Liebe Erklärung,

Erste Woche Schnitt hinter uns, die Wissenschaftsdokumentation über „Das Böse“ für arte. Eigentlich ein tolles Projekt, wenn nicht wieder alles zeitlich so eng wäre. Auch wenn es großen Spaß macht, nach Jahren mal wieder gemeinsam mit meiner Freundin einen Film zu machen. Aber es ist doch ein komplexes Thema. Es gibt natürlich auch tausendundeine Möglichkeiten, den Film zu montieren. Und in der Kürze der Zeit diese ganzen Wissenschaftsinterviews durchackern und zeitgleich im Prinzip die besten O-Töne zu identifizieren und nebenbei noch Ideen für eine passende Bildsprache zu entwickeln … da kann man sich leicht drin verlieren. Wenn man dann nicht aufpasst, kommt man den ganzen Tag nicht raus.

IMG_2342

Habe daher am Wochenende die Gelegenheit genutzt, mit zu unserem Pferd zu gehen. Ich liebe das ja, diesen Stallgeruch, den heißen Atem der Tiere, dieses blinde Vertrauen, die guten Vibes. Vielleicht habe ich dieses Bauern-Gen tatsächlich von meinem Vater, keine Ahnung, aber als ich da im Heu saß und dem Pferd beim Fressen zugeschaut habe, dachte ich plötzlich, dass es für Maria und Josef vielleicht gar nicht die schlechteste Option war, ihr Kind in einem Stall zu bekommen. Besser jedenfalls als in so einer blöden Herberge mit nervigen Herbergseltern, nervigen, anderen Familien, betrunkenen Jugendlichen und Hagebutten-Tee zum Frühstück ;-)

IMG_0878

Vor ein paar Tagen auf dem Nachhauseweg im Radio ein Bettina Wegner-Feature auf NDR Kultur gehört. Großartig. Tolle Künstlerin, tolle Songs, Wahnsinnsgeschichte. Da sind die Gebühren richtig angelegt, kann ich nur sagen … und was für ein Scheiß-System, die DDR mit dieser Stasi-Kacke, unfassbar. Nie wieder Nazis! Nie wieder Stasi! Einfach nur von kompetenten Leuten regiert und bezaubernden Menschen geliebt werden. Warum ist da so schwer? Wobei, was Letzteres betrifft, kann ich mich nicht beschweren. Und nicht einmal der komplizierte Job kann die Stimmung trüben …

 

Er flüsterte ihr in ihr
kleines Ohr wie groß
artig sie war

und dass die Sonne
schien wie die Welt
weswegen man manchmal am Radio hing und anfing zu heulen
wenn plötzlich Moon River lief
am besten

in der Version von Audrey Hepburn
in Gedanken an Dich
Lebensretterin

die immer sagt, man müsse krank sein
um einen genialen Gedanken
zu fassen
zu bekommen

an der es nie albern aussieht
wenn sie mit 50 noch ein Nachthemd mit Disney Motiven trägt

komischer Weise
Leben mit Dir
ein einziges Sektfrühstück

eine Schnapsidee wäre das
jetzt mit dem Trinken aufhören zu wollen

Terre Ohr

Bald ist es Zeit für meine Spezialeinheit ...
Ja, der Chef ist ein weißer Cowboy, aber er trägt sein Herz am linken Fleck!

Samstag. Draußen ist es warm, aber grau, eine Tasse Kaffee fragt mich, ob ich mich mit ihr auf die Terrasse setze. Warum nicht? Muss ja nicht gleich etwas mit ihr anfangen. Klemme mir ein Buch unter das Herz, Gedichte und Lieder von Wolf Wondratschek. Eines trägt den Namen: Deutschland im Herbst – und da weiß der geneigte Leser natürlich gleich, worum es geht. Als „Deutscher Herbst“ bezeichnet man die Zeit im September/Oktober 1977, die geprägt war von den terroristischen Anschlägen der RAF. Diese Zeit gilt bis heute als eine der schwersten politischen Krisen der Bundesrepublik Deutschland. „Deutschland im Herbst“ wiederum ist der Titel eines deutschen Autorenfilmes, der sich mit eben dieser Phase auseinandersetzt und im Folgejahr erschien. Das ist so (mutmaßlich) der Kontext dieses Wondratschek-Gedichtes, aus dem ich drei Zeilen zitieren möchte:

Einige legten die Karten auf den Tisch,
um die Hände frei zu haben für einen ersten Schusswechsel
mit der Politik.

