Kinder, Kinder

Schlag-Worte einer neuen Zeit:

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Staatliche Überwachung
von radikalisierten Kindern
Klimawandel-Lüge

In Seoul dürfen die Kinder wegen der schlechten Luft nicht mehr draußen spielen. Das ist wie in dem Greenpeace-Spot, der uns damals utopisch vorkam. Damals ging es um das Ozonloch, nicht um Smog, aber unterm Strich geht es doch wohl um die Umwelt. Die Atmosphäre, in der wir leben, wenn man so möchte. Das Klima. Ein bisschen schräg, dass diese beiden Begriffe Atmosphäre und Klima so doppeldeutig nutzbar sind, um unser Wohlbefinden zu beschreiben. Arbeitsklima, vergiftete Atmosphäre unter den Kollegen, alles harmlos im Vergleich zum großen Ganzen …

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Schaut Euch den Spot nochmal an: Wenn man auf diesen Link klickt, kommt man auf die Greenpeace-Seite: greenpeacevideos Dann muss man Ozon Fussball in die Suchmaske eingeben und kommt zu dem Clip. Die Beschreibung bei Greenpeace: Die Story spielt in der Zukunft: Eine Oma erzählt ihrem Enkel von früher während er sich einen silbernen „Raumanzug“ überzieht, einen Schutzanzug, der vor den schädlichen UV-Strahlen schützt. Der Junge öffnet die Tür, durch die grelles Sonnenlicht dringt. Er spielt mit zwei anderen Kindern, die ebenfalls einen Schutzanzug tragen, Fußball in einer mondähnlichen Landschaft.

Bedrückend. Und nochmal: Der Spot spielte damals in der Zukunft. Man möchte auflösend anmerken: Heute. Jeder, der nun unsere Kinder rügt, dass sie für eine bessere Klimapolitik auf die Straße gehen, anstatt zur Schule, sollte man durch die Straßen Seouls jagen. Ohne Atemschutzmaske, versteht sich.

Ansonsten? Habe ich ja im letzten Eintrag (siehe www.anders-blog.de/?p=6389) geschrieben, dass ich den Eindruck hatte, Stern Reporter Gerd Heidemann wollte mir Ende 2017 die Tonbänder zum Hitler-Tagebuch-Skandal anbieten, um noch einmal (aus Heidemanns Sicht) „richtig“ über die Sache zu berichten. Offenbar hatte er nach mir noch einen Kollegen von der ZEIT zu Besuch – der schildert das ähnlich. Auch die Tatsache, dass Heidemann einen Käufer für das Archiv suche, habe ich ebenfalls beobachtet: Die ZEIT bei Heidemann Was mich ein bisschen wundert, ist, dass sowohl der ZEIT-Kollege als auch die STERN-Mitarbeiter, die nun den Faking Hitler-Podcast gemacht haben, so wenig auf das Archiv eingehen …

Fa Kings

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US-Sonderermittler Robert Mueller hat nach fast zwei Jahren seinen Abschlussbericht über die Russland-Affäre vorgelegt. Erstes Fazit: Eine Anklage gegen Trump bleibt aus. Aber: Moskau hat sich in beispielloser Weise in den US-Wahlkampf eingemischt. Interessant, wie klar Unklarheit sein kann. Oder andersherum. Hab die Einzelheiten und Reaktionen heute morgen in der Süddeutschen gelesen. Da kommt einem das Frühstück gleich wieder hoch.

Wer lügt? Wer sagt die Wahrheit? Und was ist überhaupt die „Wahrheit“? Die große Frage der Menschheitsgeschichte, die uns immer wieder im kleinen Privaten, aber auch im großen Stil beschäftigt. Höre gerade mit großer Freude den Stern-Podcast „Faking Hitler“. Thema: die Hitler-Tagebücher, die der Stern damals präsentierte – und die sich kurz darauf als Fälschungen erwiesen. Einer der Hauptdarsteller: Stern Reporter Gerd Heidemann. Meine Söhne würden sagen, ich „suchte den Podcast durch“. Stimmt. Liegt aber auch daran, dass ich, kurz bevor die Kollegen des Stern mit der Produktion des Podcasts begonnen haben müssen, noch wegen einer ganz anderen Geschichte bei Heidemann in dessen Privatarchiv war.

