Abreise

Schweden – bzw. das Wetter in Schweden – zeigt sich am Abreisetag von seiner besten Seite. Weiß nicht, ob man das toll oder scheiße finden soll. 2 Wochen waren mal wieder viel zu kurz. Macht schon Sinn, dass manche Länder von Juni bis September Ferien haben. Wir klotzen und klotzen. Und wofür?

Gestern noch eine Ausfahrt mit meinem großen Sohn gemacht. Nur wir beide, das Boot und der See. War ziemlich windig und die Wellen gingen ordentlich, aber es war trotzdem klasse. Ein klitzekleines Vater-Sohn-Abenteuer. Ersetzt 50 Seiten Erziehungsbuch.

Und mir ist noch ein lustiger Satz bei Miller aufgefallen, der eigentlich alles auf den Punkt bringt. Ich wundere mich, wie man in seinem bzw. meinem Alter (so alt war er ja damals zu der Zeit der Briefe, die ich gerade lese) noch so wissbegierig sein kann. So scharf auf Input. Ich meine, das bin ich auch noch irgendwie, aber anders. Er liest und liest und synthetisiert tausend Theorien. Ich hingegen hab das Gefühl, ich könnte im Grunde alles in einem Satz sagen. Also ich habe diesen Satz noch nicht, aber er liegt mir auf der Zunge …

Steck-Rüben

Keine Ahnung, warum, vielleicht liegt es an dem neuen Cowboy-Unterschlupf, den sich die Jungs hier im Wald gebaut haben, auf jeden Fall entwerfen meine Söhne gerade wie wild Steckbriefe.

Mein großer Sohn hat einen mit dem Computer angefertigt, und ich bin ziemlich baff, weil ich an diesem Programm immer total verzweifle. Er hat sich da richtig reingefuchst. Ich musste an ein Interview denken, das ich mal mit dem Komponisten Serge Weber für meine Abschlussarbeit geführt habe, wo der mir erzählte, er habe sich damals diesen ersten großen Synthesizer von Korg, glaube ich, gekauft und so ausgereizt, dass ihn Korg danach angerufen hätte, wie denn diese Sounds zustande gekommen wären …

Denke ohnehin wieder viel an mein Studium, weil in Miller in seinen Briefen immer so viel zitiert und verweist, dass man sich wieder gänzlich unbelesen und uninteressiert fühlt. Auf der anderen Seite merke ich aber auch, dass mich Theorie tatsächlich nicht mehr so richtig interessiert, weil sie das „Leid“ – so wie es die Buddhisten ja als alltäglich annehmen – nicht verhindert, im Gegenteil. Also: ja, man braucht eine geistige Haltung, aber wer nicht mehr in der Lage ist, die Fender-Konstruktion am Steg auszubessern (gestern) und die Zündkerze am Rasenmäher zu säubern (heute), wird sich mittelfristig in Luft auflösen. Da halte ich es auch lieber mit Djian als mit Miller.

Mein kleiner Sohn hat sich übrigens statt Computer aufs Zeichnen verlegt und dabei gleich noch einen „Steckbrief“ von mir angefertigt. Immerhin, ich bin doppelt so viel wert wie Joe Dalton

Tolle Hechte

Wow. Mein großer Sohn hat seinen ersten Hecht gefangen. Und einen Barsch obendrein. Haben wir gestern Abend gegessen – de luxe. Das ist auch klasse zu beobachten, was das mit ihm gemacht hat. Ich bilde mir ein, dass er jetzt viel aufrechter geht, im Ernst, wie ein junger Ritter, der seinen ersten Drachen besiegt hat, na ja, fast jedenfalls. Auf jeden Fall eine tolle Etappe auf seinem Weg.

Das Lustige ist, dass wir gerade parallel abends als (Schön-)Schreibübung (Hat mein Vater früher auch mit mir gemacht, hab ich gehasst, heute bin ich ganz dankbar.) eine Geschichte über „Hermann, den Hecht“ entwickeln, der keine Freunde hat, weil ihn natürlich alle anderen Fische fürchten, also alle, bis auf einen: Rudolf, das Rotauge …

P.S.: Liebe Diebe – der „Plot“ ist hiermit patentiert.

 

Der alte Mann und der See

Henry Miller fasziniert mich immer mehr. Unsere Terrasse sieht mit dem ganzen Angelzeugs abends zwar mehr nach Hemingway aus, aber ansonsten kann ich diesem besessenen, belesenen Anti-Freak ganz gut folgen. Spannend finde ich, wie Miller bei jedem Brief immer gleich das Publikations-Potenzial mitdenkt. Anais Nin soll dann Briefe aufbewahren oder kopieren oder wieder mitbringen, weil er irgendeinen Gedanken darin nochmals in irgendeinem anderen Text verwursten will.

