, diesen klugen Köpfen zuzuhören und zu sehen, was sie so bewegen. Woher sie ihr Wissen und ihre Erfahrung beziehen. Wie sie an ihre Vision glauben. Und wie diese Visionen auf die klugen Gedanken und Theorien eines Mannes zurückgehen, der zur Zeit der Dreharbeiten offenbar noch lebte, aber ein Jahr später starb: James Lovelock. Als habe er diesen Film noch abwarten wollen. Großartig. Aber auch ein bisschen spooky.

Ich hatte ja letztes Mal geschrieben, wie sehr es mich nervt, Dinge (vorschnell) zu entsorgen und neu zu kaufen. Und natürlich geht es in dieser Doku auch viel über unser ungesundes Konsumverhalten, aber auch die ungesunde Gier der Wirtschaft, die das gesunde Maß aus den Augen verloren hat. Und so passte die Rezeption dieser Doku, was ja auch aus beruflicher Sicht immer lehrreich ist, total gut zu meinem arbeitsreichen Wochenende – mit Happy End: Der alte Elch hat eine neue Kupplung. Um es kurz zu machen: Es war nicht mein Verdienst. Ich habe zwar geholfen, aber der Freund meiner Schwester hat es gewuppt, mit ganz viel Sachverstand.


Um ehrlich zu sein, habe ich mich zwischendurch gefragt, wie er da den Überblick behält, und wie das alles wieder zusammengehört, aber es hat funktioniert – und am Sonntagmittag bin ich leichten Herzens und leicht schaltend und kuppelnd vom Hof gerollt.

Jetzt kriegen wir die 300.000 noch voll

Ja, es ist immer noch ein altes Auto und die Abgaswerte sind vielleicht nicht die besten – aber der Elch rollt, und wir haben keinen weiteren Schrotthaufen produziert. Wobei aus diesem Auto vermutlich noch vergleichsweise viel zurück in die Kreislaufwirtschaft gehen könnte …

Life ist live

Das hier ist das vielleicht beste Konzert-Foto, das ich je gemacht habe. Kein Effekt, kein Filter, „einfach“ geschossen, mit meinem neuen Diensthandy. Das alte musste ich abgeben, weil es laut unserer IT ein Sicherheitsrisiko darstellte. Es war ein 8er IPhone, und ich bin einigermaßen stolz, dass es so lange durchgehalten hat. Allerdings wurde es zuletzt auch heiß beim Laden, insofern ist das schon alles richtig. Auch wenn ich insgeheim dachte: Es funktioniert doch noch …

Ich weiß nicht, warum ich immer so viel Wert darauf lege, Dinge möglichst lange zu nutzen. Ich bringe Hosen zum Schneider, meine Fußballschuhe zum Schuster – und bei meinem alten Volvo versuchen mein Schwager und ich dieses Wochenende, neben Antriebsmanschette und Verteiler auch noch die Kupplung zu reparieren.

Ich glaube, ich mag es, Dinge zu reparieren, weil mein Vater immer Dinge repariert und mir damit vor Augen geführt hat, dass das nicht nur im ökologischen Sinne nachhaltig ist, sondern auch faktisch Geld spart.

Egal. Zurück zu dem Foto: Es zeigt die Sängerin Deborah Anne Dyer, genannt „Skin“. Die Dame ist laut Wikipedia Jahrgang 1967, also ungefähr so alt wie einige meiner (älteren) Mitspieler der 1. Senioren von SV Grossborstel. Und da muss ich jetzt nach dem Konzert sagen, wenn die so fit wären wie die Frontfrau von Skunk Anansie, würden wir bestimmt noch Verbandsliga spielen. Das war eine krasse Energie da auf der Bühne der Alsterdorfer Sporthalle. Und der Tourplan ist wirklich richtig dicht, bis zum Sommer. Ich bewundere Menschen dafür, sich jeden Abend wieder aufs Neue zu motivieren und ihre Kunst/ihr Programm so zu präsentieren, dass das Publikum das Gefühl bekommt, die Band sei nur heute und nur für sie da – kein Gestern, kein Morgen. Das kann aber auch nicht jede(r) KünstlerIn.

