Zufällig bemerkt

analog

Erinnert Ihr Euch, dass ich letztens schrieb, ich würde trotz (oder wegen) der ganzen Digitalisierungsdebatte in vielen Bereichen wieder „analoger“? Nun titelt der aktuelle Spiegel: Wie ich ich bleibe – Mensch sein im Google-Zeitalter. Lustig, gell?

Vorab: Finde den Artikel schön geschrieben, auch wenn die Umwälzungen und Auswirkungen, selbst wenn man sie als riesig und gigantisch und unumstößlich schildert, auf ein paar Zeilen geschrieben, ein bisschen fahl bleiben. Oder unfassbar. Ja, die wahren Ausmaße werden wir erst in der Rückschau ermessen können, da bin ich mir sicher.

Zwei Aspekte fand ich besonders erwähnenswert. Zum einen hat ein Mann namens Ben Waber die Mitarbeiterkommunikation großer Unternehmen untersucht und dabei herausgefunden, dass insbesondere die informellen Gespräche zwischen Mitarbeitern (auf dem Flur, an der Kaffeemaschine etc.) wichtig für den Erfolg eines Unternehmens seien, d.h. gerade die Momente, die auf den ersten Blick ineffektiv erscheinen, sorgen unterm Strich aber für zufriedenere, gesündere, kreativere und auch effektivere Mitarbeiter. Dass das mal so gesagt wird, finde ich deswegen gut, weil ja gerade im Medienbereich seit Jahren dieser Trend zur Umstellung auf freie Mitarbeiter zu beobachten ist, die – das ist ja der Hintergedanke – eben auch nur für ihre Arbeits(!)- und nicht mehr für die scheinbar ineffektiven (aber doch lebensnotwendigen) Zwischenzeiten bezahlt werden.

Zum anderen bemerkt der Berliner Paartherapeut Christoph J. Ahlers in dem Artikel, er habe die Erfahrung gemacht, Paaren, die sich über das Internet gefunden hätten, fehle häufig ein echter „Gründungsmythos“, also eine klassische Kennenlern-Geschichte, auf die sich ein Paar im Falle einer Krise auch mal stützen kann. Das fand ich auch interessant. Meine Freundin und ich haben eine schöne Geschichte, die ich hier nicht im Einzelnen darlegen werde. Doch ich verrate sicher nicht zuviel, wenn ich sage, dass wir uns zwar gefunden haben, aber nicht gesucht. Zumindest nicht bewusst. Das ist sicher noch das beste Erfolgsrezept. Und obendrein auch eine Art „Gründungsmythos“.

Letztlich geht es ja um die große Frage, wieviel Platz wir am Ende der Digitalisierung noch dem Zufall überlassen. Und welche Rolle das „Schicksal“ dann noch spielt, wenn scheinbar alles berechenbar, analysierbar und kalkulierbar ist. In der taz am letzten Wochenende hat der Philosoph Wolfram Eilenberger schön beschrieben, warum der Fußball diesbezüglich trotzdem immer noch eine „Oase des Zufalls“ sei. Deswegen liebe ich diesen Sport ja auch so und freue mich schon wieder wie blöd auf unser Freundschaftsspiel heute Abend. Analoger geht´s gar nicht.

Ein letzter Satz aus dem Spiegel-Artikel stammt von dem Internetvordenker Jaron Lanier: „Niemand kann etwas über sich herausfinden, ohne Risiken einzugehen.“ Er bezieht das auf die neue totale digitale Überwachung der Kinder durch deren Eltern, also z.B. Apps, mit deren Hilfe man virtuell verfolgen kann, wo die eigenen Kinder sich gerade aufhalten. Mein älterer Sohn ist jetzt nochmal mit einem Freund weggefahren. Ich habe ihm mit auf den Weg(!) gegeben, ich würde mich zwar über Lebenszeichen freuen, er müsse sich aber nicht melden. Oder anders formuliert: No risk, no fun.

back to what

Erster Tag im Büro. Obwohl ich heute eigentlich noch frei genommen hatte. Hatte ich aber offenbar vergessen.

