Nacht der Kirchen

Das war berauschend schön gestern. Also, das Singen war doch ein klitzekleines Bisschen raus aus der Komfortzone, zumal diese Wahnsinns-Akustik in der Kirche auch nichts verzeiht, aber der ganze Rest, das ganze Drumherum – die Passagen aus dem Buch und die Songs haben gut zusammengepasst, meine Frau, die da war, meine Familie, mein Verleger Jan Billhardt von mta, dazu ein paar andere besondere Menschen (Andreas Moster, meine Kollegin Grit und Volker, mein Trainer) und natürlich die überragende musikalische Begleitung von Ninon Gloger – haben die Nacht der Kirchen 2024 für mich wirklich zu einer ganz besonderen Nacht gemacht.

Es war schon so, dass ich kurz vorher dachte, warum machst du das alles (diese TrueCrime-Aufzeichnung letzten Samstag war ja auch schon haarig), du könntest jetzt auch einfach auf der Couch liegen und Fußball gucken, aber im Nachhinein ist es natürlich genau richtig. Nicht so sehr, weil ich unbedingt auf der Bühne stehen muss, sondern weil die Reaktionen danach eine schöne Bestätigung für mein Schreiben sind und auch immer ein paar Leute das Buch kaufen, weil es sie berührt, angesprochen oder interessiert hat, wie es weitergeht. Und diese LeserInnen würde ich als Indie-Autor sonst eben nie erreichen.

Wobei ich es schon genieße zu singen, also ich singe halt gern (kennt ihr ja wahrscheinlich – unter der Dusche, im Auto, Karaoke etc.), vor allem, wenn jemand mitmusiziert, der das kann und auch dafür brennt. Insofern, ja, ich gehe da immer ein gewisses Risiko ein, aber es hält auch immer jemand eine schützende Hand über mich.

Der Clou – wir haben als Zugabe etwas überraschend ein Stück gespielt, das ich vor über 20 Jahren mal geschrieben und auf die CD-Beilage meines Debut-Romans „Jugendstil“ (die Kombination aus Roman & Musik/Hörbuch in einem war damals tatsächlich noch was Neues) gepackt habe, im Original damals schon fett produziert von meinem alten Freund Stephan Gudze Hinz, dem musikalischen Mastermind der H-Blockx, und gestern relativ spontan umarrangiert von der wunderbaren Ninon Gloger. Und auch wenn ich in der ersten Bridge feststellen musste, dass ich mit 30 doch noch ein Stückchen höher singen konnte als heute, hat es mich doch ziemlich berührt, dass wir das alte „Stück“ nochmal an- und ausgepackt haben. Unfassbar eigentlich.

240921

Alles da …

Habe die ganze Woche noch ein wenig die Anspannung und Anstrengung der Aufzeichnung gespürt, ging aber, glaube ich, dem ganzen Team so. Hatte das schon geahnt, dass ich mich etwas durch die Woche dosieren muss, ist aber gut gegangen.

Heute Abend nochmal volle Konzentration und Leidenschaft in der St. Gertrud Kirche, bin sehr gespannt und freue mich, bin auch etwas erleichtert, dass da noch andere KünstlerInnen auftreten, weil parallel das Reeperbahn-Festival läuft und natürlich bei so schönem Wetter die Leute auch gerne einfach irgendwo draußen sitzen und zum letzten Mal in diesem Jahr einen schönen, sonnigen Abend genießen.

Ich hab gestern Abend nach der Arbeit nochmal kurz mit Ninon Gloger geprobt, der Pianistin, und das ist immer wieder bemerkenswert, wie diese Profi-MusikerInnen – und ich konnte das ja auch schon ein paar Mal im Frühjahr beobachten – ihr Handwerk beherrschen. Wie Ninon alles, was sie sich letztes Mal notiert hatte, ohne dass ich es mitbekommen hätte, schon parat und drauf hatte. Und natürlich die Art und Weise, wie diese KünstlerInnen über Musik sprechen. Ich wollte ihr gestern erklären, für mich wäre beim Soundcheck wichtig, dass wir das so einstellen, dass ich nicht so schreien bzw. die hohen Töne (Lindenberg singt tatsächlich sehr hoch, obwohl man irgendwie denkt, der kann GAR NICHT singen, der ist doch Trommler – insofern sind wir uns da gar nicht so unähnlich ;-) nicht so herausquetschen muss, also sagte ich: „Wichtig ist, dass wir das so einstellen, dass ich …“ und suchte dann aber noch nach den richtigen Worten, da sagte sie schon: „… modulieren kann!?“ – und das traf es natürlich auf den Punkt.

