Intensely

Hab mich immer gefragt, wie das Atelier eines Aktionskünstlers aussieht.
Hab mich immer gefragt, wie das Atelier eines Aktionskünstlers aussieht.

Alles ist Kunst!
Oder?
Nicht!

Es gibt Wörter, die versteht man sofort, ohne deren Bedeutung zu kennen: Intensely, zum Beispiel. Obwohl ich dessen Bedeutung natürlich kenne. Fällt mir gerade so ein, egal – kleiner Tipp für heute? Wenn ihr in England mit einem Mietauto unterwegs seid, checkt mal, ob ihr über mautpflichtige Brücken fahrt. Das ist in England gar nicht so selten und wird zum absoluten Nervkram, wenn ihr Wochen später Post von der Autovermietung bekommt, die erstens eine Bearbeitungsgebühr nehmen, und ihr zweitens den Strafzettel gar nicht mehr bezahlen könnt, weil die städtischen Mautbetreiber längst ein privates Inkassounternehmen eingeschaltet haben. Lese zwar gerade überall, dass die in Deutschland nicht vollstrecken können, aber es ist meganervig. Und das alles wegen 2 Pfund! Warum sind da keine Terminals? Zumindest auf einer Spur, für so blöde Touristen wie mich? Zivilisation at its worst.

Mersey Kopie

Sitze wieder (wenn ich nicht gerade die online-Rechtsberatung vom ADAC checke) über dem geheimen Rom. Habe im Zuge der Katakomben etwas über das frühe Christentum in Rom gelesen und die z. T. sehr, sehr grausigen Methoden der Christenverfolgung. Kaiser Nero ließ die Christen, weil er sie für den großen Brand in der Stadt Rom verantwortlich machte (bis heute gibt es ja die Gerüchte, er war es selbst, um Rom hinterher neu zu erbauen), festnehmen und wie Fackeln anzünden, also tatsächlich zur Beleuchtung seiner grausigen Schauspiele. Unfassbar.

Was ich auch nicht wusste: die Stella-Geschichte (Takis Würger und so, ihr wisst schon) spielte auch in Rom. Hier lebte die „schöne Jüdin“, die zum eigenen Schutz mit den Nazis kollaborierte und ihre Glaubensbrüder und -schwestern verriet. Warum ich dabei an die GNTM-Folge von gestern denken muss, weiß ich auch nicht. Vielleicht, weil Heidi zum Ende der Sendung die Mädchen dazu verpflichtete, ihrerseits, jede für sich und vor versammelter Mannschaft, eine Ausscheidungskandidatin aus der Gruppe zu benennen. Da werden Menschen zu unmoralischem Handeln gezwungen, keine Ahnung, fast so ein bisschen wie beim Standford-Experiment. Man gibt Menschen Macht über andere Menschen, deren Ausmaß sie aber gar nicht begreifen. Meine Freundin und ich fanden das jedenfalls unmöglich, aber der Presserat findet das offenbar alles okay. Ich habe mir jedenfalls sehr gewünscht, dass sich wenigstens ein Mädchen hinstellt und sagt: Bei allem Respekt, das ist menschenverachtend, ich mache da nicht mit. Das wäre ihr bestimmt hoch angerechnet worden, wenn sie es vernünftig begründet hätte.

Ansonsten? Heute Abend Spitzenspiel. Wir gegen Curslack-Neuengamme! Was? Kennt ihr nicht? Ist wie FC Bayern, nur kleiner.

Mit Woch Gespräche

Heute morgen auf dem Weg zur Arbeit noch eine neue Batterie für den Roller besorgt (siehe Blog von gestern). War zum Glück wieder mit offenen Augen unterwegs, sonst wäre mir dieses zeitgenössische Meisterwerk entgangen. Sollte ich in 20 oder 30 Jahren mal einen nostalgischen Bildband gestalten, der ausdrücken soll, wann wie was schief gelaufen ist – dieses Bild wäre garantiert dabei. Darin ist alles enthalten. Wohnen, Umwelt, Konsum, Automatisierung, ALLES!

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Habe angefangen, ein Drehbuch über das geheime Rom zu schreiben. Ziemlich komplex, von hier aus. Obwohl mir eine Kollegin aus Rom ein paar sehr schöne Geschichten zusammengetragen hat. Aber eine gute Geschichte muss eben auch immer bebildert werden, wenn sie im Fernsehen erzählt werden soll. Und das ist meist die große Schwierigkeit. Oder Herausforderung. Darum beneide ich die Kollegen der schreibenden Zunft mitunter; sie brauchen die Story einfach nur zu schreiben.