IMG_9916

Komme ein bisschen schwer rein. Das Wochenende war aber auch recht schwer. Die Beerdigung meiner Cousine hat uns alle doch sehr bewegt. Alle standen da und kämpften mit dem Gefühl, dass da jemand aus der falschen Generation von uns geht. Ich meine, es ist immer traurig, wenn ein Familienmitglied stirbt, aber wenn das viel zu früh passiert, haut es einen echt aus den Socken.

Bin dann abends noch nach Brunsbüttel gefahren, um meinen alten Kumpel Gudze zu besuchen, der da auf einem kleinen, aber feinen Festival mit den H-Blockx gespielt hat, und das war ein schöner Kontrapunkt. Gute Freunde sind beinahe genauso wichtig wie Familie oder, wie Tucholsky mal sinngemäß sagte, die Qualität eines Mannes erkennt man an seinen Freunden – demnach kann ich nicht total bescheuert sein.

IMG_9927 Festival

Danach ging es gleich weiter zu meiner Mutter, in meinem treuen „Elch“, mitten durch dieses krasse Unwetter. Das war ein Schauspiel, ein Blitzen und Leuchten und das alles vor dieser Dithmarscher Hochbrücken- und Windrad-Kulisse, gespenstisch, doch selbst das passte zu diesem existentiellen Tag.

Hatte – natürlich auch wegen der Beerdigung – das Gefühl, es sei gut, einfach mal wieder mit meiner Mutter zu quatschen. Und obwohl wir nur den Samstag hatten, war es genau richtig. Haben noch einen schönen Schleswig-Bummel mit meiner großen Schwester gemacht, ein Stück Kuchen gegessen und einfach geredet. Ganz einfach.

IMG_9933 IMG_9939

Hab bei der Gelegenheit auch zum ersten Mal das Grab meiner Oma besucht. Ich war ja drehen, als sie beerdigt wurde. Die Grabstätte war im Unwetter ein bisschen durcheinander geraten. Hab dann zwei Blumen gekauft, das Ganze etwas gebändigt – und auch noch eine kleine Eule „beigesetzt“ als Schutzengel, keine Ahnung, war so ein Impuls.

Bei dem ganzen Nachdenken ist mir ein bisschen entgangen, dass im Fernsehen quasi die „Jöns-Anders-Festwochen“ liefen: Freitag der 2. Teil der New Yorker im SRF, Samstag meine Wohnen-Doku auf VOX und Sonntag Kriminalfälle auf Kabel 1. Das ist das erste Mal in 10 Berufsjahren, dass das ganze Wochenende irgendwo Filme liefen, an denen ich mitgearbeitet habe – ist aber auch nicht so wichtig.

Immer wieder geht die Sonne auf

Was für meine Freundin und meine Schwester der neue Pferdestall ist, ist für mich mein Schlagzeug-Übungsraum. War heute seit einem Monat mal wieder da, konnte kaum die Sticks halten, aber mein verletzter Daumen hat irgendwie durchgehalten.

Billbrook

Der Raum liegt mitten im Gewerbegebiet in Billbrook. Ich liebe die Ecke, die „rockt“. Hab auf dem Rückweg ein Foto gemacht, das eigentlich alles ausdrückt. Blick übers Wasser bis ans Ende der Welt, oder zumindest der Stadt.

Bin etwas durch den Wind, seit Tagen schon (das erklärt vielleicht einiges), weil ich morgen zur Beerdigung einer Cousine muss, die überraschend gestorben ist. Das ist so krass, dass mir die Worte fehlen. Offenbar gibt es ein paar Verfügungen, wonach keiner in Schwarz kommen und es irgendwie eine „fröhliche“ Trauerfeier werden soll. Ich werde mein Bestes geben, aber ich weiß gar nicht, wie das werden soll.