Dieser Text ist in diesen Tagen wieder hochaktuell. Das Land befindet sich erneut einer ständigen Terror-Gefahr ausgesetzt. Diesmal nicht von links, sondern vor allem von rechts. Wieder nehmen die Terroristen die Politik ins Visier, aber eben nicht nur, und das ist der Unterschied. Insofern hat das Attentat von Halle das (vorerst) letzte Tabu gebrochen. Denn natürlich ist linker Terror nicht besser als rechter Terror, aber die Tatsache, dass in Deutschland wieder ein Täter in dieser Form Jagd auf jüdische Mitbürger gemacht hat, erscheint so unfassbar, dass eine Steigerung kaum möglich scheint. Und warum? Weil die Politik geschlafen hat, als sich der Teufel aus der Hölle befreit und hier – mitten unter uns – ins rechte Licht gesetzt hat. Weil die, die gesagt haben, das wird man ja wohl noch sagen dürfen, plötzlich wirklich alles sagen durften. Und zwar so lange, bis es einige andere geglaubt haben. Und wiederum andere sich im Recht fühlten, unmenschlich zu handeln.

Und wenn die verbliebenen, demokratischen Parteien es mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln jetzt nicht schaffen, die neuen, demokratiefeindlichen Kräfte außer Kraft zu setzen und mittelfristig den Nährboden zu entziehen, dann weiß ich bald wirklich nicht mehr, was ich meinen Kindern später antworten soll, wenn sie fragen: Wie konnte das wieder passieren?

Täter-Wissen

Was Banales vorab, obwohl es gar nicht so banal ist: Momentan fällt mir auf, dass bestimmte Gewerke mit sehr frauenfeindlicher Werbung aufwarten, vornehmlich so Produzenten von Garagentoren, Autoteilen, oder Gartenbau-Unternehmen („Bei uns steht nicht nur der Zaun“, letztens erst gelesen). Und heute morgen ist mir in unserer kleinen Esso-Tankstelle eine Warnweste ins Auge gefallen, wo ich mich auch gefragt habe, ob sie dem Hersteller ins Gehirn geschissen haben. Ich meine, das gibt es doch nicht. Man kann doch auch einen Durchschnittsmenschen mit normaler Kleidung vorne drauf packen, oder nicht? So sieht es aus wie eine Werbung für Telefonsex …

Warnweste

Im Moment drehen wir ja unter anderem für die arte-Wissenschaftsdokumentation über „Das Böse“. Am Dienstag hatte meine Co-Autorin die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh im Interview. Ich kenne sie schon seit ein paar Jahren und die Gespräche mit Frau Saimeh sind immer hochspannend, aber diesmal war es vor allem beinahe prophetisch. Denn ein Schwerpunkt des Gespräches war der norwegische Täter Anders Breivik. Und obwohl man immer ein bisschen gucken muss, dass man diese Tat, bei der es ja auch darum ging, eine möglichst große Berichterstattung und öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen, nicht wieder ins Rampenlicht zu stellen und ggf. Nachahmer zu inspirieren, sagte aber Frau Saimeh dazu, dass es gerade deswegen wichtig sei, diese Tat nochmal zu untersuchen, weil gerade solche Taten wahrscheinlich zukünftig öfter passieren würden. Und genau einen Tag später passierte dieses grauenvolle Attentat auf die jüdische Synagoge in Halle. Wenn man die formalen Rahmenbedingungen betrachtet, fast eine Kopie der Tat von Breivik. Und sie geschah nicht, weil wir eine Doku über Breivik gemacht haben, sondern weil der Täter einen jüdischen Feiertag als Tag X auserkoren hat.

IMG_0836
Das „vorbeihuschende Böse“ … ist nur der Kameramann!