Der Besuch

Foto und Nachbemerkung

Heidemann sagte mir damals, man müsse sich seine Aufnahmen von seinen Gesprächen mit dem Fälscher Kujau noch einmal in Ruhe anhören. Er hätte die Kassetten ja alle noch. Ich glaube, es war ein Angebot. Nun war ich gar nicht in der Position, da zuzuschlagen, aber trotzdem – genau das hat der Stern eben dann gemacht.

Tolles Projekt. Bin jetzt mit Folge 7 fertig, drei kommen also noch. Bin sehr gespannt, ob sie nochmal genauer darauf eingehen, wo die 9 Millionen geblieben sind. Ich habe da ja meine eigene Theorie, aber sowas kann man, glaube ich, nicht so einfach behaupten, ohne mit juristischen Konsequenzen rechnen zu müssen.

Ansonsten? Hat Kollege Stuertz von den Alphabeten die Buchmesse in Leipzig dafür genutzt, um weitere interessante Autor*Innen ins Podcast-Studio einzuladen. Hätte gerne mitgefeiert, aber der Job ruft. Um Hilfe. Wie bereits erwähnt, darf ich mich nach dem Erfolg meiner kleinen ZDF History-Doku über das „Geheime Paris“ nun um das „Geheime Rom“ kümmern. Lese dafür gerade einige alternative Reiseführer quer, u.a. einen kurzweiligen, schön gestalteten von Stefan Ulrich, den ich nur empfehlen kann.

Und da schließt sich der Kreis. Habe darin heute nämlich eine kleine Geschichte über das ehemalige jüdische Ghetto in Rom gelesen. Und während der Stern-Podcast „Faking Hitler“, dieses beinahe tragikomische Mediendrama, dazu führt, dass man die Schrecken des Dritten Reiches eher ausblendet, war es ganz „heilsam“, heute dann nochmal eine Geschichte zu lesen, die die ganze Grausamkeit, Kaltblütigkeit und Unmenschlichkeit der Nazis verdeutlicht.

Ich fasse mal zusammen: Im Juli 1943 wird Mussolini gestürzt. Im September kapituliert Deutschlands Verbündeter Italien und wechselt auf die Seite der Alliierten. Daraufhin besetzt die Wehrmacht den italienischen Norden, einschließlich Rom. Der dortige SS-Kommandant Herbert Kappler bietet den Juden der Stadt an, sich gegen die Zahlung von 50 Kilogramm Gold von einer Deportation freizukaufen. Die römischen Juden zahlen. Trotzdem überfallen hunderte SS-Männer an einem Samstagmorgen im Oktober das jüdische Viertel und treiben die Menschen auf der Straße zusammen. Über eintausend Juden werden nach Auschwitz gebracht, von denen lediglich fünfzehn(!) irgendwann zurückkehren.

Wie kann man sowas vergessen (wollen)?

Und da schließt sich ein weiterer Kreis: Es ist genau diese Faszination an der Figur Hitlers, scheinbar abgekoppelt von den grausamen Taten der Nazis, die mich bei Menschen wie Heidemann, der sich ja nicht nur für die Tagebücher interessiert hat, misstrauisch macht. Insofern ist es wahrscheinlich gut, dass ich damals die Finger davon gelassen habe. Zwar habe ich sein Archiv, aufgrund des Bestandes und des langen Gespräches, damals ziemlich beeindruckt verlassen, aber eigentlich wollte ich das gar nicht. Und wenn man ihm nun hilft, das auszuwerten, ist es womöglich schwer, die nötige Distanz zu wahren. Immerhin wäre ich mir zumindest der Gefahr bewusst.