Hänge noch ein Video an, das vielleicht in ihrem Sinne gewesen wäre:

Tat Ort

Hase

Keine Sorge, wird jetzt kein Dauerthema, doch wenn man einmal ein bisschen sensibilisiert ist, bemerkt man erst, wieviele Tiere eigentlich totgefahren auf der Straße herumliegen. Schrecklich. Ich glaube, ich habe noch nie eines erwischt, obwohl ich seit fast 25 Jahren Auto fahre.

Das Foto oben habe ich gestern gemacht, auf einer Landstraße Richtung Stapelfeld. Ist nichts arrangiert oder verändert, der Gummihandschuh lag da genauso, wie man es hier sieht. Verrückt, oder?

Versuche seit Tagen, meine kreativen Notizen weiter zu ordnen. Müsste eigentlich ein kleines Programm für die Lange Nacht der Independent-Verlage erarbeiten (29. August). Darf da die mta-Autorin Ina Bruchlos vertreten und soll ein bisschen was lesen. Aber was? Gedichte? Was aus dem Blog? Mit Fotos? Ein kurzes Prosastück? Es ist einiges auf der Festplatte, aber ich tue mich ein bisschen schwer mit der Struktur.

Doch das Wichtigste! – Wir haben jetzt ein Patenkind in Tansania, was ich super finde. Gestern wollte ich einen Brief schreiben. Auf Englisch, mit der Hand, über unsere Familie, wer wir sind, was wir machen. Aber ich will da so viel reinlegen, dass ich noch keinen einzigen Satz formuliert hab. Dabei steht das auf meiner Liste ganz oben. Also, ich weiß sehr wohl, dass DAS die wichtigen Dinge des Lebens sind und es mir in diesem Leben unverschämt gut geht. Dass ich mich wirklich glücklich schätzen kann. Warum dann diese Grübelei? Total behämmert.

Lese ab und an ein bisschen in Heines Harzreise. Heine unternimmt da ganz viel. Ist jeden Tag an einem anderen Ort, trifft Menschen, lässt sich Dinge zeigen, eine richtige Recherche-Reise. Einmal lässt er sich sogar den Stollen eines Bergwerks zeigen. Ganz spannend, wie er das Besondere dieser Erfahrung beschreibt. Und da fiel mir ein, dass ich schon sowohl in einem Salz- als auch in einem Schieferbergwerk gedreht habe. Ja, auch das ist mir bewusst: Dass mich mein Job an ungewöhnliche Orte bringt, die ich sonst nie gesehen hätte. Vielleicht ist das aber auch Teil des Grübel-Problems. Wenn man sich einerseits mal intensiv mit moderner Systemtheorie beschäftigt hat und sich  andererseits nach und nach explorativ, d.h. gewissermaßen „be-greifend“, ein Bild von der Welt zusammenpuzzelt, dann führt das zunehmende Verständnis an einem bestimmten Punkt zunächst einmal zu einem riesigen klebrigen Matsch in der Birne.

Taub und Blind Pflug

Foto 1

Meine Freundin und meine Schwester ziehen zusammen! Naja, zumindest ihre beiden Pferde. Sie haben eine Koppel klargemacht, in dem Kaff, in dem der NDR auch immer diesen Bauernschwank mit Jan Fedder dreht. Waren am Wochenende da, und ich muss sagen: Bin hin und her gerissen. Einerseits ist es super, andererseits habe ich die Befürchtung, dass es mir so gut gefällt, und ich mich da so einbringe, dass ich literarisch zu gar nichts mehr komme. Nein, im Ernst, ist ein Knaller. Und mein Lebensabend als Kleinbauer und Selbstversorger offensichtlich vorbestimmt.

Der Weg dahin ist allerdings gepflastert mit Zivilisationsopfern. Diese eindrucksvolle tote Taube musste ich dokumentieren – ihr zu Ehren. Finde es rührend, wie sie, vom Winde getragen, noch ein letztes Mal den Flügel hebt. Hab das norddeutsche Motiv mit New Yorker Sirenen-Geheuel untermalt. Die Cops auf der Suche nach dem flüchtigen Täter. Bisschen grell, egal.

roadkill from anders-blog on Vimeo.