Es zeigt uns auf jeden Fall zweierlei: dass eine Dokumentation über Täter wie Breivik sehr zurückhaltend, seriös und sachlich sein muss, dass es aber auch richtig ist, diese Tat von Oslo nochmal zu untersuchen, um noch mehr Sensibilität dafür zu schaffen, was um einen herum geschieht und worauf man achten kann, wenn man zumindest die eine oder andere Tat dieser Art zukünftig verhindern möchte. Wir werden auf jeden Fall versuchen, einen Extrablick auf diese Tätergruppe zu werfen und zu fragen, was diese innere Radikalisierung womöglich begünstigt.

Ich kann

Ich kann
meinen Fuß wieder bewegen
mir am Flughafen in Oslo
ein englisches Buch kaufen
und anschließend
sogar noch einen Kaffee

Ich kann
fast alles,
was es gibt,
mit meinem Smartphone bezahlen
und mich nicht mehr darüber wundern müssen, aber
es mir erlauben,
es trotzdem zu tun

Ich kann
einfach gehen,
ohne mich ständig umschauen zu müssen,
aus Angst
oder bleiben
was vielleicht viel mehr Mut verlangt

Ich kann
behaupten
die Sanktionen betreffen andere
die Bomben treffen andere

Ich kann
mich nicht mehr verlieben
weil ich es schon bin

Kindergeschrei einordnen
oder eine Aussage
einen Kater ertragen
oder sogar zwei
und zeigen:
Respekt
Liebe
haufenweise Gefühle

Dankbarkeit

is a tricky thing

 

Manchmal ist das ja so, dass einem ein paar Zeilen durch den Kopf gehen, die man gleich festhalten will. Ich weiß gar nicht, was den Auslöser gegeben hat. Ich glaube, als ich gestern an der Tankstelle stand und auf der Zapfsäule ein Sticker prangte, mit den Worten: Einfach das Smartphone davor halten! oder so, klang auf jeden Fall irgendwie völlig crazy in meinen Dichter-Ohren.

IMG_0817

Ansonsten? Habe ich mir – getreu des Mottos: Gesunder Geist in gesundem Körper – gestern zum ersten Mal den Knöchel selbst getaped (Schreibt man das so?). Gab ein ganz gutes YouTube Tutorial dazu. Bin jedenfalls zufrieden mit dem Ergebnis, bilde mir auch ein, dass der verletzte Knöchel wieder schlanker ist. Habe es letzte Woche möglicherweise ein bisschen übertrieben. War ja viermal laufen, am Freitag war der Knöchel dann etwas geschwollen. Eigentlich müsste ich regelmäßig zur Lymphdrainage. Aber wie soll das gehen?

Ich kann
eben doch
nicht alles.

 

 

Morgen, Land

Morgenland
Allein im Büro. Die Kollegin hat den Brückentag frei genommen. Wollte ich eigentlich auch, ging aber nicht. Draußen ist es grau. Stelle ein altes Fensterbild meines Sohnes vors Licht und mache es mir ein bisschen gemütlich. Lustig, plötzlich freue ich mich ein bisschen auf Weihnachten. Doppelt lustig, eine unserer Protagonisten-Einheiten für TerraX ist im Dezember im Oman. Was wird traditionell im Oman produziert? Weihrauch. Und wer hatte Weihrauch als Geschenk im Gepäck? Richtig …

Hase

Werde den Oman-Dreh aber wahrscheinlich gar nicht machen, egal, nächstes Thema (bin zur Zeit so sprunghaft): Ich weiß, ich weiß, diese Fotos von den toten Tieren sind ein bisschen grenzwertig, aber mich faszinieren sie auf eine traurige Weise. Dieser Anblick hat so etwas unfassbar Endgültiges. Da ist so ein kleines, kompliziertes Tierleben, in dem es jeden Tag aufs Neue ums Überleben geht. Ich meine, so ein Hase denkt ja nicht an gestern oder morgen oder an seinen Job, da gibt es immer nur ein Hier und Jetzt, total intensiv und dann – zack, alles aus. Wobei mir gerade jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, auffällt, dass jedes Tier, das ein Nest baut oder Wintervorräte sammelt, ja offenbar doch über das Hier und Jetzt hinausdenkt. Hochinteressant …

Plage mich seit Tagen mit ziemlich starken Nackenschmerzen herum. Schon alles versucht: Bewegung, Ibuprofen, Wärmepflaster, Massagen, aber die Schmerzen gehen nicht weg, was natürlich ein bisschen nervt, weil ich froh bin, dass es mit dem Knöchel in den letzten Tagen so schnell bergauf gegangen ist. Jetzt ist das Problem nach oben gewandert …