An dem Tag als er beschreibt, wie er den Vertrag für „Wendekreis des Krebses“ (Habe ich als Zivi gelesen. Mein erstes war allerdings „Wendekreis des Steinbocks“, und wer hatte es im Regal? – Meine unterschätzte Mutter …) unterschreibt, ist er sich nicht zu blöde im letzten P.S. Anais Nin darauf hinzuweisen, dies sei so ein Brief, der später mal viel Geld wert sei. Na ja, er formuliert es natürlich galanter, aber der Sinn bleibt der gleiche:

Aber, klar, verständlich ist das schon. Jemand, der jahrzehntelang denkt, er habe es (womöglich) in sich, sieht sich regelrecht als „geheilt“, wenn plötzlich jemand aus dem Literaturbetrieb auf ihn zukommt und sagt: „Ich glaube an Dein Buch“. Das ist ganz rührend, wie Miller diese Erleichterung beschreibt, nämlich nun schwarz auf weiß den Beweis zu haben, dass er und sein schaffendes ICH stärker waren als die (Selbst-)Zweifel und vor allem die widrigen Umstände.

Ich musste an mein Lektorat mit Jan-Uwe denken, der seiner Freundin die letzte (von uns gemeinsam überarbeitete Version) mit den Worten übergab: „Freu Dich, Du darfst jetzt ein gutes Buch lesen.“ – Kann natürlich auch sein, dass er damit meinte, wir hätten noch ganz schön viel dran geschliffen, aber gefreut habe ich mich trotzdem.

Made in Schweden

Mir fiel eben der Spruch auf dem Maden-Töpfchen auf, das die Jungs im hiesigen Husqvarna (Angelbedarf, Motorsägen, Aufsitzmäher, Waffen) als Köder gekauft haben – jeden Morgen sitzen sie, wenn wir aufstehen, bereits seit einer Stunde auf den Felsen am See und angeln; und ich dachte zunächst: „Ha respekt för svaga isar“ hieße soviel wie „Respektiere auch die schwachen Geschöpfe“, also die Maden, aber eigentlich heißt es nur, man solle (beim Eisangeln) auf dünnes Eis achten …
Schade. Das andere hätte dem Macho-Gehabe eine gesunde Portion Buddhismus hinzugefügt.

Alte Schweden-Happen

Erster Fangerfolg – ein kleiner Barsch. War immerhin ein warmes Häppchen für jeden. Und obwohl meine Freundin echt talentiert ist, war das Ausnehmen schwerer als das Fangen …

Mein kleiner Sohn schreibt abends immer fleißig Tagebuch. Gestern war es allerdings schon so spät, dass ich mich genötigt sah, ihn zu fragen, ob er nicht schon vor dem Abendessen damit anfangen könne. Da antwortete er ganz entrüstet: „Aber nein, da gibt es doch noch was zu erleben.“

Lese ganz begeistert in den Briefen Henry Millers. Bin gerade in der Zeit im Januar 1932, wo er in Dijon eine Stelle als Englischlehrer annimmt – aus moralischer Verpflichtung einem Freund gegenüber, der ihm die Stelle besorgt hat. Und nun sitzt er da, in dieser Anstalt, saukalt, keine Bezahlung, kein Kaffee, nur Idioten, Frau in Amerika, Anais Nin in der Schweiz, und er kurz vorm Durchdrehen. Und über einen Satz bin ich echt gestolpert – der ist mir in der Art auch schon auf so manchem Dreh durch den Kopf gegangen (draufklicken):

Kein Wunder, dass Miller so besessen war. Schließlich war der schon Ü-40, als es bei ihm richtig abging. Hab das Gefühl, mich könnte die gleiche Panik befallen, wenn ich mit 53 meinen ersten Kinofilm mache. Obwohl, vielleicht bin ich auch jemand, dem dieser eine Film reicht, vorausgesetzt, er ist gut. So, wie mir im Prinzip Jugendstil gereicht hat. Oder die Tatsache, meine Doktorarbeit publiziert zu haben. Allerdings besteht auch die leise Gefahr, alt zu werden mit dem Empfinden, jedes einzelne Werk wäre nicht angemessen wahrgenommen worden … da hilft nur eines. Wenn es soweit ist, mit nordischer Beruhigungs-Idylle betäuben!