Mir fiel dann heute noch ein, dass der Schauspieler Helmut Berger lange in Rom gelebt hat. Bin bei der folgenden Recherche auf ein Interview gestoßen, das – interessanterweise – die Autorin Elfriede Jelinek auf ihrer Homepage verlinkt hat, und zwar nicht nur dieses eine, sondern ziemlich viele. Geführt hat diese Gespräche aber nicht sie, sondern der Journalist André Müller.

Müller hat jahrelang für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften Interviews mit berühmten Persönlichkeiten geführt, war aber auch im Theaterkontext tätig. 2011 ist er an Krebs gestorben, d.h. die Kollegin Jelinek hält die Textsammlung auf ihrer Homepage gewissermaßen in Ehren:

Gute Gespräche

Das ist übrigens ein interessantes Thema: Homepages von Toten, die immer noch am Leben erhalten werden (die Seiten, nicht die … ach, egal). Es gibt so eine auch von einem Münsteraner Künstler, den ich immer sehr geschätzt habe: Axel Schulz oder Schulß, wie er sich zuletzt schrieb. Da kann man immer noch seine Songs hören und sich im Laufe der Nacht bei Überschreiten des Horizontes auch etwas verlieren. Einer meiner absoluten All-time-favourites (musikalisch und textlich) ist übrigens Morgen fangen wir von vorne an, von der Platte Ich lass erst den Fluss vorbei, im Übrigen auch schon ein grandioser Titel. Und noch drei Randnotizen: Einer von Axels Produzenten war Ekki Maas von der Band Erdmöbel. Deren Keyboarder Wolfgang Proppe hat auch auf einer Schulz-Platte gespielt: der roten, mit dem Titel: Du & ich und die und die. Auf derselben Platte trommelt mein alter Schlagzeuglehrer Ben Bönniger. Bis heute inspirierend. Jetzt wisst ihr Bescheid!

http://www.ue-artundweise.de

Viel Spaß beim Stöbern und Hören!

Wenn man stöbern und hören zusammenführt, wird daraus „stören“!

Und? Habe soeben festgestellt, dass es noch einen anderen Musiker gibt, der Ekkehard Maaß heißt, immerhin Träger des Bundesverdienstkreuzes. Die taz berichtete gerade über ihn, weil im Hinterhof seiner Wohnung nun gebaut werden soll. Genau da, wo er 1978 einen für die DDR bedeutenden, literarischen Salon gründete. Was soll uns das sagen?

ALLES ist
endlich
wie

DIN st Tag

Dienstag. Büro. Recherche. Insgesamt nicht viel los. Die Chefs sind alle auf der Messe in Cannes. Gestern Abend war auch noch Hauptstadtparty vom SPIEGEL in Berlin, da schien überhaupt niemand hier in Hamburg zu sein. Egal, ich genieße die Ruhe und zehre, ehrlich gesagt, immer noch ein bisschen vom Wochenende.

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Die Jungs waren da. Habe mit dem Älteren an unserem Roller rumgebastelt, weil er ihn (natürlich) gerne fahren würde, und mit dem Jüngeren Fußball gespielt. Bayern gegen Dortmund haben wir auch zusammen geguckt, diese Tage sind ein großer Schatz, und damit meine ich nicht (nur) das Ergebnis. Ich hätte auf Meisterschaft und Pokal verzichtet, wenn wir dafür das Rückspiel gegen Liverpool offener gestaltet hätten.

Apropos England. Hab am Samstag Post bekommen: einen Strafzettel über 20 Pfund, weil ich bei irgendeiner Brücke, über die wir im März gefahren sind, vorher online hätte Maut bezahlen müssen und – was noch schlimmer ist – 40 Pfund Bearbeitungsgebühr von Europcar, weil sie mir den Strafzettel hinterher schicken mussten. Europcar ist für mich gestorben, vor allem, nachdem ich bei Abholung des Wagens damals wegen irgendwelcher Software-Probleme total lange warten musste. Und jetzt das: 40 Pfund für einen Brief! Aber gut, es ist nur Geld, auch wenn ich davon nicht allzu viel übrig habe. Dafür einen vollen Kühlschrank und ein Dach über dem Kopf. In Berlin fordern Menschen die Enteignung von  Wohnraum. Dazu hätte es nicht kommen müssen, wenn nur die Politik die Zeichen der Zeit früher erkannt hätte. Sehr unerfreulich. Auch solche Versäumnisse schaden letztlich der Demokratie.

