Karmaback

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Reiche Tage. War zwei Tage auf Recherche in Rothenburg ob der Tauber. Ich war tatsächlich auch zum ersten Mal da, obwohl das eine der berühmtesten deutschen Städte ist – ein absoluter Touristenmagnet. Klar, sieht man auch, es gibt diese Flagship-Stores der alten Marken: Käthe Wohlfahrt, Steiff-Tiere, alte Bäckereien und Gasthöfe wie aus dem 19. Jahrhundert (aber mit chinesischer Speisekarte im Fenster), fast wie eine Filmkulisse. Und tatsächlich soll diese eine Weggabelung (s. drittes Foto) auch ein Szenario in dem Spiel „Assassin´s Creed“ sein, naja, keine Ahnung. Wird das überhaupt so geschrieben?

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Jedenfalls habe ich dort Protagonisten besucht, die sehr nett waren und mir noch das Weihnachtsmuseum gezeigt haben, aber nicht, weil sie so stolz darauf sind, sondern weil sie es auch ein bisschen crazy finden. Es war so, wie ich immer sage: Diese Tage, an denen man mit Leidenschaft, aber ohne allzu viel Kostendruck oder Produktionsstress seine Projekte verfolgt und dabei noch Land und Leute kennenlernt, sind meine Lieblingstage. Beruflich betrachtet. Das tolle Wetter war aber natürlich auch hilfreich …

Als ich dann gestern Abend wieder zuhause ankam, war Post für mich da. Ein großer Briefumschlag. Dachte schon, vom Finanzamt, aber es war viel besser. Die damalige, erste Kindergärtnerin meiner Söhne hat offenbar klar Schiff gemacht (vielleicht geht sie in Rente) und dabei alte Fotos und Zeichnungen meiner Söhne gefunden. Und anstatt sie einfach wegzuschmeißen, hat sie mir einen kleinen, bezaubernden Brief geschrieben (sinngemäß: was für tolle Jungs und dass sie sich gerne an beide erinnere) und mir die Sachen zugeschickt. Habe mich wahnsinnig darüber gefreut. Es war damals privat keine leichte Zeit, und in dieser doch sehr weiblich dominierten, ersten Erziehungswelt gab mir diese Kindergärtnerin damals schon das gute Gefühl, dass auch ich als Vater einen guten Job mache und eine wichtige Rolle spiele. Das klingt jetzt profan, aber ich fand es vergleichsweise außergewöhnlich. Und in der Tat sind mir aus der Zeit nicht viele Erinnerungsstücke geblieben … Danke!

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Ansonsten? Lese ich gerade mit einer gewissen Bestürzung die durchwachsenen Rezensionen zu Karen Köhlers neuem Roman (hier eine gute Zusammenfassung der kritischen Stimmen: Miroloi). Sie war ja bei uns, den Alphabeten, zu Gast. Es war ein toller Abend, und ich finde auch, es ist ein tolles Buch, aber, ja, Sebastian und ich lesen natürlich anders als ein Rezensent der ZEIT. Zum Glück. Trotzdem bleibt das ungute Gefühl, dass man als KritikerIn auch nichts Nettes oder Positives mehr schreiben kann, wenn schon ein bestimmtes Maß überschritten ist. Will sagen, man kann die Steine, die geflogen sind, nicht in der Luft wieder einfangen. Es beschäftigt mich gerade, dieses Thema. Habe nämlich selbst gerade für mein neues Literaturprojekt ganz gutes Feedback bekommen. Ist aber auch schon eine Überarbeitung. Muss aber noch ein bisschen weiterarbeiten, bevor man da mehr verraten kann. Weiß auch nicht, ob ich da jemals etwas zu verraten haben werde, aber ich gebe alles. Literatur ist was Feines, aber man muss auch für sich entscheiden können, wie sehr man sich von Kritik treffen lässt. Oder wie wichtig einem die formale Anerkennung ist. Wobei es natürlich auch immer auf die Kritik ankommt. Aber ich erinnere mich, dass ich bei „Kunststoff“ auch einen Verriss (so viele waren es nicht) richtig doof und auch ein bisschen unberechtigt fand. Das ist dann schon schwer zu ertragen. Aber was will man machen?

