Neinnuar

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Wir waren letztes Wochenende seit langem mal wieder bei IKEA. Habe in erster Linie einen quadratischen Bilderrahmen gesucht, die gab es leider nur in einer Größe. Marktlücke! Was mir aber aufgefallen ist, ist dass IKEA sein Wohnwelten-Konzept nochmal verfeinert hat und jetzt auch urbane „Patchwork“-Familien direkt anspricht, also im Prinzip Typen wie mich, die (wenn sie nicht das Glück haben, eine neue Liebe zu finden) mit wenig Geld und wenig Wohnraum Platz für ihre Kinder schaffen müssen, wenn die am Wochenende zum Übernachten kommen. Genial. Apropos Wohnraum: Die Mopo fordert in der heutigen Ausgabe mehr Sozialwohnungen in den Wohngegenden der Reichen. Finde ich auch. Und apropos Marktlücke: In letzter Zeit fallen mir öfter so vermeintlich „lustige“ Sprüche oder Slogans ein, die man auf T-Shirts drucken könnte. Heute z.B. dieser:

Das Geld liegt auf der Straße.
Aber ich hab Rücken!

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Bierdeckelpoesie

Manchmal sind die Kreise, die sich schließen, oder die inhaltlichen Bögen, die sich über die Menschheit spannen, ja verrückt. Im Moment schneide ich wieder extern bei meinem Kumpel Sven. Gestern Abend lief ein Film, den er geschnitten hat, im NDR, über die St. Louis, ein Schiff, das 1939 deutsche Juden nach Kuba ins Exil bringen sollte, dort aber nicht an Land gehen durften und wieder zurückfahren mussten, obwohl einige der Fahrgäste sogar Verwandte auf Kuba hatten und die zum Teil schon wartend an der Kaimauer standen. Der Kapitän (ein Guter) fuhr daraufhin statt zurück nach Deutschland nach Florida, wo sie aber auch nicht einreisen durften. Schließlich brachte der Kapitän die Menschen nach Antwerpen, weil er da eine Art Einreisegenehmigung hatte. Von dort aus konnten die Juden in alle Welt reisen und neu anfangen. Eine unfassbare Episode deutscher Geschichte aus einer Zeit, von der kein Mensch möchte, dass sie sich wiederholt. Und heutzutage? Spricht ein EX-NPD-Mitglied als „Journalist“ auf einer Veranstaltung der AfD über die „Wahrheit der Medien“. Im Hamburger Rathaus. Zum Kotzen.

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Fazit: Bislang immer mit einem blauen Auge davongekommen …

Die Verästelungen des Schicksals – ein kruder, stacheliger, mitunter blühender Strauch. Freud und Leid gehen wie siamesische Zwillinge durchs Leben, und nur der Zufall entscheidet, wer einen in diesem Augenblick an die Hand nimmt und mitreißt. Die Alten Herren von TSV EGB 08 erkämpfen einen Punkt im Abstiegskampf gegen Wellingsbüttel. Heute wird ihr langjähriger Mittelstürmer und Ersatztorwart viel zu früh beerdigt. Er hinterlässt einen Sohn im Alter meiner Söhne, unvorstellbar und doch Realität. Ontologisch. Kein neunmalkluger „Wirklichkeits-Konstruktivisten-Diskurs“ angebracht. Es geht ums „Sein“ und eben nicht mehr „Da-Sein“. Einfach nur traurig.

Kluge Sätze zusammen trommeln

Mecki

Hab mir vorgenommen, demnächst ab und an mal wieder kommentar- und zusammenhangslos ein paar kluge Sätze oder Gedanken zu teilen, die mir unterwegs so begegnen. Einen Satz habe ich heute Morgen im Auto auf einer der Kluge-CDs gehört:

Man muss nicht alles selber besitzen, was man genießt.

Zudem habe ich in einem taz-Interview mit dem Autoren Howard Jacobson vor ein paar Tagen folgende kluge Antwort gelesen:

Lest mehr taz!
Lest mehr taz! Lohnt sich immer!

Zur Info: Jacobson hat gerade den Roman „Pussy“ veröffentlicht, eine Trump-Satire, wobei eben die Frage ist, wie etwas Satire von etwas sein kann, was sich im Prinzip im normalen Leben schon selbst karikiert.

Übersetzt hat „Pussy“ übrigens Johann Christoph Maass, ehemaliger Trommler der H-Blockx, ein alter Bekannter von früher. Dieselbe Nachbarschaft, dieselbe Schule, derselbe Schlagzeuglehrer. So klein ist die Welt.