An diesem Abend hat es funktioniert – und im Publikum nur nette Menschen, so mein Gefühl, auch das war besonders, wie eine Art safe space, bespielt mit sehr lauter Rockmusik. Und Secretly ist und bleibt einer der besten Songs ever

Automagisches Wunder

Ihr Lieben,
gestern ist ein wahres Wunder geschehen, ich muss das in Ruhe erzählen:

Also, ich habe bei einem bekannten Autozubehör-Laden in Hammerbrook, zu dem ich gerne gehe, weil es eine coole Gegend ist und da nette, kompetente Menschen arbeiten, ein paar Teile für meinen Volvo bestellt – und gestern Abend kurz vor Ladenschluss abgeholt. Bei der Gelegenheit habe ich noch einen Liter Motoröl gekauft, weil ich ahnte, dass der alte Elch Durst hat. Nach dem Einkauf Ölstand gemessen und, richtig, gleich vor Ort auf dem Parkplatz nachgeschüttet .

Jedenfalls ging da ein Tropfen daneben und kleckerte auf ein kleines gelbes Kabel. Damit da nix qualmt oder auf den Boden tropft, habe ich das Kabel sogleich mit Küchenpapier abgewischt. Dabei löste sich dieses kleine, gelbe Kabel von irgendeinem Stecker, auf den es offenbar gesteckt war. Baumelte da plötzlich hilflos und sinnlos herum. Ich konnte das Malheur wegen einer großen Plastikabdeckung, die über dem Gerät saß, aber auch nicht richtig erkennen. Diese Abdeckung war mit einer Schraube fixiert, ich hatte aber keinen Schraubenzieher dabei. Und ich war mir auch nicht ganz sicher, weil sich dieses kleine gelbe Kabel so leicht gelöst hatte, dass es auch möglich schien, dass es bereits vorher irgendwann mal abgeklemmt worden war.

Nun dachte ich, wird schon nicht so schlimm sein, schau ich mir zuhause in Ruhe an, fahre da also die Rampe runter (die wird später noch wichtig) und bin keine drei Minuten auf der Straße, da höre ich schon, wie unrund der Motor läuft – und Pling! – geht auch die Motorkontrollleuchte an.

Ich natürlich sofort von leichter Panik ergriffen, denke so, Mist, du musst sofort zurück, vielleicht ist da ja noch jemand. Leider konnte ich nicht wenden (Hammerbrook – eine einzige Baustelle und Feierabendverkehr), sondern musste nochmal um den ganzen Pudding fahren … oder stottern … und die Warnleuchte glüht … naja, … mit Ach und Krach zurück zu dem Laden, im ersten Gang die Rampe wieder hoch, der Motor jammert mir die Ohren voll, ich das Auto wieder abgestellt und sehe schon: alles dunkel. Nur drüben bei den Werkstatt-Geräten brennt noch Licht, da ist auch irgendwas los. Ich also rüber, erwartet mich eine Frau: „Wollen Sie auch zur Schulung?“ Ich so: „Nee, ich hab ein Problem, ich bräuchte einen Kollegen mit einem Schraubenzieher …“ Und sie so: „Oh, da kann ich Ihnen auch nicht helfen.“ Mein Eindruck: Wollte sie irgendwie auch nicht so richtig, aber gut, ich mach ihr keinen Vorwurf, war auch zuviel verlangt. Aber während sie mir erzählt, dass sie mir nicht helfen kann, sehe ich zwei Typen und denke: Die kenne ich doch. Und die beiden gucken mich an und sagen: „Hallo, was machst Du denn hier? Auch zur Schulung?“ Da sind das doch tatsächlich der Chef und der KFZ-Meister meiner Haus- und Hofwerkstatt Peters & Peters aus Jenfeld (soviel Werbung muss hier mal sein). Und aus mir platzt es heraus: „Mir ist was total Dummes passiert …“ und fang so an zu erzählen, und die Frau guckt schon so auf die Uhr, weil die Schulung losgeht, aber der Meister (ich weiß jetzt auch, wie er heißt, den Namen werde ich nicht mehr vergessen) hat schon einen Schraubenzieher in der Hand (ehrlich, das war magisch) und sagt zu mir: „Lass mal gucken.“ Und zu seinem Chef und der Frau: „Ich find Euch schon!“ Und geht mit mir rüber, schraubt die Abdeckung ab, steckt das Kabel wieder drauf und sagt: „Starte mal!“ Ich drehe den Schlüssel, wuppwupp, nix passiert. Er: „Klar, der Lüfter ist ja auch die ganze Zeit gelaufen. Du brauchst Starthilfe.“ Ich: „Du willst mich jetzt nicht die Rampe runterschieben, oder?“ Er: „Doch. Weißt Du, wie das geht?“ Ich: „Im Prinzip schon, aber was, wenn ich es verkacke? Willst Du ans Steuer?“ Er: „Okay!“ Wir zu zweit das Auto (ist ja auch nicht sooo leicht) zurück zur Rampe geschoben, er sich reingesetzt, ich ihn auf die Rampe geschoben (abwärts), er losgerollt und …. Motor springt an. Handbremse! Wir mitten auf der Rampe Fahrerwechsel. Motorkontrollleuchte leuchtet immer noch. Ich: „Nachher mal kurz von der Batterie nehmen und gucken, ob der Fehler noch eingespeichert ist?“ Er (lachend): „Ja. Musst jetzt aber natürlich erstmal ein Stück fahren.“ Ich: „Klar.“
Eingestiegen. Weggefahren. Zuhause das Auto mal kurz von der Batterie genommen. Wieder angemacht. Warnleuchte war aus! Totale Erleichterung ;-)