Und? Mein Score Hero-Avatar ist jetzt so alt und krank und abgenutzt, dass es nicht mal mehr für Nizza reicht. Musste noch einmal wechseln. Spielt jetzt bei … Leverkusen. Zum Brüllen komisch.

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Und? Es war schön, gestern Abend nach Hause zu kommen. Und dass da jemand war, der sich freut, dass man kommt. Und dass da jemand bleibt und wartet, wenn man mal kurz weg ist. Dass da eine zweite Hälfte ist, die einen komplettiert. Das ist Glück.

Keine halben Sachen
Keine halben Sachen

 

 

Deutschland im Sommer

Zuerst die schlechte Nachricht: Die AfD plakatiert wieder die ganze Stadt mit einem „Veranstaltungshinweis“: Araber-Clans gegen Deutschland. Kampf der Kulturen! Der Ton verschärft sich. Und er stinkt zum Himmel, weil der Begriff „Kultur“ aus dem Sprachrohr einer Partei wie der AfD natürlich auch gefärbt ist. Also, sagen wir so, ein Beispiel aus der Geschichte: Die Nazis haben es auch als Kulturauftrag angesehen, „entartete“ Kunst zu vernichten.

Jemand, der diese Entwicklungen zurück ins Mittelalter auch sehr literarisch, differenziert und menschlich beobachtet, ist Ferdinand von Schirach. Lese gerade „Kaffee und Zigaretten“. Hat mir meine Freundin geschenkt, weil ich krank war. Und wenn sie als Kind krank war, hat sie auch immer etwas geschenkt bekommen. Bezaubernd. Wo war ich? Ach so, Kaffee und Zigaretten. Tolles Buch, allerdings ganz schön viele Schachtel-Sätze (Haha, wegen Zigaretten, ihr wisst schon). Nein, im Ernst, sehr inspirierend, auch gut für den Feierabend, da die Geschichten immer recht kurz sind. Ein paar Ideen kenne ich bereits aus „Herzlichkeit der Vernunft“, aber das ist auch interessant zu sehen, wie diese Ideen von einem Buch zum nächsten über sich hinaus wachsen. Einen außergewöhnlichen Gedanken, den er zitiert (und nicht als seinen verkauft, was ich sehr sympathisch finde), stammt von William Faulkner, zumindest zur Hälfte, es ist nämlich nicht ganz klar, ob von Schirach das Zitat nur teilt oder ergänzt. Wörtlich heißt es im Buch: Das Vergangene ist nicht tot, schrieb William Faulkner einmal. Es ist nicht einmal vergangen.

Faulkner
Quelle und Buchtipp: Ferdinand von Schirach: Kaffee und Zigaretten, Luchterhand

Gehe seit Dienstag ohne Krücken – und deshalb auch wieder ins Büro. Bin die ersten zwei Tage mit Bus und Bahn gefahren, weil ich dachte, Auto fahren würde noch nicht gehen. Außerdem muss ich nächste Woche eigentlich erst in die Werkstatt. Dann haben mich die kurzen Fußwege aber so geschlaucht, dass ich beschlossen habe, jetzt wieder mit dem Auto zu fahren.

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Das ist kein Foto-Trick …

Lustigerweise kam an dem Tag, an dem ich das erste Mal ohne Krücken und ein bisschen schwerfällig ins Büro gerumpelt kam, draußen vor dem Fenster eine alte Bekannte zu Besuch: eine einbeinige Krähe, die wir hier schon ein paarmal beobachtet haben. Das hat wirklich mein Herz gerührt. Bin kurz davor, Futter zu streuen, wenn es jetzt kälter wird.

Meine Lebensgefährtin kauft aus Gewohnheit immer die BUNTE (obwohl sie sich jedesmal wieder fragt, warum sie da eigentlich tut). Es ist ja auch nichts dagegen einzuwenden, ein bisschen Promi-Klatsch & Tratsch unter die Leute zu bringen. Und ich habe auch nichts gegen unterhaltsame Spekulationen, wenn es nicht fies und unwürdig wird. Aber ich habe den Eindruck, die BUNTE verliert da ein wenig das Augenmaß. Manche Untertitel haben wirklich BILD-Niveau. Und ich an, nicht einmal die BUNTE versteht das als Kompliment.