Ansonsten? Schaffe ich es noch nicht, mich wieder ans Manuskript zu setzen. Ist noch zu frisch. Habe stattdessen ein bisschen in meiner Gedichtsammlung gelesen und redigiert. Das wiederum hat unerwartet viel Spaß gemacht.

Werde an dieser Stelle öfter mal wieder das eine oder andere posten. Ja, ich hoffe, sie gefallen Euch. Nein, sie sind nicht autobiographisch:

Dein Blick übersetzt
das Schweigen
der Gefühle
die ich nie
verstehen werde
alle sind es nicht
nur die
vor denen ich
mich jederzeit
am meisten fürchte

Beziehungsarbeit ist Turmbau

Fortschritte

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Wir haben so ein kleines Holzregal auf der Terrasse, da lagern wir unsere Pflanzen-Utensilien. An die Seite hab ich vor ein paar Jahren mal so ein kleines Nostalgie-Blechschild geschraubt, ein Werbemotiv der alten „Ost-Afrika-Linie“. Und immer, wenn ich dieses Schild betrachte, denke ich daran, wie mühsam und abenteuerlich das Reisen früher war. Und mit dem Schiff ging es ja schon, aber Goethe ist mit der Kutsche nach Rom, Heine zu Fuß durch den Harz, das waren tatsächlich andere Reiseerlebnisse. Gestern bin ich mit dem Flieger morgens nach Frankfurt (ich wäre lieber Zug gefahren, ging aber nicht) und abends wieder zurück. Da hätte man mit der Kutsche Tage gebraucht, wenn nicht Wochen. Das einzige, was mich beim Fliegen immer beeindruckt, ist der Blick aus dem Fenster. Der ist wirklich eines meiner liebsten Motive geworden.

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Viele Projekte auf dem Tisch im Moment. Gestern für Terra X beim ZDF, heute wieder ums „Geheime Rom“ gekümmert, speziell um die Deutschen auf dem Kapitol, hochinteressant, das ist in der Tat ein Vorteil meines Jobs, man wird für Weiterbildung bezahlt. Am Dienstag hatte ich außerdem einen wunderbaren Termin in der Elbphilharmonie, mit dem Sänger Tareq Nazmi. Wir kennen uns über zwei Ecken, hatten aber die letzten Jahre nichts miteinander zu tun. Ich finde es immer beeindruckend, wenn Menschen ein spezielles Talent haben, das nicht nur ihre Leidenschaft ist, sondern zugleich auch noch ihren Lebensunterhalt sichert. Ein Geschenk. Jedenfalls habe ich paar Aufnahmen gemacht. Super Stimme, super Typ. Vielleicht begleiten wir ihn demnächst auf Tour.

Und selbst für nebenberufliche Projekte bleibt noch ein bisschen Zeit. Gerade heute ging eine neue Podcast-Folge der Alphabeten online und wartet sehnsüchtig darauf, gehört zu werden:

Nur das eigene Schreiben ruht. Hab immer noch kein entscheidendes Feedback von den Agenturen und weiß, ehrlich gesagt, gar nicht so recht, warum. Finde die Grundidee immer noch gut. Aber, tja, wenn man keinen großen Namen hat, ist es schwer. Sebastian Fitzek schreibt dann eben ein Sachbuch über das Leben, gewissermaßen als Nachlass für seine Kinder. Weil er es kann. Dieselbe Idee liegt bei mir seit Jahren auf dem Tisch, allein, es fehlen Zeit und die nötigen Kontakte. Aber gut, dafür bin ich bestimmt der bessere Trommler von uns beiden. Fitzek hat als Jugendlicher auch in einer Band getrommelt, habe ich heute gelesen. Nicht, dass ich ihn kennen würde, aber seitdem ich das weiß, finde ich ihn viel sympathischer …

Apropos dieselbe Idee liegt bei mir seit Jahren auf dem Tisch. Gestern im Taxi ist mir aufgefallen, dass Be alright von Dean Lewis haargenau so klingt wie eine Skizze, die mein Kumpel Gudze und ich vor Jahren mal für Gunter Gabriel komponiert haben. Naja, formaler Erfolg ist bloß … äh, … formal eben. Hauptsache, ich treffe auf dem Platz noch den Ball.