Ich heute morgen vor der Arbeit eine Kiste Bier und eine Tafel „Merci“ (na, klar) bei der Werkstatt vorbeigebracht. Alle haben sich gefreut. Solche Erlebnisse sind wirklich unbezahlbar. Automagisch.

B-rieseln

Einmal richtig raus und schon wieder zurück. Eine Woche Österreich mit Frau und (immerhin) zwei von drei Kindern, die längst keine Kinder mehr sind.

Vorab: Skiurlaub ist wirklich krass teuer, aber wir haben uns angewöhnt, angesichts der immer „ver-rückteren“ (eigentlich ein sehr deepes Attribut, wenn man es genau betrachtet) Welt verstärkt nach dem Motto: „Das letzte Hemd hat keine Taschen!“ zu leben. Und so haben wir es genossen, uns berieseln zu lassen, vom Schnee, statt von schlechten Nachrichten, die natürlich trotzdem zu einem durchdringen. Interessant jedoch, wie man sie gleich anders kommentiert, wenn die Kinder dabei sind. Kinder, die sich auch Gedanken machen, um ihre Zukunft, in diesem Land, in dieser Welt. Wie man versucht, Hoffnung und Trost zu spenden und dabei trotzdem glaubhaft zu bleiben und selbst nach kleinen Aspekten zu suchen, die einen etwas optimistischer stimmen.

Buchidee – lustige Klos in Fußballkabinen

Hier in Hamburg war ja am Sonntag Wahl, und es hatte sich in den letzten Wochen bereits abgezeichnet, dass der Widerstand gegen rechts und mittelrechts hier sehr groß ist. Und mir ist auf dem Weg zum Fußball am Sonntag auch aufgefallen, dass viele AfD-Plakate übermalt oder abgerissen waren. Das ist natürlich, streng genommen, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit, aber irgendwie hat es mich dennoch erleichtert, und auf gewisse Art bewundere ich sogar die Menschen, die sich im Hier und Jetzt über die möglichen negativen Folgen einer solchen Aktion hinwegsetzen, weil sie nachhaltig und in die Zukunft denken. Ja, weil sie mutiger sind als ich.

Keine 10% hat die AfD hier bekommen. Zurück nach Hamburg zu kommen, also „nach Hause“, ist für uns demnach aus verschiedenen Gründen immer schön.