Also, ja, ich bin ein bisschen nervös und gurgele schon wieder abwechselnd mit Salviathymol und Kamillentee, aber spätestens nach dem Soundcheck kommt da noch ein kleines Beruhigungsbier drauf – und dann geht das.

Es macht tatsächlich auch immer noch Spaß, in meinem kleinen unbedeutenden Roman zu lesen und mich auf solche Abende vorzubereiten. Vielleicht hilft es ja, noch ein paar Exemplare unters Volk zu bringen …

240915

Überall tobt das Wetter, und ausgerechnet Hamburg begeistert die Menschen mit sonnigen Bilderbuch-Spätsommer-Tagen.

Bin sehr dankbar für die reichen Tage, die wir gerade verleben. Zwar anstrengend und voll, zugleich aber auch kreativ, intensiv, produktiv und dadurch, dass so viel anliegt, ständig im Austausch mit immer wieder neuen Menschen.

Jobmäßig gipfelten gestern meine ersten vier Wochen im SPIEGEL TV-Digitalbereich in einer sehr intensiven Aufzeichnung, den ganzen Samstag, 3 Folgen True Crime-Talk zum Thema „Jack Unterweger“ – das GästInnen-LineUp bestmöglich: unsere ehemalige SPIEGEL TV-USA-Korrespondentin Dr. Karin Assmann, die Unterweger 1992 in Miami interviewt hat, und der Gerichtsgutacher von Unterweger 1994, Professor Reinhard Haller, wirklich DER Unterweger-Experte, wenn man über Jacks dunkle Seele sprechen will. Wir haben Karins altes Interview auszugsweise gezeigt und mit beiden drüber gesprochen, journalistisch und forensisch-psychiatrisch.

Das Verrückte – und auch Reizvolle – an der Produktion war, dass alles von uns ein bisschen guerillamäßig, aber zugleich sehr liebevoll vorbereitet wurde, wie man auf den Fotos sicher auch erkennen kann. Statt in ein Hochglanz-Studio zu gehen, haben wir kurzerhand den Lager-Keller unserer Herstellung entrümpelt und hergerichtet. Mit viel eigener Muskelkraft (bin wirklich fertig heute) und viel spontaner Unterstützung meiner KollegInnen.

Dann gab es noch ein paar Herausforderungen; die größte war, dass meine eigentlich angedachte Co-Moderatorin plötzlich krank wurde und meine Frau eingesprungen ist. Das war alles nicht „ohne“, in vielerlei Hinsicht, aber, egal, was aus dieser ersten Serie wird, es wird am Ende für uns beide eine (weitere) tolle, gemeinsame Erinnerung sein, von der wir noch unseren EnkelInnen erzählen werden.

Ich vertraue dieser Frau, die nebenbei noch ihr Leben mit mir teilt, wirklich blind, und ich wusste – bei aller Aufregung – dass da nichts fundamental schief laufen wird. Aber natürlich war es ungewohnt für mich, selbst zu moderieren, vor allem vor laufender Kamera – ich kenne das ja bislang nur vom Alphabeten-Podcast mit dem Stuertz. Und, ja, wir werden im Schnitt noch einiges basteln müssen, aber unterm Strich hat alles geklappt, das war vor drei Wochen noch nicht unbedingt abzusehen.

Nebenbei bereite ich mich – so effektiv, wie es nur geht – auf zwei musikalische Lesungen vor: Lesung aus Eben noch Eden – und Songs von Udo Lindenberg. Jetzt am 21. September, im Rahmen der Nacht der Kirchen, begleitet von der Pianistin Ninon Gloger, und am 09. November(!) in Münster, im Vorprogramm der „Wilde Jahre“-Party von Michael Knüfer, supported von meinem alten Band-Kollegen Pascal Cherouny.

Mit Ninon habe ich letzte Woche Freitag einmal geprobt (nach der Keller-Entrümpelung bei der Arbeit), in ihrem Wohnzimmer in Lübeck, und auch da muss ich sagen, war das gar nicht so einfach, gegenüber dieser begabten Profi-Pianistin, die gerade von einer Tour mit Charly Hübner kam, einfach wie so ein Schuljunge zum Vorsingen anzutreten – ich meine, ich weiß wirklich nicht, warum ich ständig meine Komfort-Zone verlasse, aber es geht ja doch immer um Dinge, die ich liebe. Und es sind ja auch immer Begegnungen mit interessanten Menschen. Ich glaube, wenn ich das einfach öfter machen könnte (moderieren, singen etc.) – dann würde es mich vielleicht auch nicht mehr so stressen.

Aber es ist ein schöner Stress – und Stillstand der Tod. Und der lauert hinter jeder Ecke.