Und: Hab am Wochenende schon ein paar Blumen geschrieben. Und ein Gedicht gepflanzt:

Die Sonne und ich sind alte Freunde
Sie kennt mich länger
Als ich sie
Das erste Mal bewusst wahrnahm
War ich geblendet
Seitdem sind wir uns gewogen

Ab und zu gehen wir spazieren
Und später einen Trinken
Sie muss immer früh nach Hause
Der Mond wartet nicht ewig
Auf sie
Ist Verlass

Er ledigt

alles erledigt

Alles erledigt. Schön, wenn es wenigstens mein Mail-Programm zu schätzen weiß. Anstatt kreativ im Schnitt zu sitzen, zu brainstormen oder konzentriert zu recherchieren, bin ich heute seit langem mal wieder den ganzen Tag von einem Termin zum nächsten gehopst. Liegt daran, dass ich dieses Jahr – neben meiner Funktion als Autor – zwei andere Projekte leiten soll. Da muss ich mich erstmal dran gewöhnen. Ich mag diese kreativen Zwischenzeiten ja eigentlich, weil man da regenerieren und neue Ideen entwickeln kann. Aber offenbar rechnet sich das für meinen Arbeitgeber nicht. Haha.

Früher (und vereinzelt gibt es die heute auch noch) war ein Reporter ja so eine Art Spürhund. Der auch mal Zeit brauchte, guten Geschichten nachzuspüren. Mal etwas zu probieren. Komme darauf, weil ich heute morgen im Auto die erste Folge des STERN-Podcasts über die Hitler-Tagebücher gehört habe: Faking Hitler. Fand ich ganz gut. Ehrlicherweise kann man mit dem Material aber auch nicht viel falsch machen: die Original-Tonbänder von Gerd Heidemann, dem Reporter damals, der meinte, die echten Tagebücher von Adolf Hitler gefunden zu haben.

Ich war ja vor kurzem auf Heidemanns Einladung in dessen Privatarchiv in Hamburg. Da steht ja noch viel, viel, viel mehr, was eigentlich mal gründlich ausgewertet werden müsste.

Andererseits ist Heidemann auch eine ambivalente Figur, aber sicher über Jahre ein krasser Reporter der alten Schule gewesen, mit allen Nachteilen. Was für ein Geistesblitz von ihm, damals von Anfang an alle Telefonate mit Kujau mitzuschneiden. Klar, gab ja auch keine Emails, die man hätte aufbewahren können. Und aus der Perspektive ist es dann schon cool, diese Gespräche mit dem Wissen darum, was später passierte, jetzt 1:1 zu hören. Sehr empfehlenswert. Höre gleich auf dem Nachhauseweg Folge 2.

Lach- und Sach-Geschichten 2.0

Flüchtigkeitsfehler, aber trotzdem lustig: Die BILD-Zeitung verwechselt die Kaulitz-Brüder. Oder habe ich was verpasst?

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Und? Wer es noch nicht mitbekommen hat: Der lange, laaaaaaange angekündigte Podcast der Alphabeten ist seit kurzem endlich online. Ab heute im Programm: Die zweite Folge unseres Interviews mit dem Texter und Galeristen Christian Pfaff. Viel Vergnügen!

Ich möchte das nicht.

Der AfD-Landtagsabgeordnete Harald Laatsch ist sich nicht zu doof, die „Klimapanikverbreiter“ als mitverantwortlich für das Attentat in Neuseeland zu bezeichnen. Seinen Tweet versieht er mit dem Hashtag Greta Thunberg. Ich möchte das nicht.

Eine wichtige Zeugin im Prozess gegen Silvio Berlusconi (Stichwort: Bunga-Bunga-Partys) kommt unter mysteriösen Umständen ums Leben. Wurde sie womöglich mit radioaktiven Substanzen vergiftet? Ich möchte das nicht.

Julian Reichelt, Matthias Matussek … Ich möchte das nicht.

Nach meiner ZDF-History Doku über das „geheime Paris“ heute mal in Sachen „geheimes Rom“ recherchiert. Prompt bekam ich auf einem anderen Tab zur selben Zeit Werbung für Rom-Reisen angezeigt. Ich möchte das nicht.