Die Katzen freuen sich immer so süß, wenn wir sie nach dem Urlaub bei Oma abholen. Und huschen immer ganz schnell in die Körbe – in beide Richtungen, weil sie es auch immer schön finden, ein paar Tage zu Oma zu gehen. Sagen wir auch immer, wenn wir die Körbe hinstellen: „Los, ihr macht wieder Urlaub bei Oma.“ Und es dauert keine zehn Sekunden, dann sind sie drin, vor allem der Braune, der Schwarze zögerte jetzt kurz, weil er in letzter Zeit ein paar Mal in seinem Korb zum Tierarzt kutschiert wurde. Lerneffekt.

Habe gestern mit einem KI-Programm experimentiert, das Musik generiert. Kam darauf, weil wir einen Testzugang haben, und ich gerade „Der Sohn des Friseurs“ von Gerbrand Bakker lese. Und da stand im Einband, das Umschlagmotiv sei mit Hilfe von midjourney produziert, ebenfalls einem KI-Programm für Bildgestaltung, was ich dann ganz aufgeregt meinem alten Autorenfreund, Illustrator und KI-Experten Sebastian Stuertz erzählte, der wiederum meinte, das würden schon ganz viele Verlage so machen. Naja, manche Dinge sind eben nicht aufzuhalten. Walter Benjamin kann ein Lied davon singen. Also, tatsächlich, weil die KI auch seine Stimme klonen könnte. Egal.

Das Bakker-Buch hat mir übrigens meine Tante nachträglich zum Geburtstag geschickt, weil ihr Bakkers Debut „Oben ist es still“ so gut gefiel, das Buch, das mir – wie ich hier schrieb – Ina Bruchlos geschenkt hat, da es sie wiederum an mein „Eben noch Eden“ erinnerte (vgl. https://www.anders-blog.de/?p=7731). Kreisläufe.

Am 12. Juni trete ich übrigens damit nochmal auf, eine musikalische Lesung: „Eben noch Eden“ meets Lindenberg-Songs. Weitere Infos folgen – natürlich ohne künstliche Intelligenz.

?!?

FragezeichenRufzeichenFragezeichen

Grippe geht um. Alle sind krank. Bin kurz davor, wieder mit Maske bei der Arbeit rumzulaufen. Andererseits halte ich mich wacker, liegt vielleicht am Fußball. Schlecht für die Gelenke, schlecht für die Knochen (hab meine dritte Rippenprellung in dieser Saison), aber sehr gut für die mentale Gesundheit und das Immunsystem.

Dafür liegt die Kunst flach. Keine Zeit für networking, keine Zeit fürs Booking – und das Schreiben beschränkt sich gerade auf Reportage-Off-Texte fürs Privatfernsehen. „Job“ eben. Andererseits gibt einem dieser Arbeitsrhythmus ja auch Struktur und Sicherheit in unsicheren Zeiten. Nette KollegInnen, warme Büroräume, deftiges Kantinenessen, alles ok.

Schöne Aussichten
Kontrollieren die jetzt meine Arbeit? 😅

Wobei ich – DAS zeigt mein aktuelles Filmprojekt gerade auch – das schon beeindruckend finde, wenn Leute ihren Beruf mit sooooo viel Leidenschaft ausüben, dass es sich für sie manchmal nicht wie Arbeit anfühlt. Bin z.B. sehr angetan von den KollegInnen der Tierklinik Rostock, die ich gerade sichte. Klar, agieren Menschen vor der Kamera immer anders, also unnatürlich, aber auch immer nur bis zu einem gewissen Grad. Man kann sich nicht komplett verstellen, ohne dass es seltsam wirkt. Und so niedlich wie die mit ihren tierischen Patienten umgehen, das ist einfach sehr, sehr sweet – und macht mir gute Laune.

Ansonsten? Waren meine Frau und ich mit dem Ältesten und seiner Freundin (die ein großer Musical-Fan ist) beim Michael Jackson Musical. Das war klasse. Tolle Story, tolle Performance. Aber natürlich auch komisch, wegen der ganzen Michael-und-die-Kinder-Diskussion, die ja – trotz Freispruchs – bis heute rätselhaft geblieben ist … naja. Oder überlagert die Leistung als Künstler diesen Aspekt nun endgültig?

