Euch die Erde untertan. Well … Good job, mankind.
Die Sonne lässt things besser „scheinen“:
Läuft nicht alles, wie geplant, aber es läuft. Wir kommen hier langsam in so einen Flow, der Kameramann und ich, das ist der Vorteil, wenn man jeden Tag dreht: Es entsteht dieses Gefühl, morgens einfach „zur Arbeit“ zu gehen, der einzelne Dreh verliert an Größe. Trotzdem muss man immer hellwach sein.
TV-Journalismus wird unterschätzt, gerade von Print-Kollegen. Wir können nicht einfach ein Interview „sauber“ machen. Ich muss ja mit dem Material so umgehen, wie es 1:1 aus dem Mund des Protagonisten kommt. Das heißt, ich muss zusehen, dass es Sinn macht, man es ggf. schneiden kann, und es trotzdem Tiefe hat. Und das muss ich überblicken, noch während mein Gegenüber spricht …
Trotzdem sind das am Ende natürlich alles Kleinigkeiten. Mein Land verharrt in Schockstarre, wegen dieses schrecklichen Flugzeugabsturzes. Läuft hier auch in den News hoch und runter. Unter den Toten eine Schulklasse. Was für ein Drama.
Und zack, als wäre nichts gewesen, ist der Schnee wieder weg. Heute bewusst 1 Tag off, zumindest so halb. War noch bei Patrick, Pressefotos machen. Dabei erzählte er nebenbei, dass man Möbel von ihm für Sarah Jessica Parkers Haus gemietet habe, um Fotos für den Verkauf des Hauses (ist gerade für 20 Millionen Dollar weggegangen) zu machen, weil die Promis natürlich nicht ihre eigenen Möbel öffentlich machen. Krass. Was für ein netter, bescheidener, toller Typ. Mit einer ebenso tollen Frau, Tamika. Sie haben meine Freundin, die Jungs und mich eingeladen, sie mal zu besuchen. Das wäre eine Show.
Einer Einladung bin ich heute schon gefolgt. Wenn auch leider allein. War wieder bei Ayana und ihrem Mann zu Besuch im Black Forest. Hatte ein leckeres Schnitzel. Nächstes Mal nehme ich die Schweizer mit. Ist ja vom Schwarzwald nicht so weit weg.
Hab dann auf dem Rückweg noch bei McD für einen Kaffee gestoppt. Da waren so viele interessante Menschen drin, musste ich einfach rein. Eine junge, kleine, etwas gedrungene, schwarze Reinigungsfrau hat mich zu Tode gerührt. Der Kaffee war gar nicht schlecht, nur sauheiß. Mir fiel ein, dass das mal eine Riesenklage in den USA war, eine Frau, die sich am Kaffee verbrannt hatte und dann McD verklagte. Konnte ich plötzlich nachvollziehen. Seitdem steht das wohl auf den Deckeln.
Ansonsten heißt es Kraft tanken. Und warme Sachen kaufen. Hab mir in einem Army-Shop, den mir der Kameramann empfohlen hat, eine Wollmütze gekauft – und eine Dickies-Workpants für 25 Dollar. Die kostet bei uns das Dreifache.
Obwohl ich gestern der Beerdigung meiner Oma nicht beiwohnen konnte, war mein Arbeitstag auf der anderen Seite mal wieder einer von der Sorte, wo das, was man sieht und erlebt, den Druck vergessen lässt.
Hab vormittags noch mit dem Designer Patrick auf der Architektenmesse gedreht, was cool war, und anschließend noch die anderen drei Protagonisten getroffen. Ich meine, wer weiß schon, wie ein Uhrmacher in Manhattan arbeitet? Oder wie die Credit Suisse von innen aussieht? Hab alles zu Fuß und per Subway gemacht (während meine Oma zeitgleich zu Grabe gelassen wurde).
Hatte sogar Zeit für einen Mini-Stop in der Public Library. Hingesetzt, Schnauze gehalten, eingeatmet, Notizen gemacht. Taschenkontrolle am Ausgang. Klar, hier sind Bücher Schätze. Toller Ort. Da würde ich gerne mal eine Lesung machen. Aber dafür müsste man wahrscheinlich ein Universalbuch schreiben, irgendwas Cleveres, keine Ahnung, eine Psychogeschichte über Jesus und Mohammed, wo es nur um Liebe und das große Ganze geht und sich am Ende herausstellt, dass beide eine und dieselbe Person sind. Aber dann steht man bestimmt gleich auf irgendeiner Todesliste. Na ja, zumindest die Beerdigung würde ich nicht verpassen.
Meine Oma wird heute beerdigt, und ich bin nicht da. Immerhin fährt meine Freundin für uns hin, sie ist schon auf dem Weg in die norddeutsche Tiefebene …
Klar, wäre jetzt gerne bei ihr. Aus 1000 Gründen. Stattdessen beginnt für mich gleich der Arbeitstag. Moderne Welten. Und überhaupt kein Land in Sicht vor dem „Country Inn“ in Long Island City.
Hier ist es halb Fünf morgens, kann nicht mehr schlafen, vielleicht jetzt doch die Zeitumstellung. Hab schon kurz mit meiner Freundin telefoniert, immerhin. Der erste Drehtag war gut. Der Protagonist, Patrick Weder, ein angesagter Holzdesigner, ist ein sehr netter, interessanter Typ. Haben ihn bei den Vorbereitungen für eine Messe begleitet. War hektisch, aber ich bin gleich bisschen herumgekommen. Das war nett. Möchte, glaube ich, trotzdem nicht hier leben, zumindest nicht für immer. Gestern fegte ein fieser Wind durch die Stadt und hat den ganzen Müll herumgewirbelt. Dafür bin ich dann doch zu sehr Landei. Aber wenn man sie portionsweise konsumiert, ist die Stadt schon sehr inspirierend. Sind gestern an dem Studio vorbeigefahren, wo sie Birdman gedreht haben – WOW!
Nachdem ich mir mein Abendessen gestern in der Tankstelle nebenan geholt habe (mein Feierabendbier wurde tatsächlich in einer dieser braunen Papiertüten verpackt oder, besser gesagt, versteckt – filmreif), sah das Frühstück heute Morgen leider auch nicht viel besser aus.
Ungesunder Kram auf Einmalgeschirr. Dabei trägt das Hotel ein „Country“ im Namen. Doch so ist das, und am Ende schmelzen dann eben die Gletscher. Aber der Kaffee war lecker, Instant-Kaffee trinken wir zuhause ja auch frühmorgens in der Woche, insofern kein Problem.
Jetzt warte ich auf den Kameramann, gleich geht es zum ersten Dreh, mit einem Schweizer Holzdesigner, klang am Telefon sehr nett. Bin trotzdem konzentriert, so ist der Job. Noch einen Kaffee, ein Blick auf die Skyline (der Ausblick ist super, hab das Zimmer bestimmt bekommen, weil ich 2 Wochen hier bin – oder vom Fernsehen), auf dem Schreibtisch wacht Cees Nooteboom und gibt meiner Mission einen literarischen Anstrich, alles ist Erzählung. Ich bin Dichter. Dichter dran.