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Ansonsten? Hat mein Elch die 200.000er Marke geknackt. Und ich Esel hab´s verpasst. Ich liebe dieses Auto. Was? Moment, … ja, Amrei, Du hast ihn gefunden. Und erstmal bezahlt! Haha, das ist lustig, da haben wir gleich noch ein Kapitel für mein Sachbuch: der moderne Mann – hat kein Problem damit, sich Geld von seiner Liebsten zu pumpen, wenn die plötzlich Karriere macht. Oha, ich mach mal Schluss, nein, Amrei, nicht mit Dir, mit dem Blogeintrag für heute. Sonst rede ich mich noch um Kopf und Wagen …

Bleibt menschlich!

Kinder, Kinder

Schlag-Worte einer neuen Zeit:

Uploadfilter
Staatliche Überwachung
von radikalisierten Kindern
Klimawandel-Lüge

In Seoul dürfen die Kinder wegen der schlechten Luft nicht mehr draußen spielen. Das ist wie in dem Greenpeace-Spot, der uns damals utopisch vorkam. Damals ging es um das Ozonloch, nicht um Smog, aber unterm Strich geht es doch wohl um die Umwelt. Die Atmosphäre, in der wir leben, wenn man so möchte. Das Klima. Ein bisschen schräg, dass diese beiden Begriffe Atmosphäre und Klima so doppeldeutig nutzbar sind, um unser Wohlbefinden zu beschreiben. Arbeitsklima, vergiftete Atmosphäre unter den Kollegen, alles harmlos im Vergleich zum großen Ganzen …

ozonball

Schaut Euch den Spot nochmal an: Wenn man auf diesen Link klickt, kommt man auf die Greenpeace-Seite: greenpeacevideos Dann muss man Ozon Fussball in die Suchmaske eingeben und kommt zu dem Clip. Die Beschreibung bei Greenpeace: Die Story spielt in der Zukunft: Eine Oma erzählt ihrem Enkel von früher während er sich einen silbernen „Raumanzug“ überzieht, einen Schutzanzug, der vor den schädlichen UV-Strahlen schützt. Der Junge öffnet die Tür, durch die grelles Sonnenlicht dringt. Er spielt mit zwei anderen Kindern, die ebenfalls einen Schutzanzug tragen, Fußball in einer mondähnlichen Landschaft.

Bedrückend. Und nochmal: Der Spot spielte damals in der Zukunft. Man möchte auflösend anmerken: Heute. Jeder, der nun unsere Kinder rügt, dass sie für eine bessere Klimapolitik auf die Straße gehen, anstatt zur Schule, sollte man durch die Straßen Seouls jagen. Ohne Atemschutzmaske, versteht sich.

Ansonsten? Habe ich ja im letzten Eintrag (siehe www.anders-blog.de/?p=6389) geschrieben, dass ich den Eindruck hatte, Stern Reporter Gerd Heidemann wollte mir Ende 2017 die Tonbänder zum Hitler-Tagebuch-Skandal anbieten, um noch einmal (aus Heidemanns Sicht) „richtig“ über die Sache zu berichten. Offenbar hatte er nach mir noch einen Kollegen von der ZEIT zu Besuch – der schildert das ähnlich. Auch die Tatsache, dass Heidemann einen Käufer für das Archiv suche, habe ich ebenfalls beobachtet: Die ZEIT bei Heidemann Was mich ein bisschen wundert, ist, dass sowohl der ZEIT-Kollege als auch die STERN-Mitarbeiter, die nun den Faking Hitler-Podcast gemacht haben, so wenig auf das Archiv eingehen …

Fa Kings

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US-Sonderermittler Robert Mueller hat nach fast zwei Jahren seinen Abschlussbericht über die Russland-Affäre vorgelegt. Erstes Fazit: Eine Anklage gegen Trump bleibt aus. Aber: Moskau hat sich in beispielloser Weise in den US-Wahlkampf eingemischt. Interessant, wie klar Unklarheit sein kann. Oder andersherum. Hab die Einzelheiten und Reaktionen heute morgen in der Süddeutschen gelesen. Da kommt einem das Frühstück gleich wieder hoch.

