Chihuahua u.a.

Mexiko fürs Schweizer Fernsehen, die Zweite. Und wieder viele, viele Eindrücke. Waren gleich zu Beginn der Reise mit einer Protagonistin, die im Bereich „Ziviler Friedensdienst“ arbeitet, in Chihuahua auf einem Gedenkmarsch für „Verschwundene“; ein Riesenproblem in Mexiko, weil diese Fälle von Entführungen kaum aufgeklärt und daher auch kaum sanktioniert werden. Und die Angehörigen leben dann den Rest ihres Lebens mit der Ungewissheit, was aus ihren Männern, Frauen, Söhnen und Töchtern geworden ist. Schrecklich und sehr bedrückend. Aber auch beeindruckend, wie diese Gemeinschaft der Betroffenen dann diesen Gedenkmarsch begeht. Und es ist natürlich auch wichtig und interessant zu sehen, für welch relevante Probleme deutsche Entwicklungshilfe und Spendengelder verwendet werden. Kaum zu glauben, dass diese Art von finanzieller Unterstützung gerade weltweit in Frage gestellt und gekürzt wird.

Es fühlt sich beim zweiten Mal natürlich nicht mehr alles soooo neu an; wir sind wieder in der gleichen Unterkunft, war ein bisschen wie „nach Hause kommen“ – im Exil. Auch die Akklimatisierung ging bei mir gut, habe sogar schon dreimal ein bisschen Fitness oben auf dem Dach gemacht – 30 Minuten auf dem Fahrrad auf 2000 Meter Höhe, das funzt. Dieser Ausgleich ist wichtig, mir fehlt dann auch immer der Fußball. Weil diese Drehreisen immer eine ganz bestimmte Dramaturgie haben, es ist verrückt. Ich mache diesen Job ja schon seit über 20 Jahren und trotzdem besteigt man mit dem Flugzeug jedesmal aufs Neue wieder diese emotionale Achterbahn, die einen zwischenzeitlich immer an den Punkt bringt, dass man sich beinahe fragt, warum man das macht. Weil es anstrengend ist. Weil Dinge nicht so laufen. Oder anders. Weil man improvisieren muss. Und weil man bei diesen Dingen am Ende – egal wie gut oder wie groß das Team ist – immer alleine dasteht.

Und dann kommen die Gedanken, nachts im Hotel, wie das alles zusammenpasst, ob man an alles gedacht, die richtigen Fragen gestellt, das große Ganze nicht aus den Augen verloren hat … bis man sich daran erinnert, dass es immer so ist. Und dass sich vieles im Prozess regelt, dass man eben auch vieles im Team besprechen kann, vor allem mit meinem Kameramann Jasper, der dann wirklich zum partner in crime wird. Und dann folgen gute Drehtage, an interessanten Orten, mit interessanten Menschen, und man bestärkt sich gegenseitig darin, auf dem richtigen Weg zu sein; eine kreative Routine stellt sich ein, man gewöhnt sich an die tägliche Hitze, den abendlichen Regen – und plötzlich ist die Hälfte der Zeit schon wieder um.

Haben es an einem Tag nach der Arbeit sogar geschafft, die berühmten Pyramiden zu besuchen, megaspannend, weil bis heute nicht ganz klar ist, wer die wann wie erbaut hat; ein energetischer Ort, der sehr gewirkt hat, obwohl wir nicht viel Zeit hatten. Und insofern ist es natürlich ein toller Job. Auch wenn ich oft das Gefühl habe, dass die Kunst zu kurz kommt. Vor allem, wenn ich, so wie hier, vor Ort mit KünstlerInnen drehe. Andererseits lerne ich täglich neue Menschen kennen, und viele geben mir das Gefühl, dass sie meine Herangehensweise schätzen. Und ich sehe viel von der Welt, und, ja, es ist manchmal mühsam, wenn man wochen- oder monatelang an einem Projekt arbeitet, ohne sofort immer die Fortschritte zu sehen, oder, andersherum, häufig nur den Berg, doch zumindest schaffe ich täglich Erlebnisse, kleine und große, an die ich mich später gerne zurückerinnere. Und das ist womöglich am Ende, wenn ich im Alter auf mein Leben zurück- oder die Fotobücher durchschaue doch viel mehr wert, als jeden Tag in der Schreibstube 10 gute Seiten schreiben zu müssen, um sich lebendig zu fühlen. Oder?