Bin ziemlich beeindruckt von dieser neuen Rechtsstaat-Kampagne der Regierung. Ja, vielleicht ist das der Unterschied zu 1933; dass der Staat gerade spürt, dass er sich vor einer erneuten „Machtergreifung“ aktiv schützen muss. Peter Maxwill hat dazu ein paar Gedanken bei SPIEGEL Online geteilt; dass das natürlich ambivalent zu bewerten ist, dass der Staat offenbar nun schon für Selbstverständlichkeiten werben muss. Ein Alarmzeichen und ein Glücksfall zugleich, ja, aber vielleicht stehen sich die Bürger dieses Landes tatsächlich irgendwann in zwei Lagern gegenüber: die Demokraten gegen die Anti-Demokraten. Dann ist es gut, wenn die Demokraten vorher in großem Stil für die Demokratie geworben haben. Ich meine, ständig ist Hamburgs Innenstadt mit Plakaten für AfD-Veranstaltungen zugepflastert. Wirklich, ich spüre langsam eine deutliche Abwehrhaltung gegen die Farbe blau …
Meine Freundin war ein paar Tage auf Dreh. Habe daher abends ein bisschen aus Langeweile angefangen, in der Mediathek „Ohne Schnitzel geht es nicht“ zu gucken, eine WDR-Serie mit Günther (Armin Rohde) und Wolfgang (Ludger Pistor). Locker, lustig und trotzdem mit kritischem Blick auf Ungerechtigkeiten unserer Hartz-IV-Gesellschaft. Sehr gelungen. In der ersten Folge hatte Werner Hansch einen Gastauftritt. Den habe ich vor Jahrzehnten mal interviewt, als ich (als Student) regelmäßig eine Radiosendung für den SC Preußen Münster redaktionell betreut habe, da war er nämlich als Stadionsprecher beim Benefiz-Spiel einer Preußen-Traditionself gegen die Uwe Seeler-Traditionself zu Gast, und ich weiß noch, wie ich ihn (etwas naiv) gefragt habe, wie ihm beim Kommentieren so schnell immer die „flotten Sprüche“ einfallen würden, und er fast unwirsch wurde, dass seien keine „flotten Sprüche“, sondern „Sprachbilder“ … aha! Und kurz darauf in Folge 1 die Bierbrauerei, der Raum mit den großen Kupferkesseln, wo Günther und Wolfgang mit dem Juniorchef über eine Werbekampagne verhandeln, die kam mir auch bekannt vor. Das war, glaube ich, in der Sünner-Brauerei in Köln-Kalk. Da habe ich mal für arte gedreht. Will sagen, ich habe schon einiges gesehen und erlebt und manchmal denke ich, das Interessanteste, was ich eigentlich zu erzählen habe, ist das, was ich wirklich erlebt habe. Peter Maxwill, der – bereits oben erwähnte – Kollege von SPIEGEL-Online macht das so. Der fährt im Land herum und schreibt darüber und macht dann ein Buch daraus. Da hinke ich meiner Zeit hinterher.
Der Kollege Stuertz von den Alphabeten übt gerade für seine Frühjahrstournee, so eine Mischung aus Musik/Konzert und Lesung in einem, das habe ich mit Jugendstil schon vor über 15 Jahren gemacht, hat damals nur keinen interessiert. Wobei man zugeben muss, dass die Verbindung zwischen Geschichte und Musik bei ihm natürlich noch viel enger ist. War auch zur öffentlichen Probe eingeladen, hatte aber keine Zeit … der Job! Bin jedenfalls sehr gespannt aufs Ergebnis und wünsche ihm natürlich alles Beste. Was ich sagen will, ist: Damals war ich mit meiner Kunst jedenfalls mal meiner Zeit voraus.
Übrigens, ganz interessant: Die aktuelle BUNTE(!) schreibt über den SPIEGEL: eine Story zu der Relotius-Geschichte, bzw. zu dem Buch, was der Kollege Juan Moreno über die Zeit, als er Relotius bei den SPIEGEL-Vorgesetzten anschwärzen und dann beweisen musste, dass er (Relotius) bei seinen Reportagen unsauber gearbeitet hatte. Und die Vorgesetzten (die ich auch kenne mir deren Reaktion auch vorstellen kann) Moreno anfangs nicht geglaubt haben und Moreno sie nach und nach überzeugen musste, sich die Arbeiten des hochgelobten und mehrfach ausgezeichneten Kollegen mal genauer anzugucken …
Ich werde mir das Enthüllungsbuch wahrscheinlich nicht kaufen. Ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, ob man darüber unbedingt ein Buch schreiben muss (auch wenn das natürlich nicht hoch genug zu bewerten ist, dass Moreno diesen Fall aufgedeckt hat), aber, klar, der Vorschuss wird okay gewesen sein, und das wird jetzt verfilmt, und Moreno ist für den Rest seines Lebens der Experte für diese Geschichte. Ich bin gespannt, wieviel Licht Morenos Sicht der Dinge nachträglich nochmal auf die (zumindest früher) z.T. recht festgefahrene Arbeitsweise beim SPIEGEL wirft. Ich selbst habe ja den Eindruck, dass das Haus aktuell wirklich versucht, sich neu zu erfinden, auch wenn es ein bisschen überfällig ist. Aber Morenos Buch könnte schon nochmal ein leichtes Nachbeben verursachen.
Ansonsten?
Erstes Training gemacht. Knöchel hat gehalten. Was er versprochen hat.
Der Doktor ;-)
War Freitagabend auch schon wieder beim Auswärtsspiel mit dabei. Allerdings nur als Coach an der Seitenlinie. Haben zum fünften Mal hintereinander verloren, und alle waren nach dem Spiel entsprechend geknickt. Habe spontan eine kleine Motivationsrede gehalten: Dass es keinen Grund gibt, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken. Wir hatten auch nicht schlecht gespielt, und es war von vornherein klar, dass die erste Saison in der Verbandsliga hart werden würde. Und dass wir dieses Abenteuer auch genießen sollten, so ein bisschen wie Union Berlin, d.h. genießen und kämpfen und ab und an den Gegner überraschen. Werde auf jeden Fall versuchen, am 20. Oktober mein Comeback zu geben und mit gutem Beispiel voranzugehen.
Und? Finde ich diese vorherbstlichen „Schmuddelsonntage“, wenn man nichts vorhat und nicht raus muss, eigentlich ganz gemütlich. Obdachlosigkeit und Wohnungsnot sind auch zwei Themen, die die Regierung mal richtig angehen sollte. Dann müsste man auch weniger Angst vor den Populisten haben.