Und als wäre all das nicht genug, trennen sich Thomas und Thea Gottschalk nach über 40 Jahren Ehe. Ich möchte das nicht.

Ein Lichtblick: Die neue Platte von Stephen Malkmus.

Freue mich auf zuhause.

Eng-Land

Verhüllt, aber dennoch erkennbar ...
Verhüllt, aber dennoch erkennbar …

Heute ist der letzte Tag unseres kleinen England-Abenteuers. London, Liverpool, Blackpool und Morecambe waren schon sehr gelungen, jetzt hausen wir in einem kleinen Airbnb-Appartement in Manchester und erleben weiterhin England pur. Die Idee, mal zu zweit zu fahren, ist aufgegangen. Alles sehr intensiv, gleichzeitig aber auch sehr leicht. Wir haben viel unternommen. Viel gequatscht. Viel Quatsch gemacht. Hätte sicherlich jeden Tag etwas schreiben können, aber ich habe mir vorgenommen, nicht zu sehr in „Produktion“ zu denken, sondern in Gedanken in erster Linie bei meinem Sohn zu sein. Jetzt schläft er noch, und ich nutze die Zeit, um ein paar Gedanken festzuhalten, vor allem für mich.

Zu Beginn muss ich einmal feststellen, wie leicht und unproblematisch es ist, mit ihm jetzt schon über eine Woche ein Zimmer zu teilen. Keine Scham, keine Scheu, kein Generve. Dann ist es wirklich auffällig, wie nett und hilfsbereit die Engländer sind, egal, ob dieser Typ im College in Morecambe, der uns genau gesagt hat, wo wir Fußballspielen gehen können, die Pensionsbesitzerin im selben Ort, die – ohne Wenn und Aber – unsere Sportsachen gewaschen hat, die alte Frau am Ticketschalter der Tram gestern oder die junge Frau an der Kinokasse. Alle! Ich versuche schon, meinem Sohn mitzugeben, dass man sich als Gast in einem Land respektvoll verhält und auf die Menschen zugeht. Er merkt, wie nett die Reaktionen sind, wenn einem das gelingt. Haben der Pensionsbesitzerin, die unsere Wäsche gewaschen hat, noch ein paar Pralinen gekauft, einfach nur als Geste. Mich beschleicht ohnehin immer das Gefühl, als Botschafter meines Landes unterwegs zu sein. Bin aber, wie gesagt, trotzdem ziemlich erstaunt, wie freundlich hier alle sind, obwohl offenkundig ist, wo wir herkommen.

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Wir sind oft unter Leuten gewesen, jeder Tag hielt ein kleines (oder großes) Highlight bereit. Eine Mischung aus Pop und Fußball. Waren in London im Beatles-Museum, in Liverpool bei einem Spiel an der Anfield-Road, und in Morecambe haben wir uns noch ein Spiel der vierten englischen Liga angesehen – Hammerstimmung. Allerdings ist es jetzt im März doch noch ziemlich kalt. Hatte extra keine dicke Jacke mitgenommen, weil ich beim Gepäck Platz sparen wollte und dachte, die Windjacke reicht. Aber der Sturm fegt einem hier echt die Mimik aus dem Gesicht. Habe für den Stadionbesuch sogar meine Rücken-Not-Wärmegürtel geopfert, damit wir zumindest beide einen warmen Rücken hatten.