Wer lügt? Wer sagt die Wahrheit? Und was ist überhaupt die „Wahrheit“? Die große Frage der Menschheitsgeschichte, die uns immer wieder im kleinen Privaten, aber auch im großen Stil beschäftigt. Höre gerade mit großer Freude den Stern-Podcast „Faking Hitler“. Thema: die Hitler-Tagebücher, die der Stern damals präsentierte – und die sich kurz darauf als Fälschungen erwiesen. Einer der Hauptdarsteller: Stern Reporter Gerd Heidemann. Meine Söhne würden sagen, ich „suchte den Podcast durch“. Stimmt. Liegt aber auch daran, dass ich, kurz bevor die Kollegen des Stern mit der Produktion des Podcasts begonnen haben müssen, noch wegen einer ganz anderen Geschichte bei Heidemann in dessen Privatarchiv war.

Der Besuch

Foto und Nachbemerkung

Heidemann sagte mir damals, man müsse sich seine Aufnahmen von seinen Gesprächen mit dem Fälscher Kujau noch einmal in Ruhe anhören. Er hätte die Kassetten ja alle noch. Ich glaube, es war ein Angebot. Nun war ich gar nicht in der Position, da zuzuschlagen, aber trotzdem – genau das hat der Stern eben dann gemacht.

Tolles Projekt. Bin jetzt mit Folge 7 fertig, drei kommen also noch. Bin sehr gespannt, ob sie nochmal genauer darauf eingehen, wo die 9 Millionen geblieben sind. Ich habe da ja meine eigene Theorie, aber sowas kann man, glaube ich, nicht so einfach behaupten, ohne mit juristischen Konsequenzen rechnen zu müssen.

Ansonsten? Hat Kollege Stuertz von den Alphabeten die Buchmesse in Leipzig dafür genutzt, um weitere interessante Autor*Innen ins Podcast-Studio einzuladen. Hätte gerne mitgefeiert, aber der Job ruft. Um Hilfe. Wie bereits erwähnt, darf ich mich nach dem Erfolg meiner kleinen ZDF History-Doku über das „Geheime Paris“ nun um das „Geheime Rom“ kümmern. Lese dafür gerade einige alternative Reiseführer quer, u.a. einen kurzweiligen, schön gestalteten von Stefan Ulrich, den ich nur empfehlen kann.

Und da schließt sich der Kreis. Habe darin heute nämlich eine kleine Geschichte über das ehemalige jüdische Ghetto in Rom gelesen. Und während der Stern-Podcast „Faking Hitler“, dieses beinahe tragikomische Mediendrama, dazu führt, dass man die Schrecken des Dritten Reiches eher ausblendet, war es ganz „heilsam“, heute dann nochmal eine Geschichte zu lesen, die die ganze Grausamkeit, Kaltblütigkeit und Unmenschlichkeit der Nazis verdeutlicht.

Ich fasse mal zusammen: Im Juli 1943 wird Mussolini gestürzt. Im September kapituliert Deutschlands Verbündeter Italien und wechselt auf die Seite der Alliierten. Daraufhin besetzt die Wehrmacht den italienischen Norden, einschließlich Rom. Der dortige SS-Kommandant Herbert Kappler bietet den Juden der Stadt an, sich gegen die Zahlung von 50 Kilogramm Gold von einer Deportation freizukaufen. Die römischen Juden zahlen. Trotzdem überfallen hunderte SS-Männer an einem Samstagmorgen im Oktober das jüdische Viertel und treiben die Menschen auf der Straße zusammen. Über eintausend Juden werden nach Auschwitz gebracht, von denen lediglich fünfzehn(!) irgendwann zurückkehren.

Wie kann man sowas vergessen (wollen)?

Und da schließt sich ein weiterer Kreis: Es ist genau diese Faszination an der Figur Hitlers, scheinbar abgekoppelt von den grausamen Taten der Nazis, die mich bei Menschen wie Heidemann, der sich ja nicht nur für die Tagebücher interessiert hat, misstrauisch macht. Insofern ist es wahrscheinlich gut, dass ich damals die Finger davon gelassen habe. Zwar habe ich sein Archiv, aufgrund des Bestandes und des langen Gespräches, damals ziemlich beeindruckt verlassen, aber eigentlich wollte ich das gar nicht. Und wenn man ihm nun hilft, das auszuwerten, ist es womöglich schwer, die nötige Distanz zu wahren. Immerhin wäre ich mir zumindest der Gefahr bewusst.