Inkubationszeit

superman

Gucke in die Röhre
gehe leer aus
laufe ein
lerne langsam
die Big Bang Theory
zu schätzen
bekomme jetzt
die Folgen zu spüren
die in New York
im Original liefen.

Schuhe, Spielzeug, Autos, Versicherungen, Häuser: alles aus dem Internet. Mein linker, linker Platz ist frei – ich wünsche mir einen Waschmittel-Spot herbei.

Das TV-Event
von der Game Convention
wird präsentiert
von einem Game
das das „Nach“ dem
Untergang
simuliert.

Es ist so:
Im Gesicht des Texters
ein schicker Ausdruck
für jedes Horror-Szenario.

Glücklicherweise kenne ich mich in der Kreativitätsforschung ein wenig aus, sonst würde ich mir womöglich Sorgen machen. So weiß ich, dass ich nicht einfach nur vor der Glotze hänge, sondern mich in der Inkubationsphase befinde …

Laps(ka)us

Schwedisches Labskaus - nix für Hamburger
Schwedisches Labskaus? – Jedenfalls nix für Hamburger

So, mal zwei Wochen offline gewesen. Auf die Familie konzentriert. Urlaub mit allen Kindern ist ja immer auch ein bisschen „unnatürlich“, weil es genau das ist, was ich sonst nie habe. Anders ausgedrückt: „Alltag“ kann wunderschön sein.

IMG_9820 IMG_9839

Das Wetter in Schweden war ein bisschen durchwachsen. Kaum waren wir wieder hier, knallte die Sonne. Eigentlich schon am letzten Tag, als wir gepackt haben. Egal. Hab ein bisschen Heine gelesen. Das Nordseestück. Beim Lesen fiel mir auf, dass ich es schon mal versucht habe zu lesen und bereits beim ersten Mal genervt war, weil es so wenig um Land und Leute ging; dafür viel um kulturelle Identität. Das wiederum klingt immer noch sehr aktuell. Im nächsten Leben studiere ich Geschichte – oder mache eine KFZ-Lehre. Im Ernst. Über die ganzen Digital-Diskussionen der letzten Wochen bin ich andererseits wieder ein Stück analoger geworden. Liegt vielleicht auch daran, dass ich es vor lauter Ideen oder, besser gesagt, „Einfällen“ immer noch nicht so recht geschafft habe, das „nächste große Ding“ anzusteuern. Oder überhaupt zu skizzieren. Es ist viel da, aber nichts, was sich aufdrängt. Vielleicht ist sogar zu viel da, keine Ahnung, total bescheuert. Hätte ja sogar noch ein paar Tage frei. Doch je länger da etwas unausgesprochen schlummert, desto lethargischer wird man. Anstatt einfach loszulegen, sitzt auf dem Sofa, macht eine Wäsche, sitzt auf dem Sofa, saugt drei Mal am Tag hinter den Katern her, die sich offenbar ein Spaß daraus machen, Spuren zu hinterlassen, sitzt wieder auf dem Sofa, guckt durch die Urlaubsfotos …

IMG_9812 IMG_9814

In schwedischen Kirchen kann man jetzt nicht nur die Kollekte per EC-Karte spenden, sondern auch vorher per Tastendruck bestimmen, ob das Geld eher für die Jugendarbeit, Kerzen, Bücher oder die Suppenküche verwendet werden soll. Ist übrigens nicht so verrückt. Schweden wollte, wenn ich mich recht erinnere, vor ein paar Jahren das Bargeld abschaffen und komplett auf Kartenzahlung umstellen. Klappte dann nicht. Aber in Göteborg hatten drei kleine Läden, in denen ich war, kein Wechselgeld. Weil man auch einen Kaffee mit Karte zahlt. Besäße ich eine KFZ-Werkstatt, stünde dort ein cooler Kaffee-Automat, den man statt mit Euros mit großen Unterlegscheiben füttern könnte. Das hätte Stil.