Es ist (und bleibt) komplex. Und die Sorge um die allgemeine Lage wird natürlich auch nicht weniger. Freue mich über jedes beschmierte Wahlplakat der AfD und denke, warum darf es die geben, wo hat wer gepennt, und was bin ich bereit zu tun, wenn es hart auf hart kommt?!? Also, ganz allgemein gefragt: Wann ist (politischer) Widerstand irgendwann Notwehr?!? So, wie Geschichtsbücher heute ja eher positiv über Leute wie von Stauffenberg sprechen?!? Doch dass eine solche Tatabsicht richtig und ehrenvoll war, wird ja immer erst posthum anerkannt, wenn deutlich geworden ist, das es gut gewesen wäre, wenn z.B. so ein Attentat geklappt hätte und bestimmte Dinge NICHT passiert wären. Klingt kompliziert, macht aber Sinn. Macht es aber auch nicht leichter.

Gegenmittel gesucht

MerzversagenMerzschmerzMerzinfarktMerzrevolutionMerzspezialdragees

Ich habe wieder schlechte Haut. Ich habe wieder brüchige Fingernägel. Ich habe wieder schlechte Laune. Ich habe wieder schlechte Nächte. Und denke: Wie kann das alles sein?

Meine Frau und ich waren am Wochenende auf der Demo gegen Rechts in Hamburg. Es war beeindruckend. Beeindruckend voll. Gut zu wissen, dass man nicht alleine dasteht. Dass man die Sorgen und Ängste nicht alleine hegt, sondern teilen kann. Selbst, wenn es nur die Masse ist. Nein, weil es die Masse ist. Die coolere Hälfte der Masse.

Ich kann nicht verstehen, wie 350 Jahre nach Beginn der Aufklärung der Status Quo so sein kann, wie er sich gerade darstellt. Dass große, demokratische Parteien, die wahrlich Zeit hatten zu üben, hierzulande unfähig sind, eine Gemeinschaft in Frieden, soziale Sicherheit und allgemeinen Wohlstand zu führen. Dass das, global betrachtet, schwierig ist, leuchtet mir ein, und das ist schlimm genug. Aber dass wir hier in Deutschland mit unserer Geschichte gerade wieder Sorge haben müssen, dass es eine Partei, die vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ beobachtet werden darf, mit den Mitteln der Demokratie – weil sie ideologisch und populistisch argumentiert und dabei auf Menschen trifft, die sich seit Jahren und Jahrzehnten abgehängt und missverstanden fühlen – möglicherweise schafft, wieder mittelfristig Teil einer Bundesregierung werden, das ist schwer zu verstehen.

Und auch wieder nicht.

Dass nicht immer diejenigen am Ende in bestimmten Jobs landen, die für diese auch am besten geeignet sind, ist kein politikspezifisches Problem. Das haben wir auch an Schulen, in Kitas, in großen Unternehmen, in Medienhäusern – überall, wo sich Psychopathen und Narzissten über andere Menschen hinwegsetzen können. Aber in der Spitzenpolitik haben solche Fehlbesetzungen eben mitunter dramatische, weitreichende Auswirkungen. Für ein ganzes Land. Einen Kontinent. Die Welt.

Es gibt nur wenige Berufsgruppen, in denen man Karriere machen kann, ohne in diesem Bereich besonders ausgebildet worden zu sein: Immobilienmakler, Journalisten und Politiker gehören z.B. dazu. Ich will damit gar nicht behaupten, dass es nicht viele PolitikerInnen gibt, die aus besten Motiven politisch aktiv werden. Aber das sind leider nicht immer die, die am Ende auch gestalten. Und das Sagen haben. Weil Mann/Frau auf bestimmte Weise gestrickt sein muss, um in eine wirkliche Machtposition zu gelangen – und dort auch zu bleiben.