Und: Hab am Wochenende schon ein paar Blumen geschrieben. Und ein Gedicht gepflanzt:

Die Sonne und ich sind alte Freunde
Sie kennt mich länger
Als ich sie
Das erste Mal bewusst wahrnahm
War ich geblendet
Seitdem sind wir uns gewogen

Ab und zu gehen wir spazieren
Und später einen Trinken
Sie muss immer früh nach Hause
Der Mond wartet nicht ewig
Auf sie
Ist Verlass

Er ledigt

alles erledigt

Alles erledigt. Schön, wenn es wenigstens mein Mail-Programm zu schätzen weiß. Anstatt kreativ im Schnitt zu sitzen, zu brainstormen oder konzentriert zu recherchieren, bin ich heute seit langem mal wieder den ganzen Tag von einem Termin zum nächsten gehopst. Liegt daran, dass ich dieses Jahr – neben meiner Funktion als Autor – zwei andere Projekte leiten soll. Da muss ich mich erstmal dran gewöhnen. Ich mag diese kreativen Zwischenzeiten ja eigentlich, weil man da regenerieren und neue Ideen entwickeln kann. Aber offenbar rechnet sich das für meinen Arbeitgeber nicht. Haha.

Früher (und vereinzelt gibt es die heute auch noch) war ein Reporter ja so eine Art Spürhund. Der auch mal Zeit brauchte, guten Geschichten nachzuspüren. Mal etwas zu probieren. Komme darauf, weil ich heute morgen im Auto die erste Folge des STERN-Podcasts über die Hitler-Tagebücher gehört habe: Faking Hitler. Fand ich ganz gut. Ehrlicherweise kann man mit dem Material aber auch nicht viel falsch machen: die Original-Tonbänder von Gerd Heidemann, dem Reporter damals, der meinte, die echten Tagebücher von Adolf Hitler gefunden zu haben.

Ich war ja vor kurzem auf Heidemanns Einladung in dessen Privatarchiv in Hamburg. Da steht ja noch viel, viel, viel mehr, was eigentlich mal gründlich ausgewertet werden müsste.

Andererseits ist Heidemann auch eine ambivalente Figur, aber sicher über Jahre ein krasser Reporter der alten Schule gewesen, mit allen Nachteilen. Was für ein Geistesblitz von ihm, damals von Anfang an alle Telefonate mit Kujau mitzuschneiden. Klar, gab ja auch keine Emails, die man hätte aufbewahren können. Und aus der Perspektive ist es dann schon cool, diese Gespräche mit dem Wissen darum, was später passierte, jetzt 1:1 zu hören. Sehr empfehlenswert. Höre gleich auf dem Nachhauseweg Folge 2.

Lach- und Sach-Geschichten 2.0

Flüchtigkeitsfehler, aber trotzdem lustig: Die BILD-Zeitung verwechselt die Kaulitz-Brüder. Oder habe ich was verpasst?

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Und? Wer es noch nicht mitbekommen hat: Der lange, laaaaaaange angekündigte Podcast der Alphabeten ist seit kurzem endlich online. Ab heute im Programm: Die zweite Folge unseres Interviews mit dem Texter und Galeristen Christian Pfaff. Viel Vergnügen!

Ich möchte das nicht.

Der AfD-Landtagsabgeordnete Harald Laatsch ist sich nicht zu doof, die „Klimapanikverbreiter“ als mitverantwortlich für das Attentat in Neuseeland zu bezeichnen. Seinen Tweet versieht er mit dem Hashtag Greta Thunberg. Ich möchte das nicht.

Eine wichtige Zeugin im Prozess gegen Silvio Berlusconi (Stichwort: Bunga-Bunga-Partys) kommt unter mysteriösen Umständen ums Leben. Wurde sie womöglich mit radioaktiven Substanzen vergiftet? Ich möchte das nicht.

Julian Reichelt, Matthias Matussek … Ich möchte das nicht.

Nach meiner ZDF-History Doku über das „geheime Paris“ heute mal in Sachen „geheimes Rom“ recherchiert. Prompt bekam ich auf einem anderen Tab zur selben Zeit Werbung für Rom-Reisen angezeigt. Ich möchte das nicht.

Und als wäre all das nicht genug, trennen sich Thomas und Thea Gottschalk nach über 40 Jahren Ehe. Ich möchte das nicht.

Ein Lichtblick: Die neue Platte von Stephen Malkmus.

Freue mich auf zuhause.

