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Grippe geht um. Alle sind krank. Bin kurz davor, wieder mit Maske bei der Arbeit rumzulaufen. Andererseits halte ich mich wacker, liegt vielleicht am Fußball. Schlecht für die Gelenke, schlecht für die Knochen (hab meine dritte Rippenprellung in dieser Saison), aber sehr gut für die mentale Gesundheit und das Immunsystem.

Dafür liegt die Kunst flach. Keine Zeit für networking, keine Zeit fürs Booking – und das Schreiben beschränkt sich gerade auf Reportage-Off-Texte fürs Privatfernsehen. „Job“ eben. Andererseits gibt einem dieser Arbeitsrhythmus ja auch Struktur und Sicherheit in unsicheren Zeiten. Nette KollegInnen, warme Büroräume, deftiges Kantinenessen, alles ok.

Schöne Aussichten
Kontrollieren die jetzt meine Arbeit? 😅

Wobei ich – DAS zeigt mein aktuelles Filmprojekt gerade auch – das schon beeindruckend finde, wenn Leute ihren Beruf mit sooooo viel Leidenschaft ausüben, dass es sich für sie manchmal nicht wie Arbeit anfühlt. Bin z.B. sehr angetan von den KollegInnen der Tierklinik Rostock, die ich gerade sichte. Klar, agieren Menschen vor der Kamera immer anders, also unnatürlich, aber auch immer nur bis zu einem gewissen Grad. Man kann sich nicht komplett verstellen, ohne dass es seltsam wirkt. Und so niedlich wie die mit ihren tierischen Patienten umgehen, das ist einfach sehr, sehr sweet – und macht mir gute Laune.

Ansonsten? Waren meine Frau und ich mit dem Ältesten und seiner Freundin (die ein großer Musical-Fan ist) beim Michael Jackson Musical. Das war klasse. Tolle Story, tolle Performance. Aber natürlich auch komisch, wegen der ganzen Michael-und-die-Kinder-Diskussion, die ja – trotz Freispruchs – bis heute rätselhaft geblieben ist … naja. Oder überlagert die Leistung als Künstler diesen Aspekt nun endgültig?

Es ist (und bleibt) komplex. Und die Sorge um die allgemeine Lage wird natürlich auch nicht weniger. Freue mich über jedes beschmierte Wahlplakat der AfD und denke, warum darf es die geben, wo hat wer gepennt, und was bin ich bereit zu tun, wenn es hart auf hart kommt?!? Also, ganz allgemein gefragt: Wann ist (politischer) Widerstand irgendwann Notwehr?!? So, wie Geschichtsbücher heute ja eher positiv über Leute wie von Stauffenberg sprechen?!? Doch dass eine solche Tatabsicht richtig und ehrenvoll war, wird ja immer erst posthum anerkannt, wenn deutlich geworden ist, das es gut gewesen wäre, wenn z.B. so ein Attentat geklappt hätte und bestimmte Dinge NICHT passiert wären. Klingt kompliziert, macht aber Sinn. Macht es aber auch nicht leichter.

Gegenmittel gesucht

MerzversagenMerzschmerzMerzinfarktMerzrevolutionMerzspezialdragees

Ich habe wieder schlechte Haut. Ich habe wieder brüchige Fingernägel. Ich habe wieder schlechte Laune. Ich habe wieder schlechte Nächte. Und denke: Wie kann das alles sein?

Meine Frau und ich waren am Wochenende auf der Demo gegen Rechts in Hamburg. Es war beeindruckend. Beeindruckend voll. Gut zu wissen, dass man nicht alleine dasteht. Dass man die Sorgen und Ängste nicht alleine hegt, sondern teilen kann. Selbst, wenn es nur die Masse ist. Nein, weil es die Masse ist. Die coolere Hälfte der Masse.

Ich kann nicht verstehen, wie 350 Jahre nach Beginn der Aufklärung der Status Quo so sein kann, wie er sich gerade darstellt. Dass große, demokratische Parteien, die wahrlich Zeit hatten zu üben, hierzulande unfähig sind, eine Gemeinschaft in Frieden, soziale Sicherheit und allgemeinen Wohlstand zu führen. Dass das, global betrachtet, schwierig ist, leuchtet mir ein, und das ist schlimm genug. Aber dass wir hier in Deutschland mit unserer Geschichte gerade wieder Sorge haben müssen, dass es eine Partei, die vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ beobachtet werden darf, mit den Mitteln der Demokratie – weil sie ideologisch und populistisch argumentiert und dabei auf Menschen trifft, die sich seit Jahren und Jahrzehnten abgehängt und missverstanden fühlen – möglicherweise schafft, wieder mittelfristig Teil einer Bundesregierung werden, das ist schwer zu verstehen.

Und auch wieder nicht.

Dass nicht immer diejenigen am Ende in bestimmten Jobs landen, die für diese auch am besten geeignet sind, ist kein politikspezifisches Problem. Das haben wir auch an Schulen, in Kitas, in großen Unternehmen, in Medienhäusern – überall, wo sich Psychopathen und Narzissten über andere Menschen hinwegsetzen können. Aber in der Spitzenpolitik haben solche Fehlbesetzungen eben mitunter dramatische, weitreichende Auswirkungen. Für ein ganzes Land. Einen Kontinent. Die Welt.

Es gibt nur wenige Berufsgruppen, in denen man Karriere machen kann, ohne in diesem Bereich besonders ausgebildet worden zu sein: Immobilienmakler, Journalisten und Politiker gehören z.B. dazu. Ich will damit gar nicht behaupten, dass es nicht viele PolitikerInnen gibt, die aus besten Motiven politisch aktiv werden. Aber das sind leider nicht immer die, die am Ende auch gestalten. Und das Sagen haben. Weil Mann/Frau auf bestimmte Weise gestrickt sein muss, um in eine wirkliche Machtposition zu gelangen – und dort auch zu bleiben.

Wir sind mehr, hieß es Samstag auf der Demo. Aber sind wir das wirklich? Und denken all die, die nicht da waren, es ist kein Problem? Oder zumindest nicht IHR Problem? Und lassen sich die anderen, gegen die sich die Demo richtet, durch unser Auftreten beeindrucken? Ein Merz? Eine AfD? Oder sind wir für den einen bloß Teil seines politisches Kalküls? Und für die anderen Hippies und linke Zecken, die keine Gefahr darstellen?

Vielleicht ist es das, was mich nach dem Jahrhunderte langen (mitunter sehr klugen und hoffnungsvollen) Diskurs über politische Wirklichkeiten so ohnmächtig zurücklässt: Dass ich mich heute als Wähler in Deutschland frage, was wohl das kleinste Übel ist.