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Und das ist noch harmlos …

Ansonsten? Hatten die Alphabeten am Dienstagabend Karen Köhler zu Gast. Wurde ein langes Gespräch, sehr lustig, sehr klug, hinten raus auch ein bisschen emotional, alles in allem ein nahezu legendärer Abend. Hoffe, das vermittelt sich später auch in der Sendung.

Und? Habe meine Söhne nach fast 5 Wochen wieder gesehen. Gleich am ersten Arbeitstag kam mein ältester Sohn mittags zum Essen in die Kantine, morgen kommt der Jüngste zu uns nach Hause und bleibt über Nacht. Schön. Das Leben geht weiter, natürlich, wie sollte es auch anders gehen? Es macht keinen Sinn, sich ständig zu fragen, wo die Jahre geblieben sind. Und warum alles so schnell geht. Das Vergangene lebt. Es überlebt uns sogar. Morgen oder Übermorgen.

Bußfall

War heute nochmal zur Röntgenkontrolle. Krücken sind weg! Merke allerdings, dass mir das normale Gehen noch ziemlich schwerfällt. Trotzdem, eine ganz neue Perspektive. Der Arzt meinte, übernächste Woche könnte ich anfangen zu joggen, in vier Wochen vielleicht schon wieder ein bisschen kicken. Werde versuchen, die Gratwanderung zu meistern, zwischen schnell wieder fit machen und nicht überpacen.

Habe unter Woche eine ganz reizende Videobotschaft meiner Mannschaftskollegen erhalten, nach dem Motto: Junge, komm bald wieder. Erwähne das deswegen, weil es da wieder eine Parallele zu meinem Handy-Game „Score Hero“ gibt. Da wurde mein Avatar „Anders“ auch wieder mit warmen Worten in die Nationalelf zurückberufen …

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Ansonsten freue ich mich, dass ich die letzten Krankentage genutzt habe, um zu entrümpeln. Ein paar Dinge sind tatsächlich in den Alltag eingeflossen, z.B. diese kleine „Pauline“, in der jetzt unser Basilikum steht und diese schlichte Tasse aus der Uni-Mensa in Münster, die jetzt auch über 20 Jahre auf dem Buckel haben müsste.

IMG_0469EE858A52-F901-474B-B015-A61C6CFF36C7Irgendwie sind diese kleinen Dinge wichtig, die eine gewisse Beständigkeit aufweisen, in Zeiten wie diesen, in denen man alle sechs Monate ein neues Ladekabel braucht oder alle zwei Jahre ein neues Telefon. Da fällt mir ein. Meine Lebensgefährtin hatte diese Woche irgendwie Lust auf ein Überraschungsei. Und ich wollte dann – wie früher – das Gimmick zusammenbauen, so eine Art Kriegssportflugzeug. Doofe Anleitung, doofes Teil, und es funktionierte am Ende nicht mal richtig. War alles krumm und schief. Hab es dann einfach weggeschmissen. Abgesehen davon, dass es ein kleiner, sinnloser Müllberg war, habe ich mir zudem vorgestellt, was gewesen wäre, wenn ich das einem Kind geschenkt hätte … totaler Reinfall.

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Ich freue mich wieder auf den Sport! Gesunder Geist in gesundem Körper, sage ich ja immer, und für den Geist habe ich in den letzten Wochen genug getan. Morgen interviewen die Alphabeten Karen Köhler. Das wird sicher auch interessant. Außerdem ist die Doppel-Folge mit der Literaturexpertin Karla Paul jetzt online. Könnt ihr ja mal reinhören …

 

Weg damit

R.I.P. Vergangenheit
R.I.P. Vergangenheit

Habe die letzten Krankentage genutzt, um ein bisschen zu entrümpeln. Habe also das gemacht, was man eigentlich nicht machen sollte, wenn man sich alt und krank fühlt, nämlich in den Requisiten seiner Kindheit und Jugend zu wühlen. Dabei ist natürlich einiges zum Vorschein gekommen: Kontoauszüge meines ersten Girokontos, der erste Dauerauftrag, Taschengeld von meiner Mutter, fünf Mark im Monat, später acht, in der Oberstufe mehr, da habe ich aber auch schon selber gearbeitet (die Quittungen habe ich auch noch gefunden), für eine Gebäudereinigungsfirma und ein Betonwerk, später als Roadie und DJ. Und erste Gehversuche als Journalist.