Ansonsten? Schmerzt mein Daumen bei allem, was ich tue. Fördert auch nicht gerade den Schaffensdrang. Hab kurz vor unserer Abreise einen Elfmeter meines Jüngsten gehalten, eben so, wie man hält, wenn man kein Torwart ist: mit dem Daumen. Hab mir auf dem Platz kaum etwas anmerken lassen, doch für einen Moment dachte ich: Okay, das war´s mit meinem Drum-Revival. Ist aber wohl nur gestaucht. Behandele das Ganze mit Eis und Traumaplant. Hätte eben fast Meerrettich-Sauce drauf geschmiert, weil sich die Tuben so ähnlich sehen.

Low Jones – Fre Dax Musik

Foto 2

Zwischenstopp in Göteborg. Muss hier noch die fünfte Flitzpiepe einsammeln – beim Gothia-Cup, dem größten internationalen Jugendturnier der Welt. Die anderen sind schon mal vorgefahren. Hab den Tag gut genutzt. War ja noch nie hier. Gleich auf Anhieb den richtigen Weg in die Altstadt gefunden, um 12 Uhr die Freitagsmusik im Dom mitgenommen. Fand ich super. Waren auch ziemlich viele Leute da. Kann mir schon vorstellen, dass Organisten zu bestimmten Zeiten Stars waren.

Domkyrkan Göteborg from anders-blog on Vimeo.

Danach in einem urigen Antiquariat Heines Reisebilder und einen Comic erstanden, anschließend ein bisschen beim Turnier zugeguckt, jetzt im Hotel, Telefon aufladen und mich selbst.

Foto 4 Foto 3

Genieße es, ohne große Anstrengung die Welt zu bereisen, merke aber auch, dass man den Orten nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit schenkt. Weil Göteborg hinter dem blinden Fleck meines geistigen Auges ein bisschen aussieht wie Riga wie Lübeck wie Wuppertal wie Newark wie … oder, andersherum, kann mir schon vorstellen, dass eine Reise zu bestimmten Zeiten der Höhepunkt eines Lebens war. Trotzdem sauge ich alles auf. Hab ja an der Uni ein bisschen Schwedisch gelernt, viel ist nicht mehr da. Erinnere mich aber daran, dass ich damals eine Hausarbeit über einen tollen Roman von Ulf Lundell, Schwedens bekanntestem Rock `n´ Roll-Poeten, geschrieben habe: Jack, in Anlehnung an Jack Kerouac, aber auch an die Verwebung von Dichtung und Musik.

Hab auf jeden Fall auf dem Weg zum Hotel aus dem Straßenbahnfenster heraus eine Konzertankündigung gesehen. Jetzt checke ich gerade ein paar Songs von Lundell auf Spotify aus. Moderne Welt. Verstehe die Texte nicht so richtig, höre aber auch nicht richtig hin. Die Musik haut mich jetzt nicht gerade um.

Foto 1

Egal, manchmal ist der Kontext von Kunst erhabener als das Werk selbst, kennt man ja. Ich liebe übrigens dieses schwedische Leichtbier, das es hier zu einem vertretbaren Preis zu kaufen gibt. Kommt auch besser, wenn es draußen so heiß ist. Heute war es echt extrem. Superdrückend. Hatte das Gefühl, jeden Augenblick haut es den Himmel auseinander.

Auf geht’s

image

 

Motoren laufen, Fähre dreht, Schweden kommt. Die Sonne scheint und lacht über die eine dunkle Wolke. Hab meine Lieben dabei und eine neue Idee. Werde ein bisschen darauf herumdenken. Aber erstmal gute Fahrt.

Ansonsten? Was fürs Medientagebuch – was LeFloid nicht geschafft hat, hat ein libanesisches Mädchen geschafft: im Angesicht der Kanzlerin relevant zu sein.