Eng-Land

Verhüllt, aber dennoch erkennbar ...
Verhüllt, aber dennoch erkennbar …

Heute ist der letzte Tag unseres kleinen England-Abenteuers. London, Liverpool, Blackpool und Morecambe waren schon sehr gelungen, jetzt hausen wir in einem kleinen Airbnb-Appartement in Manchester und erleben weiterhin England pur. Die Idee, mal zu zweit zu fahren, ist aufgegangen. Alles sehr intensiv, gleichzeitig aber auch sehr leicht. Wir haben viel unternommen. Viel gequatscht. Viel Quatsch gemacht. Hätte sicherlich jeden Tag etwas schreiben können, aber ich habe mir vorgenommen, nicht zu sehr in „Produktion“ zu denken, sondern in Gedanken in erster Linie bei meinem Sohn zu sein. Jetzt schläft er noch, und ich nutze die Zeit, um ein paar Gedanken festzuhalten, vor allem für mich.

Zu Beginn muss ich einmal feststellen, wie leicht und unproblematisch es ist, mit ihm jetzt schon über eine Woche ein Zimmer zu teilen. Keine Scham, keine Scheu, kein Generve. Dann ist es wirklich auffällig, wie nett und hilfsbereit die Engländer sind, egal, ob dieser Typ im College in Morecambe, der uns genau gesagt hat, wo wir Fußballspielen gehen können, die Pensionsbesitzerin im selben Ort, die – ohne Wenn und Aber – unsere Sportsachen gewaschen hat, die alte Frau am Ticketschalter der Tram gestern oder die junge Frau an der Kinokasse. Alle! Ich versuche schon, meinem Sohn mitzugeben, dass man sich als Gast in einem Land respektvoll verhält und auf die Menschen zugeht. Er merkt, wie nett die Reaktionen sind, wenn einem das gelingt. Haben der Pensionsbesitzerin, die unsere Wäsche gewaschen hat, noch ein paar Pralinen gekauft, einfach nur als Geste. Mich beschleicht ohnehin immer das Gefühl, als Botschafter meines Landes unterwegs zu sein. Bin aber, wie gesagt, trotzdem ziemlich erstaunt, wie freundlich hier alle sind, obwohl offenkundig ist, wo wir herkommen.

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Wir sind oft unter Leuten gewesen, jeder Tag hielt ein kleines (oder großes) Highlight bereit. Eine Mischung aus Pop und Fußball. Waren in London im Beatles-Museum, in Liverpool bei einem Spiel an der Anfield-Road, und in Morecambe haben wir uns noch ein Spiel der vierten englischen Liga angesehen – Hammerstimmung. Allerdings ist es jetzt im März doch noch ziemlich kalt. Hatte extra keine dicke Jacke mitgenommen, weil ich beim Gepäck Platz sparen wollte und dachte, die Windjacke reicht. Aber der Sturm fegt einem hier echt die Mimik aus dem Gesicht. Habe für den Stadionbesuch sogar meine Rücken-Not-Wärmegürtel geopfert, damit wir zumindest beide einen warmen Rücken hatten.

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Hier in Manchester waren wir im National Football Museum, gemeinsam mit einem Haufen Schalke-Fans, denen die harte Niederlage gegen City noch sichtlich in den Knochen steckte. Muss sagen, mir ging es am nächsten Tag nicht anders. Ich meine, es war natürlich cool, hier, im Land des (sportlich gesprochen) Gegners, das Spiel Bayern-Liverpool zu gucken, aber leider hat uns der Spieler, den wir am Sonntag im Stadion noch so bewundert haben (Virgil van Dijk), die Lichter ausgeknipst. Und Bayern war halt zu harmlos. Und Neuer? Jetzt würde ich auch sagen, dass Ter Stegen ins Tor der Nationalelf gehört. Es sind immer diese kleinen Fehler, mit denen sich die Bayern letztes Jahr schon um den Lohn gebracht haben. Warum machen die das? Aber, wie gesagt, man muss es eben auch vorne zeigen, dass man will – so wie Barca. Oder (leider auch) Juve. Es ist schon erstaunlich, dass alle deutschen Spieler um die 30 plötzlich zu alt, Ronaldo und Messi aber nach wie vor spielentscheidende Akteure sind. Das muss mir auch mal einer erklären. Auf SPON hat Jörn Meyn übrigens genau das geschrieben, was ich meinem Sohn schon abends zuvor während des Spiels gesagt habe: zwei EX-Schalker prägen mit ihren Fehlern die erste Halbzeit. Zufall? Sicher nicht.