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Hier in Manchester waren wir im National Football Museum, gemeinsam mit einem Haufen Schalke-Fans, denen die harte Niederlage gegen City noch sichtlich in den Knochen steckte. Muss sagen, mir ging es am nächsten Tag nicht anders. Ich meine, es war natürlich cool, hier, im Land des (sportlich gesprochen) Gegners, das Spiel Bayern-Liverpool zu gucken, aber leider hat uns der Spieler, den wir am Sonntag im Stadion noch so bewundert haben (Virgil van Dijk), die Lichter ausgeknipst. Und Bayern war halt zu harmlos. Und Neuer? Jetzt würde ich auch sagen, dass Ter Stegen ins Tor der Nationalelf gehört. Es sind immer diese kleinen Fehler, mit denen sich die Bayern letztes Jahr schon um den Lohn gebracht haben. Warum machen die das? Aber, wie gesagt, man muss es eben auch vorne zeigen, dass man will – so wie Barca. Oder (leider auch) Juve. Es ist schon erstaunlich, dass alle deutschen Spieler um die 30 plötzlich zu alt, Ronaldo und Messi aber nach wie vor spielentscheidende Akteure sind. Das muss mir auch mal einer erklären. Auf SPON hat Jörn Meyn übrigens genau das geschrieben, was ich meinem Sohn schon abends zuvor während des Spiels gesagt habe: zwei EX-Schalker prägen mit ihren Fehlern die erste Halbzeit. Zufall? Sicher nicht.

Uns fällt aber auch auf, wie hier alles etwas runtergekommen erscheint („downgecomed“, wie mein Sohn es scherzhaft nennt). Vor allem die Seeorte, wobei das auch daran liegen kann, dass noch Nebensaison ist. In Blackpool, zum Beispiel, macht alles (die große Kirmes, die Hafenpromenade, der hohe Turm) erst im April auf. Ja, es ist wirklich etwas tot. Für die Fotos allerdings ein ganz guter Effekt ;-)

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Hinzu kommen die vielen verlassenen Häuser und der Müll. Ehrlich, dieser Müll überall trübt das Bild. Auch die Menschen sind ein bisschen gezeichnet, vor allem die Alten. Und man kann das natürlich alles auch gar nicht wahrnehmen, ohne an den Brexit zu denken. Ich würde es so formulieren: Man macht sich beim Anblick von Land und Leuten ein wenig Sorgen. Aber genau aus diesem Grund verstehe ich auch, dass viele Menschen hier davon überzeugt sind, dass es ohne Europa besser wird. Weil viel schlechter kann es ja augenscheinlich nicht werden. Politik ist wie Fußball: Im Grunde ganz einfach, aber es spielen viele Tausendstel eine Rolle, um in dem einen Moment zum Erfolg zu kommen.

Wenn wir mit unserem kleinen Miet-Astra (gar nicht so einfach: Linksverkehr, das Steuer rechts, dafür mit Links schalten) unterwegs sind, hören wir immer „Die kurze Weltgeschichte für junge Leser“. Toll geschrieben von Ernst Gombrich und super gelesen von Christoph Waltz. Aber man kommt nicht so recht aus dem Zustand des Sich-Schämens heraus, wenn man hört, wie sich der weiße, ach so „kultivierte“ Mann über die Jahrhunderte verhalten und geschlagen hat. Besonders beeindruckt hat mich das Kapitel über das 18. Jahrhundert, wo ja in kurzer Zeit viele wegweisende Erfindungen gemacht wurden, z.B. die automatischen Webstühle, die zur Folge hatten, dass die eigentlichen Weber arbeitslos wurden, sich in den Fabriken an- und bei den Gehaltsverhandlungen gegenseitig unterboten, bis das, was sie verdienten, kaum mehr zum Leben reichte. Letzteres kennt man ja heute aus dem Medienbereich, wo viele Freelancer ebenfalls gezwungen sind, sich und ihre Arbeit unter Wert zu verkaufen. Überhaupt sind viele Probleme, die in dem Buch geschildert werden, hochaktuell.

Bin, nebenbei bemerkt, ziemlich erstaunt, wie gut mein Sohn mittlerweile Englisch spricht und versteht. Wenn wir hier zusammen Big Bang Theory gucken, lacht er über mehr Witze als ich, weil mir doch einiges verlorengeht. Vielleicht werden auch einfach nur meine Ohren schlechter. Aber auch gestern Abend: Ich hatte das große Verlangen, ihm „Bohemian Rhapsody“ zu zeigen, der Film lief natürlich auf Englisch, war aber überhaupt kein Problem. Habe übrigens nochmal festgestellt, was das für ein toller Film ist. Musste zwar nicht die ganze letzte halbe Stunde heulen, wie beim ersten Mal, war aber auch diesmal noch sehr berührend. Und mein Sohn hat das auch verstanden. Er fand übrigens den Trommler stark – und war dann relativ erstaunt, als ich ihm erzählte, dass ich auch mal in einer Rockband getrommelt habe …