Wir sind mehr, hieß es Samstag auf der Demo. Aber sind wir das wirklich? Und denken all die, die nicht da waren, es ist kein Problem? Oder zumindest nicht IHR Problem? Und lassen sich die anderen, gegen die sich die Demo richtet, durch unser Auftreten beeindrucken? Ein Merz? Eine AfD? Oder sind wir für den einen bloß Teil seines politisches Kalküls? Und für die anderen Hippies und linke Zecken, die keine Gefahr darstellen?

Vielleicht ist es das, was mich nach dem Jahrhunderte langen (mitunter sehr klugen und hoffnungsvollen) Diskurs über politische Wirklichkeiten so ohnmächtig zurücklässt: Dass ich mich heute als Wähler in Deutschland frage, was wohl das kleinste Übel ist.

Pro Du Zen T

Ich lese gerade ein Buch, das mir der Jüngste zum Geburtstag geschenkt hat: Rick Rubin – Genie im Studio, ein Buch, das ich aus mehreren Gründen gerne lese. Zum einen finde ich es interessant, dass man ein Sachbuch schreiben und mit Zitaten und Anekdoten füllen kann, die man sich aus anderen Interviews zusammengesucht hat. Ernsthaft, das ist für mich als TV-Redakteur (irgendwie) eine neue Erkenntnis, dass man für so ein inhaltsreiches Projekt im Prinzip offenbar kein einziges Primär-Interview selbst geführt haben muss. Alles Text-Recherche. Zweitens – und das ist der Hauptgrund – macht es großen Spaß, die Songs und Platten, um deren Entstehungsgeschichte es geht, nach jedem Kapitel mal eben im Bett oder auf der Couch nachzuhören, was mit den Streaming-Diensten heutzutage natürlich supereinfach ist.

Da sind mir manche Platten (z.B. One Hot Minute von den Red Hot Chili Peppers oder auch das gesamte Spätwerk von Johnny Cash) in den letzten Tagen nochmal ganz neu zu Ohren gekommen. Und drittens – und das ist lustig, weil ich gerade von Cash sprach – denke ich, bei aller Bescheidenheit, dass ich auch ein guter Produzent wäre. Ich meine, diese Fähigkeiten, Geschmacksentscheidungen zu treffen, mit denen man leben kann und die vielleicht dennoch den Nerv des Publikums treffen, oder das Große und Ganze im Blick zu behalten, (auch schwierige) Protagonisten zu führen usw., das kenne ich ja auch aus meinem Job,

Und da fiel mir (mal wieder) die kleine Session im alten Chilehaus ein, wo Gunter Gabriel, der „deutsche Johnny Cash“, damals in der SPIEGEL TV-Tonkabine für den NDR-3-Teiler „Der Hafencowboy“ unter den Reglern unseres Tonmeisters Thorsten und meiner musikalischen Anleitung die Titelmelodie einspielte, die ich komponiert hatte. Danach dachte ich wirklich ganz kurz: Okay, JETZT bist du ein richtiger Produzent.

Das Video dazu gibt’s hier:

http://anders-blog.de/?p=7175

Happy Birthday

Tatsächlich jetzt erst der erste Blog-Eintrag im neuen Jahr, obwohl der Monat schon fast rum ist. Aber es herrschte hier so viel echtes Leben im Dezember, dazu ein bisschen digitale Müdigkeit, ein bisschen erschöpfter Schöpferdrang, dass ich mich nicht aufraffen konnte. Und dann wird es natürlich groß, weil ja jeden Tag etwas passiert. Womit anfangen?

Vielleicht damit, dass unser ältester Sohn heute Geburtstag hat. Meine Mutter schickt mir manchmal – wenn sie putzt oder aufräumt oder einfach, wenn es einen Anlass gibt – per Handy alte Fotos, die ihr dann gerade untergekommen sind. Und ich freue mich immer darüber.

Ja, der kleine Kerl auf meinem Arm ist mein Sohn. Und heute ist er fast genauso alt, wie ich es damals auf dem Foto war. Unfassbar. Schön.