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Da wollte wohl jemand Comiczeichner werden

Außerdem mein Taufbesteck, jede Menge Schulhefte aus der siebten Klasse, Deutschaufsätze aus der zehnten und Matheaufgaben aus der Mittelstufe, die ich heute überhaupt nicht mehr verstehe.
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Und alte Bücher, das Jahrbuch meiner Highschool in Amerika, mein Trainingsheft aus meiner Leistungssport-Phase als Mittelstreckenläufer, inklusive Marschtabelle meines Vaters für eine Zeit unter 16 Minuten auf 5000 Meter. So schnell war ich allerdings nie …

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Und natürlich auch die großen „Werke“, die das Ende meiner Unschuld eingeläutet haben: die Doktorarbeit und mein erster Romanentwurf. Als ich diese dicken Wälzer in den Händen hielt und mich erinnerte, dass ich damals ja schon drauf und dran war, zum ersten Mal Vater zu werden, dachte ich plötzlich, dass es eigentlich ein Wunder ist, wie ich das alles damals geschafft habe. Vielleicht dazu demnächst mehr, werde da, glaube ich, mal wieder einen Blick reinwerfen. Wobei mir immer Karl Lagerfelds Worte in den Ohren klingeln, dass er (seine) Archive immer gehasst und nie einen Blick zurück verschwendet habe. Eigentlich gut.

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Nebenbei auch ein Glas und eine Tasse wiedergefunden, die mir ein guter Freund geschenkt hat, nachdem wir 1997 eine kurze Zeit gemeinsam in Dänemark verbracht haben. Ich habe sie gestern gefunden und heute, einen Tag später, habe ich zufälligerweise ein Brief von ihm bekommen. Mit einer sehr traurigen Nachricht: Sein Vater ist gestorben. Das hat mich sehr berührt. Vielleicht, weil ich auch zwei Tage im Gestern unterwegs war. Warum manchmal Dinge passieren oder sich tiefe Eindrücke bilden wie im Inneren eines Wirbelsturms, während andere Tage wie kleine Wölkchen vor sich hin schweben, wird mir immer ein Rätsel bleiben.

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Bin, was meine Schulsachen und Klassenarbeiten angeht, ein bisschen überrascht, wie ordentlich ich damals geschrieben habe. Ich weiß, dass ich dieses Schönschreiben mit meinem Vater üben musste, und ich war nicht der größte Fan davon – sicher eine der Sachen, für die man, um sie zu schätzen, älter werden musste. Es ist eigentlich schade, dass man heutzutage kaum noch mit der Hand schreibt. Es ist natürlich auch leichter, Notizen wie diese einfach in sein Smartphone zu sprechen, anstatt sie erst mit der Hand zu schreiben und dann noch einmal abzutippen. Vielleicht sollte ich mal diese digitalen Stifte ausprobieren. Habe überhaupt keinen Schimmer, wie sich das anfühlt …

Würde! Ich, Anders, machen

Immer noch an Krücken, vielleicht die letzte Woche. Merke, wie mir der Sport fehlt, wie ich es vermisse, einfach eine Tasse Kaffee von A nach B zu tragen, ohne die Hälfte zu verschütten, wie mir langsam die Decke auf den Kopf fällt.

Die allgemeine Ruhe führt allerdings auch zu guten Gedanken. Ideen. Sätzen. Lese auch mehr als sonst. Habe im Moment große Freude an so kleinen Gedichten:

die Natur
der Dinge
zurück

erobert
ein Tautropfen
mit Gedächtnisschwund

Und ich bin am Wochenende mal wieder durch meine Fotos gegangen. Habe im letzten Jahr immer mal wieder tote Tiere fotografiert, vor allem auf der Straße. Weil mich das berührt. Weil der Mensch da rücksichtslos alles platt fährt, aber auch weil die Tiere dann einfach so liegen gelassen werden. Und weil ich festgestellt habe, dass man den Tieren durch den richtigen Blickwinkel und den passenden Ausschnitt etwas von ihrer Würde zurückgeben kann.