Ich weiß natürlich auch, woran es liegt. Strampele hier gerade wieder ein bisschen im Hamsterrad. Muss eigentlich dringend eine Art Drehbuch erstellen, merke aber, dass mir Informationen fehlen, bzw. ich mich in diesem Falle schwer tue, angesichts der – im Grunde unendlichen – Möglichkeiten, die Geschichte zu erzählen, Entscheidungen zu treffen. Dabei dienen diese „Drehbücher“ häufig eigentlich nur als Grundlage für eine Kalkulation. Trotzdem habe ich natürlich den Anspruch, die Geschichte bereits im Vorfeld so durchleuchten und aufgliedern zu können, dass man sie danach mit einer gewissen Ruhe realisieren kann. Was nicht bedeutet, dass unsere Reportagen und Dokumentationen einem Drehbuch folgen. Es geht, wie gesagt, nur darum, dass, was man planen kann, so gut es geht, aufzuschlüsseln und sich dennoch die Freiräume für das, was dann vor Ort wirklich passiert, zu bewahren. Und das sitzt mir gerade echt und im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken …

War vorgestern Abend auf einer kleinen Literaturveranstaltung, die der Alphabeten-Kollege Stuertz ins Leben gerufen hat. Es waren vornehmlich Autoren und Autorinnen war, und das war ganz interessant, weil ich manchmal vergesse, dass es auch andere Menschen gibt, die eine Geschichte im Kopf haben und sie vielleicht auch aufs Papier bringen können, aber das noch lange nicht bedeutet, dass auch ein Buch daraus wird. Und dass andererseits Menschen, die kurz vor der Veröffentlichung eines Buches stehen, auch nur Sätze schreiben, die aus ganz normalen Worten bestehen. Auch wenn es schöne Sätze sind. Leona Stahlmann hat aus ihrem bald erscheinenden Buch gelesen. Ich weiß nicht, ob ich den Titel hier schon verraten darf, geht auf jeden Fall um BDSM, aber anders, also eher um die Haltung, das Lebensgefühl, weniger um die explizite Erotik. Klang auf jeden Fall spannend.

Ich trage ja auch immer noch meine Buch-Idee vor mir her, die ich während meines Sabbaticals Anfang des Jahres begonnen habe. Habe auch ein bisschen weitergeschrieben, als ich mit dem Knöchelbruch zuhause lag und sammle auch jetzt immer wieder neue Gedanken, aber ich komme momentan natürlich nicht wirklich zum Schreiben. Und da beißt sich die Katze ein bisschen in den Schwanz, weil, um das Buch (das wirklich gut werden könnte) ernsthaft voranzutreiben, bräuchte ich Zeit, aber dafür bräuchte ich einen Vertrag oder Vorschuss – und den wiederum bekomme ich als Neuling auf der großen Bühne vermutlich erst, wenn man schon mehr geschrieben hat als das, was ich bereits habe. Puh, es ist kompliziert. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch gut, einen Job zu haben, der einem den Lebensunterhalt sichert. Außerdem sind die Kollegen nett, einer kam gerade rein und bot mir an, mich mit einem Kumpel zu vernetzen, der mir bei dem Drehbuch helfen kann.

Ich habe ja noch ein bisschen Resturlaub. Den werde ich wohl um den Jahreswechsel herum nehmen und dann mal versuchen, den nächsten Schritt zu machen. Karen Köhler hat den ersten Wurf von Miroloi ja auch erstmal ein Jahr lang liegen gelassen, bevor sie die Arbeit an dem Manuskript wieder aufgenommen hat. Also, keine Panik. Morgen ist Land in Sicht …

Ansonsten? Brexit, Trump, „Feierbiest“ China – es ist nicht so, dass man sich nicht auch über andere Themen Gedanken machen könnte …

Und? FC Bayern – Wow, Gnabry ist jetzt bestimmt 150 Millionen wert, aber wer mich im Spiel gegen Tottenham wirklich umgehauen hat, war Lewandowski. Hat als einziger von Anfang an richtig dagegengehalten und wurde belohnt. Bin gespannt, wo das dieses Jahr endet.