Nun steht er auf eigenen Beinen, und die Verantwortung als Vater fühlt sich nicht mehr ganz so groß an, wie man sie empfand, als die Kinder noch klein waren. Das Tolle ist, ich bin immer noch nicht (sooooo) alt. Da sind im Idealfall noch ein paar Jahre, die ich jetzt ein bisschen freier gestalten kann, weil der Junge erstens nicht mehr so schnell aus den neuen Schuhen herauswächst und er sie zweitens jetzt selber kauft. Das ist auch Freiheit.

Happy birthday, Großer!

Marokko

Wir sind zurück. Haben diese Familien-Reise gewagt, meinem Vater einen Herzenswunsch erfüllt: Casablanca. Mittagessen in Rick‘s Café, mit all dem Drumherum, dass es dieses Café in Casablanca nie wirklich gab usw. Danach Essaouira und Marrakesch.

Es war toll, es war auch ein bisschen anstrengend, weil die nächste Generation sich natürlich für die vorige verantwortlich gefühlt hat.

Phasenweise kam es mir tatsächlich vor wie eine meiner kurzen Drehreisen, auf denen man zwar viel sieht und viel erlebt, sich aber dennoch nicht in jeder Phase gehen lassen kann, weil man die Geschicke und das große Ganze im Auge behalten muss.

Es war schön, mal wieder ein paar Tage am Stück mit meiner großen Schwester zu verbringen. Es war schön zu sehen, wie erfüllt meine Mutter von den Unterkünften war, die meine Frau organisiert hatte. Und es war rührend, wie mein Vater im Landeanflug auf Casablanca den Hals reckte, aus dem Fenster schaute und versuchte, seinen Sehnsuchtsort mit einem Blick zu erfassen, um abzugleichen, ob es wohl das sein wird, was er über die Jahre als Vorstellung mehr oder weniger vage im Kopf entwickelt hatte.

Natürlich ist Nordafrika noch mal was ganz anderes. Und die Menschen dort sind tatsächlich so nett und freundlich, wie es in diversen Blogs und Reiseführern vorher beschrieben worden war. 

Und wir hatten Glück mit dem Wetter. Es war auch für marokkanische Verhältnisse vergleichsweise warm. Aber nicht zu warm. Gerade recht, um noch einmal ein bisschen Sonne zu tanken, um jetzt bei knackigen 2 Grad, kristallklarer Luft  und Sonne zum Pferd zu fahren.

Privilegiert. Hat meine Tante mal gesagt. Über das Leben, das meine Frau und ich führen. Meine Tante meinte, glaube ich, etwas anderes, deswegen habe ich das gar nicht so empfunden, als sie es sagte. Aber natürlich führen wir ein privilegiertes Leben. Das merkt man einmal mehr, wenn man in anderen Ländern unterwegs ist. Der niedrige Lebensstandard, den die meisten Menschen dort teilen. Der tägliche Kampf ums Überleben. Die Infrastruktur. Der Müll. Auf Trinkwasser aus Plastikflaschen angewiesen zu sein, die überall ihre Spuren hinterlassen. Ich kenne das natürlich von anderen Reisen, China, Südamerika, mir fällt dann auch immer auf, wie gut unser System funktioniert, beziehungsweise wie klein unsere Herausforderungen jahrzehntelang waren. Natürlich ist das fragil. Man muss es schützen. Jeder muss seinen Beitrag leisten. Und man muss bereit sein, sich zu modernisieren. Transformieren. Ohne, dass das, was gut funktioniert, plötzlich zerbricht. Nach diesen Reisen stelle ich auch immer ein wenig meinen Job in Frage. Denke, ich müsste auf dem letzten Ende noch mal etwas Sinnvolles tun. Etwas Vernünftiges. Etwas wirklich Vernünftiges. Oder aber leichter und mutiger agieren, wie die Aussteiger und Künstler, die man auf solchen Reisen immer trifft. Die sich treu geblieben sind. Immer. Auch wenn es schwerfällt und sie dafür einen Preis zahlen.

