Geh heim

Snapseed

Gerade wieder drei Tage für das geheime Paris unterwegs gewesen. Glück gehabt mit dem Wetter, gestern strahlender Sonnenschein, heute am Abreisetag grau und verregnet. Das muss man schon mal zu schätzen wissen. Ansonsten habe ich eigentlich eine ganz gute Balance gefunden zwischen Drehstress und „den-Moment-erkennen“. Haben auch diesmal wieder interessante Sachen erlebt. Waren zum Beispiel im Keller des Luxushotels Les Bains, wo in den Achtzigern wilde Partys gefeiert wurden. Jeder Promi, der in der Stadt war, wollte dort hin.

copyright: ZDF/Paul Pflüger
copyright: ZDF/Paul Pflüger

Unser Interviewpartner war der damalige Haus- und Hoffotograf: Foc Kan, ein interessanter Mann, der wirklich aus dem Nähkästchen geplaudert und damals schon von Leuten wie Mick Jagger oder David Bowie auf Augenhöhe Schnappschüsse angefertigt hat, die bis heute grandios sind. Es muss eine wilde Zeit gewesen sein damals, von der wir im Film hoffentlich ein bisschen erzählen können.

Waren gestern auch noch mal auf dem Eiffelturm, um das geheime Apartment des Erbauers in der Turmspitze abzufilmen, zumindest von außen. Bis heute darf da keiner hinein. Nicht mal französisches Fernsehen. Die Pressefrau hat für uns am Ende leider doch keine Ausnahme gemacht, uns aber als Bonus ermöglicht, über Treppen für die Turmarbeiter etwas abseits der Touristenpfade in die Turmspitze zu filmen, und das war wirklich ein Erlebnis. Da wusste man bei jedem Schritt auf den schmalen Gittertreppen in 200 m Höhe, dass darüber vor einem noch nicht sehr viele Menschen gegangen sind. Dafür liebe ich meinen Job, abgesehen davon, dass da natürlich auch gute Bilder von dieser gigantischen Konstruktion entstanden sind.

Auch in schwindelerregender Höhe mit ruhiger Hand: Paul Pflüger
Auch in schwindelerregender Höhe mit ruhiger Hand: Paul Pflüger

 

Mir war bis vor kurzem nicht klar, dass dieser Turm laut des damaligen Vertrages eigentlich nach ein paar Jahren wieder hätte abgerissen werden sollen. Wenn man in dieser riesigen Stahlkonstruktion drinsteht, ist das umso unvorstellbarer. Zum Glück sind die Abrisspläne wieder eingestampft worden. Aktuell ziehen die gerade eine kugelsichere Glaswand um den Turm, als Schutz vor terroristischen Anschlägen. Aber, im Ernst, wie will man so einen Koloss aus dem Visier nehmen? Der Gedanke ging mir schon durch den Kopf, als ich da oben im Gestänge rumgelaufen bin.

Künstliche Intelligenz

Lustig. Die Auto-Korrektur macht aus Enzensberger "Entenschnabel" - ist das künstliche Intelligenz?
Lustig. Die Auto-Korrektur macht aus Enzensberger „Entenschnabel“ – ist das künstliche Intelligenz?

 

Tja, wie immer, … wenn man ein paar Tage nicht geschrieben hat, wird der Berg des Ungesagten, aber Mitgedachten so groß, dass man kaum dagegen angehen kann. Wie ein Berg Schmutzwäsche, der einem über den Kopf wächst.

Ich meine, die Lage ist ja auch nicht gerade entspannt. Im Gegenteil, die neuen Rechten haben sich zusammengeschlossen, sind aufmarschiert. Und der Rest steht da und kann es nicht glauben. Dabei ist es gar nicht so unglaublich. So sind Menschen. Zumindest die meisten. Neidisch, auf ihren Vorteil bedacht, unreflektiert, unempathisch, unfähig zur Abstraktion. Und man kann es ihnen – zumindest im Osten – nur teilweise vorwerfen. Nazi-Zeit nicht aufgearbeitet, von einer Diktatur in die andere, immer bevormundet, DDR auch nicht aufgearbeitet, sondern vom arroganten Westen wie eine Krankheit vom Tisch gefegt.

Alles nicht so leicht.

Habe zur Zeit neben dem Job zwei schöne Projekte: Zum Einen den Literatur-Podcast mit Sebastian von den Alphabeten (haben gestern Abend noch eine Folge fertig gemacht), zum Anderen bereiten wir gerade mit minimaltrashart die Veröffentlichung des Gedichtbandes von Dagrun Hintze vor. War am Wochenende bei Dagrun und ihrem Mann auf dem Land (Richtung Osten) und habe ein paar Aufnahmen für einen Buchtrailer gemacht. Tolle Menschen und Arbeit, die sich nicht nach Arbeit anfühlte, aber auf dem Weg dorthin durch die Dörfer habe ich echt leichte Depressionen bekommen. Überall Gaststätten, die „Deutsches Haus“ oder so heißen, Opel-Kombis, mit Babynamen auf der Heckscheibe – in altdeutscher Schrift.

Das Problem ist aktuell gut formuliert: Wer ist mehr? Ich bin mir nicht sicher. Meine Projekte werden daran nichts ändern.

Ansonsten? Trauer, weil es die taz vielleicht bald nicht mehr in ausgedruckter Form gibt, und Wut, weil die BILD erst hetzt und jetzt scheinheilig fragt, was aus unserem Land geworden ist. Eine Frechheit. Ein Verbrechen. Meines Erachtens machen Verbote und Tabuisierungen schon Sinn. Am Ende ist die Demokratie nämlich so gut, dass sie sich selbst zum Opfer fällt.