 

Selbst-Diszipliniert

Der Pfeifenmann und ich. Näher sind wir uns zeitlebens nicht gekommen.
Der Pfeifenmann und ich im Grass-Haus. Näher sind wir uns zeitlebens nicht gekommen.

„Ich gehe an einer Wand vorbei, auf der nein nein nein nein steht, und dann an einer Bronzeplatte mit einem sehr großen Marx-Kopf, unter dem kleine Männlein herumschwirren. Hirte, laß deine Schäfchen gehen, denke ich automatisch, wahrscheinlich wegen der späten Stunde.“
(Cees Nooteboom, Berlin 1989/2009, Suhrkamp)

Es gibt Bücher, die kann man zu einer beliebigen Zeit an einer beliebigen Stelle aufschlagen, und bereits nach ein paar Zeilen weiß man, dass man mehr weiß als vorher. Die erweiterten Berliner Notizen von Nooteboom sind so eines. Wenn Geschichten-Schreiber von Geschichte, im Sinne von Zeitgeschichte, kommt, steht der Niederländer in guter Tradition mit Grass. Tatsächlich ist das am Ende eben doch die große Kunst, eine Story nicht nur packend zu verpacken, sondern sie so in einem historischen Kontext zu verankern, dass sie zeitgleich zeitlos erscheint.

Würde auch gerne ein Buch schreiben, dass keine Fragen offen lässt. Oder alle. Oder den Leser dazu bringt, Fragen zu stellen. Oder sich selber zu beantworten. Hab bei 3SAT vormittags einen Kurzfilm gesehen, „philosophisches Kopfkino“, ein Comic-Clip, der philosophische Versatzstücke übersetzt und kommentiert. Am Ende hatte ich fast das Gefühl, jemand hätte mir in 5 Minuten Sartre erklärt, bzw. warum wir angesichts unserer absurden, sisyphotischen Lage fähig sind, ein glückliches Leben zu führen. Nicht trotzdem, sondern weil. Respekt. Ist aber nicht alles hängen geblieben. Philosophie ist eine Disziplin, die man täglich trainieren muss. Die alten Griechen haben das so praktiziert. Scheint dort aber auch nicht alles hängen geblieben zu sein.

Griechenland gehört weiter zu Europa. Gut so. Irgendwo stand vor einer Woche noch geschrieben, Europa breche auseinander, weil sich keiner so richtig darum bemühe. Das ist, glaube ich, ein menschliches Phänomen. Dass alle Konstrukte irgendwann zerbrechen, weil der Mensch nicht abstrahieren kann. Oder weil ihm die Kraft fehlt, eine langfristige Vision über die eigenen, unmittelbaren Bedürfnisse zu stellen. Eine Gemeinschaft braucht ein existentielles Erlebnis, z. B. einen Kampf. Nicht falsch verstehen. Ich zerbreche lieber wieder in meine Einzelteile als Schulter an Schulter mit den Griechen gegen Asien ziehen zu müssen. Aber vielleicht wird diese Währungsschlacht (Varusschlacht?) am Ende genau diese Wirkung erzielt haben. Dass wir alle das Gefühl haben, etwas zusammen erlebt zu haben. Klingt nach Satire (Sartre?), ist aber mein Ernst.

Was den Hirten Marx (s.o.) betrifft, bin ich kürzlich in einer Sanft & Sorgfältig-Wiederholung hängengeblieben, in der Peter Fox mehrfach für die Linke Partei Partei ergriffen bzw. gegen die ungerechte Verteilung von Reichtum gewettert hat. Tat gut. Wobei ich mich frage, wie er „Reichtum“ definiert!? Also, ob er sich für einen Reichen hält oder (bloß) für einen Besserverdiener?

IMG_9706

Ansonsten? War ich mit meinem alten Freund, Verleger und Debattier-Kollegen Jan von minimaltrashart mal wieder Bier trin…, äh, philosophieren, und zwar genau da, wo einem die besten Gedanken nur so im Dauerfeuer durch den Kopf schießen.

IMG_9695