Diese Reise noch einmal mit meinen Eltern zu unternehmen, war ein großes Geschenk, weil natürlich nicht klar ist, ob das wiederholbar ist. Weil das Alter seine Spuren hinterlässt. Auf der anderen Seite muss man diese Zeit teilen, um sich nicht fremd zu werden. Ich glaube, meine größte Angst ist es, mich irgendwann den Menschen, die mir zeitlebens nah waren, gegenüber fremd zu fühlen. Weil sich Wege trennen. Lebensentwürfe nicht mehr deckungsgleich sind. Weil das Alter Menschen verändert. Und das Älterwerden. Der Reiz liegt doch darin, das Timing für sein eigenes Älterwerden mit zu bestimmen. Die verschiedenen Rollen anzunehmen. Es auch zu genießen, dass man bestimmte Dinge ruhiger angehen kann. Dass man niemandem mehr etwas beweisen muss. Das man begriffen hat, das Kostbarste, was man besitzt, nicht leichtfertig aufs Spiel setzt: seine Beziehung.

Habe unterwegs ein wunderbares Buch gelesen, das mir meine gute Freundin und Schriftsteller-Kollegin Ina Bruchlos geschenkt hat. Weil es sie, wie sie sagte, irgendwie an meinen neuen Roman erinnert hat. Oben ist es still. Und tatsächlich gibt es Parallelen. Pikanterweise geht es darin um ein problematisches Vater-Sohn-Verhältnis. Und auch wenn ich natürlich abstrahieren kann, habe ich doch gemerkt, wie diese Geschichte die Reflexion über die Beziehung zu meinem eigenen Vater angekurbelt hat. Kurioserweise hat er sich das Buch während unseres Urlaubs einmal vom Tisch genommen und sich prompt darin festgelesen. Ich rief ihm zu, es sei jetzt gerade vielleicht „nicht das richtige Buch“, aber er ließ nicht davon ab. Fand ich natürlich spannend, weil ich mich gefragt habe, was ihn daran wohl so packt. Und ob er es einfach lesen konnte, ohne es gleich an sein eigenes Leben anzulegen. Und an meines.

Auf jeden Fall ist mir mal wieder klar geworden, dass die alltäglichen Probleme, mit denen ich mich herumschlage, nicht existenzieller Natur sind. Und da geht es mir vermutlich wie vielen anderen. Habe gestern gelesen, dass die Deutschen im Durchschnitt am wenigsten arbeiten, weil sie so viel Urlaub haben und so oft krank sind.

Das hat schon etwas damit zu tun, dass man es sich leisten können muss, krank zu sein. Dass man krank sein darf.

Jetzt war ich gestern beim Pferd, und das Pferd hat so hochwertiges Kraftfutter gegessen und ich ein Brot, das der Bäcker „Champagner-Roggen“ getauft hat, und jetzt sitze ich vorm Fernseher, schaue Liverpool gegen Man City, weil wir uns einen Sportkanal leisten können, und gleich werde ich noch für die SOS-Kinderdörfer spenden, weil ich das immer mache, wenn die mir schreiben, obwohl ich weiß, dass es mich nicht viel kostet, und dann fühle ich mich mutlos und denke wieder an diesen Aufkleber auf unserem Kühlschrank: What would you do, if you weren’t afraid, und dann denke ich: ja, what would I eigentlich tun, wenn ich keine Angst hätte, aber Angst ist ja relativ und irgendwie german, und die Nacht ist ne Bitch, aber natürlich ist Zeit kostbar, fast so kostbar wie eine gute Beziehung, und es ist leicht, darüber zu schwadronieren, wie man seine Zeit besser oder sinnvoller nutzen könnte, wenn man keine existenziellen Sorgen hat.

Was natürlich nicht bedeutet, dass psychische Probleme oder Traumata nicht belastend sein können. Gestern erzählte Gustav Peter Wöhler in einem wunderbaren NDR-Kultur-Interview, dass ihn der Chorleiter in der Schule nicht singen lassen wollte, weil er aus kleinen Verhältnissen stammte (Gustav, nicht der Lehrer), und dass ihm seine Gesangslehrerin später sagte, er habe (womöglich deswegen) eine Laufbahn als Opernsänger verpasst. Das war ziemlich berührend, und ich glaube, das vielleicht doch auch einiges besser geworden ist. Vielleicht aber auch nicht.

Ohne Worte