Bin glücklich, dass wir diese Reise gemacht haben. Und dass meine Knie halten. Waren fast jeden Tag kicken, zweimal in Liverpool, zweimal in Manchester, jeweils auf so einem Kleinfeld-Park, wie es sie hier in jeder größeren Stadt gibt (inklusive Ligabetrieb), in Morecambe auf einem öffentlichen Platz. Das System hier ist ganz einfach. Man zahlt überall zwischen 1 und 3 Pfund die Stunde und kann dann spielen. Und wir haben tatsächlich Glück mit dem Wetter. Immer wenn wir kicken wollen, reißt der Himmel kurz auf. Und so ganz nebenbei hat mein ältester Sohn zuhause gestern seine Führerscheinprüfung bestanden. Dem Himmel sei Dank.

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(fast) and furious

Ich weiß, ich weiß, ich hatte gerade erst lange Urlaub. Das stimmt. Auch wenn ich in der Zeit fleißig war. Aber ja, jetzt, nach gerade mal wieder fünf Wochen im Job, nehme ich mir schon wieder Urlaub. Und es ist wieder etwas ganz Besonderes. Ich fliege nämlich mit meinem jüngsten Sohn für ein paar Tage nach England: London, Liverpool, Manchester. Er freut sich, glaube ich, sehr. Ich freue mich so sehr, dass es (fast) an Nervosität grenzt. Haben wir in der Form auch noch nicht gemacht, dabei ist er fast 16. Naja, besser spät als nie.

Es wird sicher ein guter Mix aus Sport und Musik. Fußball, Beatles, Anfield Road (zumindest mal vorbeigehen), Abbey Road (auf jeden Fall drübergehen), es ist mir sogar (fast) egal, wie das Wetter wird. Cool ist, dass wir am Tag des Championsleague-Rückspiels zwischen Bayern und Liverpool in England sind. Allerdings spielen sie ja dann zuhause in München. Trotzdem cool. Werde aber darauf verzichten, in meinem Bayern-Trikot einen Pub aufzusuchen. Obwohl das auch lustig werden könnte. Für meinen Sohn.

Übrigens mal ganz kurz: Es reden ja schon wieder alle von der guten Ausgangsposition, weil Bayern im Hinspiel in Liverpool 0:0 gespielt hat. Aber die eingefleischten Bayern-Fans wissen natürlich, dass genau das vor (fast) 40 Jahren schon mal schiefgegangen ist. 0:0 in Liverpool im Hinspiel, im Rückspiel 1:1 in München, kurz vor Schluss, Liverpool war weiter wegen des Auswärtstores. Eine traumatische Kindheitserinnerung meinerseits, die man heute im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit schön wieder aufleben lassen kann:

Das wird sicher Thema in der Vorbericht-Erstattung sein. Hoffentlich vergegenwärtigen sich die Spieler das auch nochmal. Kalle Rummenigge könnte sogar ein Lied davon singen.

Zu guter Letzt ein Hinweis in eigener Sache. Die Alphabeten haben eine neue Folge ihres Podcasts übers Schreiben veröffentlicht. Hört doch mal leise rein und gebt Laut, wie Euch der Stil gefällt. Wir finden´s schon (fast) optimal.