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Teil-Belastung.

Teil-Belastung. Belaste meinen kaputten Fuß nur teilweise. Mit einem Druck, der ungefähr 20 Kilogramm entspricht. Weil er, der Fuß, der vollen Belastung womöglich noch nicht standhält. Frage mich, ob das nicht auch auf andere Körperteile übertragen werden kann; dass man zeitweise vielleicht auch sein Gehirn oder sein Herz teilbelastet, vielleicht sogar unbewusst, ganz ohne ärztliche Anweisung. Weil auch alles andere dem Druck manchmal nicht standhält!?

Ach, was weiß ich? Konnte ja nicht einmal das Kreuzworträtsel in der BUNTEN lösen. Da waren echt ganz schwierige Fragen drin: Fluss in Schottland mit X Buchstaben? Wie in den alten Kreuzworträtseln meiner Oma. Und im Internet nachgucken, mache ich nicht. Mut zur Lücke. Das Rätsel in der MOPO ging dann aber ganz gut, hat mein Ziehsohn gemacht. Und ich habe ihm geholfen, wenn er nicht weiterwusste.

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Ich war mal ganz schlau. So vor 20 Jahren. Jetzt lese ich und recherchiere wirklich interessante Themen, vergesse die Hälfte jedoch sogleich wieder. Hab mir früher allerdings auch immer Notizen gemacht und diese dann bis zum Erbrechen „studiert“. Deswegen heißt es ja auch Studium.

Habe gerade eben das neue Buch von Karen Köhler durchgelesen: Miroloi. Es erscheint erst am 19. August, aber wir haben es jetzt schon bekommen, weil die Autorin demnächst bei den Alphabeten zu Gast ist. Ich bin mir nicht sicher, ob es noch eine Sperrfrist gibt, deswegen will ich gar nicht zuviel verraten.

Nur soviel: Die kreative Arbeit mit der Sprache gefällt mir sehr. Die Wortschöpfungen und Satzkonstruktionen. Ich sammele ja immer „gute Sätze“ oder gute Passagen, um sie dann im Interview auch mit den Autoren und Autorinnen zu besprechen, und diese guten Sätze lese ich, wenn ich beim Lesen des Buches drüber stolpere, immer sogleich mit der Sprachfunktion des Smartphones ein, das geht am schnellsten. Und bei vielen guten Sätzen in diesem Buch von Karen Köhler kapituliert diese Funktion, weil der Computer die Worte nicht kennt und er sich auch nicht vorstellen kann, dass sich jemand solche Worte ausdenkt und schreibt. Und das, glaube ich, ist ein schönes Kompliment.

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Parallel habe ich abends, wenn ich mit meiner Freundin beim Pferd war (damit mir zuhause nicht die Decke auf den Kopf fällt), in einem anderen kleinen Buch gelesen, das ich in letzter Zeit immer in der Tasche mit mir herum trage: Die Herzlichkeit der Vernunft, Gespräche zwischen Ferdinand von Schirach und Alexander Kluge. Kluge-Gespräche, wenn man so will. An einer Stelle fragt der Jurist und Schriftsteller Kluge den Juristen und Schriftsteller von Schirach, wann er denn vom Juristen zum Schriftsteller gewechselt sei. Und von Schirach erzählt erstmal von den Gemeinsamkeiten der Gewerke, dass nämlich der Verteidiger auch immer dem Richter einer Geschichte erzählen müsse, die dem Richter den Angeklagten näher bringt und menschlicher macht, um so womöglich das Urteil zu mildern. Und am Ende kommt er zu der Erkenntnis: „Der Leser ist, wenn Sie so wollen, der Richter des Schriftstellers.“

Wenn das nicht utopisch und völlig verfehlt wäre, müsste man die Menschen eigentlich zwingen, dieses kluge Büchlein zu lesen.
Du bist wie ein Gürtel
der mich zusammenhält
ein Mitbringsel
von unterwegs
aus kostbarem

fast verbotenem
Material
reingeschmuggelt
hab ich Dich
und jetzt die Angst

abzunehmen