 

 

Geheimnis, Brief!

Alter Schwede. See im Rücken. Lese Henry Millers Briefe an Anais (mit 2 „i-Tüttelchen“) Nin. Wobei, heute habe ich mich erstmal durch die Einleitung des Herausgebers gekämpft. War aber ganz lehr- und aufschlussreich. Man denkt von diesen berühmten Autoren ja immer, dass das alles ein einziger Triumphzug war, dabei ist häufig das Gegenteil der Fall. Macht mit, ehrlich gesagt, Mut. Im Übrigen denke ich jedes Jahr, es wäre doch spannend, eine oder mehrere, vernünftige Brief-Korrespondenzen zu etablieren. Irgendwas mit Substanz. Stattdessen Millionen Kurznachrichten und Emails, eine dämlicher und belangloser als die andere.

Bier heißt auf schwedisch übrigens öl – finde ich für mich ganz passend. Schmierstoff, eben. Lustiger Aufdruck hier auf den Dosen: På jobbet? Avstå Alkohol – Bei der Arbeit? Hände weg vom Alkohol. Gilt nicht für Schriftsteller und solche, die es werden wollen …

Ready, Mate!

Geschafft. Lektorat beendet, jetzt kommt die Kür. Hut ab vor meinem „Man“ Jan-Uwe von mta, auf 299 Seiten circa doppelt so viele Anmerkungen und jede einzelne war berechtigt. Also, ich bin sehr zufrieden, er angeblich auch – was will man mehr?

Überlege jetzt allerdings, ob ich – wie bei Jugendstil – doch wieder eine CD zum Buch mache, mit Musik und gelesenen Passagen. Mal schauen. Jetzt geht es morgen erstmal für zweieinhalb Wochen mit allen, die mir lieb sind, nach Schweden. Die Glücksbringer freuen sich auch schon ganz dolle – auf das Buffet auf der Fähre. Haben wir diesmal dazu gebucht, spart man sich das Stullen schmieren und Gemüse schnibbeln.

Bin ganz erleichtert, dass ich die letzten Wochen und Monate so gut durchgehalten habe. Die Lüge, Bausch, das Buch, alles keine leichten Projekte. Und ich stehe immer noch aufrecht. Heute Abend allerdings nicht mehr lange. An meinem letzten Tag im Büro ist mir übrigens direkt vor der Ericusspitze ein „Plakat“ ins Auge gefallen. Ich sage nur: Oh, it´s (all so not) fresh …

Zwischen fazit und mehr …

Auf der Jugendstil-CD ist ein „Fazit“. Studentengeschwafel, ja, trotzdem musste ich jetzt wieder daran denken. War mit den Glücksbringern am Wochenende bei meiner kleinen Schwester, der Tierärztin, auf dem Land. Meine große Schwester war auch da, mit ihren Kindern. Hab mit meiner kleinen Schwester – sehr zur Freude meiner Söhne – gerauft wie in alten Zeiten. Aber erstaunt waren sie dann doch, als ihnen beide Schwestern versicherten, dass wir uns NIE gestritten haben (mir haben sie das ja nicht geglaubt). Ja, alle Kinder haben hoffentlich an diesem Wochenende einiges mitbekommen.

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Das Leben ist zyklisch – dieser Gedanke hat mich zur Jugendstil-Zeit sehr geprägt. War mir damals gar nicht so sicher, ob das stimmt. Aber jetzt gibt es zwei neue Beweise: Mein kleiner Sohn ist nämlich ganz angefasst, weil sein Lieblingsstürmer vielleicht wechselt (Zitat: „Gomez flüchtet“). Und da fiel mir ein, wie schwer ich das damals genommen habe, als Kalle Rummenigge nach Italien ging.

Außerdem musste ich am Wochenende daran denken, wie mein Vater damals in Spanien für alle Kinder beim Eismann „Brauner Bär“ kaufte und alle diesen Nougat-Kern total ekelig fanden. Mir tat mein Vater damals leid, aber jetzt war ich der Papa, und das ist irgendwie tröstlich, dass so etwas jedem passieren kann. Ich hatte nämlich so ein paar fiese Western-Flips gekauft für einen Kinder-Kino-Abend (Dschungelbuch) – und die mochte auch niemand (Zitat meine kleine Nichte: „Ich mag sie ein kleines bisschen …“). Musste natürlich lachen. Nächstes Mal gibt´s wieder Popcorn. Selbst gemacht, versteht sich.

Ansonsten? Heute Abend wieder Lektorat. Vorletzte Sitzung …