Bauer sucht Streit

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Haben gestern Abend als Familie zusammen ein bisschen GNTM geguckt. Ich habe auch schon Filme über die Fashion Week gemacht, das Genre ist mir also nicht fremd. Und außerdem kann das ganz lustig sein, sowas zusammen mit einem 17-Jährigen und dessen Mutter zu schauen. War es auch. Bis die BUNTE.de Chefredakteurin Julia Bauer ins Spiel kam, zum „Medientraining“. Also, abgesehen davon, dass man nie sicher sein kann, was bei solchen Formaten echt, geskriptet, inszeniert oder zumindest initiiert ist, fand ich die Dramaturgie, bzw. die Funktion der Journalistin etwas grenzwertig. Ja, es ist eben Fernseh-Unterhaltung und keine arte-Doku, und als SPIEGEL-Mitarbeiter muss man im Moment ohnehin ganz still sein, und vermutlich saß Frau Bauer auch nicht mit im Schnitt, aber wie im Prinzip rüberkam, dass bestimmte Models – jeweils mit gerade mal einem Halbsatz zu Wort kommend – als langweilig, nicht ehrgeizig oder arrogant bezeichnet wurden, fand ich schwierig. Aber es wurde noch schwieriger: Die „Expertin“ stellte nicht nur unbequeme Fragen, was für ein Medientraining ja noch okay gewesen wäre, sie profitierte auch noch von einem Konflikt zwischen den Mädchen und freute sich dann, als eines der Mädchen schon den Tränen nahe war, über eine coole Headline für ihr Produkt.

Wenn dieser Auftritt verkörpern soll, wie Journalisten heutzutage arbeiten (müssen), dann möchte ich lieber meinen Beruf an den Nagel hängen.

Glücklicherweise gibt es aber auch schöne Überraschungen: Habe in den letzten Tagen angefangen, eine noch nicht so alte, aber auch nicht taufrische Tokio-Hotel-Doku zu gucken. Sie heißt „Hinter die Welt“ und läuft in 4 Teilen auf YouTube. Und da muss ich sagen, dass mich dieser Film mehrfach überrascht hat. Klar, natürlich wollen die auch ihre VIP-Tickets verkaufen, aber trotzdem: sehr gelungene Parallelmontage der Lebensmittelpunkte der Band (Magdeburg und L.A.), insgesamt sehr nette, reflektierte Typen, interessante Rollenverteilung, lange Historie, und ich hätte nicht gedacht, dass die sich wirklich so viel selber um Dinge kümmern, vor allem im Studio (zumindest hat man den Eindruck). Und die symbiotische Beziehung der Zwillinge, mit dem schrillen Bill und Tom, der Bill immer beschützt hat, das hat mich mehrfach berührt. Klar, als Vater von Söhnen horcht man da natürlich auf. Es gibt im 4. Teil diese eine Einstellung, irgendwo in Russland, glaube ich, in so einem typischen Backstage-Raum. Bill signiert Plakate und Tom hängt im Sessel und spielt Gitarre. Bestes Bild!

Screenshot aus: Hinter die Welt, gibt´s auch auf DVD bei Amazon
Screenshot aus: Hinter die Welt, gibt´s auch auf DVD bei Amazon

Es wäre spannend zu sehen, wie sich dieses Verhältnis nun verändert, seitdem Tom mit seiner Freundin – und da – KREISCH! – schließt sich der Kreis, Heidi Klum zusammen ist. Aber gut, man kann nicht alles haben. Die BUNTE-Kollegin könnte sich von Tokio-Hotel jedenfalls mal ein paar Tipps in Sachen Menschlichkeit holen, und dass ich DAS mal so schreiben würde, hätte ich auch nicht gedacht.

Ansonsten? Watch out for the nice Brecht-Story von Volker Weidermann im neuen SPIEGEL. Ich kann allerdings an dieser Stelle verraten, dass der Kollege Weidermann den Bertolt nicht persönlich gesprochen hat.

Und? Mit ein paar Minuten Distanz weiß ich jetzt, was mich stört: Ein „Medientraining“ für nichtgeübte Menschen, die zum ersten Mal im Rampenlicht stehen, vor einem Millionen-Publikum durchzuführen, da muss man erstmal draufkommen. Das wäre so, als hätte ich meinen Kindern Schwimmen beigebracht, in dem ich sie auf offener See über Bord schmeiße – und mich dann noch darüber lustig gemacht, dass sie Wasser schlucken.

Vielleicht ist sie auch nur Teil einer großen Inszenierung. Aber dann finde ich es immer noch schwierig, welches Berufsbild vom Journalismus das transportiert wird.