Uns fällt aber auch auf, wie hier alles etwas runtergekommen erscheint („downgecomed“, wie mein Sohn es scherzhaft nennt). Vor allem die Seeorte, wobei das auch daran liegen kann, dass noch Nebensaison ist. In Blackpool, zum Beispiel, macht alles (die große Kirmes, die Hafenpromenade, der hohe Turm) erst im April auf. Ja, es ist wirklich etwas tot. Für die Fotos allerdings ein ganz guter Effekt ;-)

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Hinzu kommen die vielen verlassenen Häuser und der Müll. Ehrlich, dieser Müll überall trübt das Bild. Auch die Menschen sind ein bisschen gezeichnet, vor allem die Alten. Und man kann das natürlich alles auch gar nicht wahrnehmen, ohne an den Brexit zu denken. Ich würde es so formulieren: Man macht sich beim Anblick von Land und Leuten ein wenig Sorgen. Aber genau aus diesem Grund verstehe ich auch, dass viele Menschen hier davon überzeugt sind, dass es ohne Europa besser wird. Weil viel schlechter kann es ja augenscheinlich nicht werden. Politik ist wie Fußball: Im Grunde ganz einfach, aber es spielen viele Tausendstel eine Rolle, um in dem einen Moment zum Erfolg zu kommen.

Wenn wir mit unserem kleinen Miet-Astra (gar nicht so einfach: Linksverkehr, das Steuer rechts, dafür mit Links schalten) unterwegs sind, hören wir immer „Die kurze Weltgeschichte für junge Leser“. Toll geschrieben von Ernst Gombrich und super gelesen von Christoph Waltz. Aber man kommt nicht so recht aus dem Zustand des Sich-Schämens heraus, wenn man hört, wie sich der weiße, ach so „kultivierte“ Mann über die Jahrhunderte verhalten und geschlagen hat. Besonders beeindruckt hat mich das Kapitel über das 18. Jahrhundert, wo ja in kurzer Zeit viele wegweisende Erfindungen gemacht wurden, z.B. die automatischen Webstühle, die zur Folge hatten, dass die eigentlichen Weber arbeitslos wurden, sich in den Fabriken an- und bei den Gehaltsverhandlungen gegenseitig unterboten, bis das, was sie verdienten, kaum mehr zum Leben reichte. Letzteres kennt man ja heute aus dem Medienbereich, wo viele Freelancer ebenfalls gezwungen sind, sich und ihre Arbeit unter Wert zu verkaufen. Überhaupt sind viele Probleme, die in dem Buch geschildert werden, hochaktuell.

Bin, nebenbei bemerkt, ziemlich erstaunt, wie gut mein Sohn mittlerweile Englisch spricht und versteht. Wenn wir hier zusammen Big Bang Theory gucken, lacht er über mehr Witze als ich, weil mir doch einiges verlorengeht. Vielleicht werden auch einfach nur meine Ohren schlechter. Aber auch gestern Abend: Ich hatte das große Verlangen, ihm „Bohemian Rhapsody“ zu zeigen, der Film lief natürlich auf Englisch, war aber überhaupt kein Problem. Habe übrigens nochmal festgestellt, was das für ein toller Film ist. Musste zwar nicht die ganze letzte halbe Stunde heulen, wie beim ersten Mal, war aber auch diesmal noch sehr berührend. Und mein Sohn hat das auch verstanden. Er fand übrigens den Trommler stark – und war dann relativ erstaunt, als ich ihm erzählte, dass ich auch mal in einer Rockband getrommelt habe …

Bin glücklich, dass wir diese Reise gemacht haben. Und dass meine Knie halten. Waren fast jeden Tag kicken, zweimal in Liverpool, zweimal in Manchester, jeweils auf so einem Kleinfeld-Park, wie es sie hier in jeder größeren Stadt gibt (inklusive Ligabetrieb), in Morecambe auf einem öffentlichen Platz. Das System hier ist ganz einfach. Man zahlt überall zwischen 1 und 3 Pfund die Stunde und kann dann spielen. Und wir haben tatsächlich Glück mit dem Wetter. Immer wenn wir kicken wollen, reißt der Himmel kurz auf. Und so ganz nebenbei hat mein ältester Sohn zuhause gestern seine Führerscheinprüfung bestanden. Dem Himmel sei Dank.

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