Win-Win(ter)-Situation

Kennt ihr diese Tage, an denen man morgens normal aufsteht und dann alles innerhalb kürzester Zeit in die falsche Richtung zu laufen scheint? Ich hatte heute einen solchen Tag – habe aber am Ende ganz gut die Kurve gekriegt. Und davon möchte ich kurz berichten …

winwintersit

Wenn ich recht darüber nachdenke, fing es eigentlich schon gestern Abend damit an, dass mir plötzlich heiß und kalt und schlagartig klar wurde, dass wir am 70. Geburtstag meiner Mutter im Urlaub sind. Dass ich also falsch geplant, bzw. den großen Geburtstag meiner lieben, alten Mutter bei der Planung völlig übersehen habe.

Dieses ungute Gefühl der Scham kam heute Morgen nach der ersten Tasse Kaffee wieder hoch und vertiefte sich auf dem Weg zur Tiefgarage. Ein schräger Blick gen Himmel. Wollt ihr mich verkohlen? Dicke Schneeflocken fallen herab, ein dünner weiß-brauner Schmierfilm auf der Straße, der örtliche Straßenverkehr sogleich wieder kurz vor dem Kollaps. Ich – dadurch leicht verspätet und sogleich wieder in Hetze – auf dem Weg zum Zahnarzt, eigentlich nur um mein Bonusheft abzugeben und die weitere Behandlung zu besprechen. Stattdessen Röntgen und die laute Überlegung, vielleicht doch gleich noch den Zahn daneben mitzumachen und aus der Krone lieber eine Brücke zu machen. Ach ja, und der Weisheitszahn muss auf jeden Fall raus. Den Termin können wir jetzt gleich machen. Das andere kann ich mir überlegen!!

Auf dem Weg zur Arbeit gedrosseltes Tempo, vor mir ärgern sich dicke Schlitten auf Sommerreifen. Einziger Lichtblick: Mein heißer Kaffee, so schlau war ich gerade noch, beim Bäcker reinzuspringen, dazu die Alexander Kluge-CD im Player, „Chronik der Gefühle“, was für eine hochintelligente Sammlung. Höre Anekdoten aus der Geschichte, denke an mein Studium, meine Arbeit über die Volsunga-Saga und deren Einfluss auf Wagners „Ring“, Minuten später Kluges Gedanken über die Wälsungen, hatte ich völlig vergessen, dass er das Thema auch beackert hat. Vermisse die Kopfarbeit.

Manchmal.
Sehr.

Vermisse jedenfalls nicht den Planungsstress. Die Absprachen, die man treffen muss, das Sortieren der Zeiten mit den Kindern. Das ist so, aber nicht natürlich. Nervkram. Und wie bringe ich es meiner Mutter bei, dass sie ihren 70. womöglich ohne uns feiern muss? Zerreißen müsste man sich können, um zur selben Zeit an verschiedenen Orten zu sein. Am Wochenende bahnt sich gleich das nächste Problem an: Spiel des Jüngsten gegen das große Sankt Pauli, ich, der Alte, zeitgleich ein wichtiges Nachholspiel, das zugleich auch ein Abschiedsspiel ist.

Und das ist der Moment, wo sich alles dreht: Denke an den Grund für das Abschiedsspiel. Einer unserer Mannschaftskameraden ist gestorben, Krebs, keine 50 Jahre alt ist der geworden, einfach nur zum Heulen. Am Sonntag spielen wir mit Trauerflor und legen vor Spielbeginn eine Schweigeminute ein. Das Leben ist kostbar, und was ist schon eine Brücke gegen eine Chemo-Therapie – die dann noch nicht einmal greift!?

War ein anderer Mensch, als ich ins Büro kam, glaube ich, nett und kollegial. Aufgeräumt. Habe meiner Mutter meinen Planungs-Fauxpas gebeichtet und mit ihr vielleicht schon eine Lösung ausgetüftelt. Habe ihr gesagt, dass ich ihr es jetzt beichten MUSS und nicht erst zwei Wochen vor dem Geburtstag, weil mich die Gedanken wirklich plagen.

Weil die Reue echt ist.
Ist sie.

Habe das Gefühl, dass ich 2018 anders angehen werde. Direkter kommunizieren, weniger Umschweife machen. Mir vergegenwärtigen, wie kostbar Zeit ist. Auf meinen Körper achten. Aber mich auch nicht verrückt machen. Öfter die einfachen Dinge genießen. Gute Freunde treffen. Meine Freundin öfter neu erobern.

einfachgut

Mehr lustig sein. Und selber noch mehr lachen. Oder zumindest öfter Schmunzeln, anstatt mich aufzuregen. Heute hat es am Ende noch geklappt. Kann ich nur empfehlen.

Übrigens: Die Alphabeten sind back! Yeah!

abgefahrenereifen