Selbst-Diszipliniert

Der Pfeifenmann und ich. Näher sind wir uns zeitlebens nicht gekommen.
Der Pfeifenmann und ich im Grass-Haus. Näher sind wir uns zeitlebens nicht gekommen.

„Ich gehe an einer Wand vorbei, auf der nein nein nein nein steht, und dann an einer Bronzeplatte mit einem sehr großen Marx-Kopf, unter dem kleine Männlein herumschwirren. Hirte, laß deine Schäfchen gehen, denke ich automatisch, wahrscheinlich wegen der späten Stunde.“
(Cees Nooteboom, Berlin 1989/2009, Suhrkamp)

Es gibt Bücher, die kann man zu einer beliebigen Zeit an einer beliebigen Stelle aufschlagen, und bereits nach ein paar Zeilen weiß man, dass man mehr weiß als vorher. Die erweiterten Berliner Notizen von Nooteboom sind so eines. Wenn Geschichten-Schreiber von Geschichte, im Sinne von Zeitgeschichte, kommt, steht der Niederländer in guter Tradition mit Grass. Tatsächlich ist das am Ende eben doch die große Kunst, eine Story nicht nur packend zu verpacken, sondern sie so in einem historischen Kontext zu verankern, dass sie zeitgleich zeitlos erscheint.

Würde auch gerne ein Buch schreiben, dass keine Fragen offen lässt. Oder alle. Oder den Leser dazu bringt, Fragen zu stellen. Oder sich selber zu beantworten. Hab bei 3SAT vormittags einen Kurzfilm gesehen, „philosophisches Kopfkino“, ein Comic-Clip, der philosophische Versatzstücke übersetzt und kommentiert. Am Ende hatte ich fast das Gefühl, jemand hätte mir in 5 Minuten Sartre erklärt, bzw. warum wir angesichts unserer absurden, sisyphotischen Lage fähig sind, ein glückliches Leben zu führen. Nicht trotzdem, sondern weil. Respekt. Ist aber nicht alles hängen geblieben. Philosophie ist eine Disziplin, die man täglich trainieren muss. Die alten Griechen haben das so praktiziert. Scheint dort aber auch nicht alles hängen geblieben zu sein.

Griechenland gehört weiter zu Europa. Gut so. Irgendwo stand vor einer Woche noch geschrieben, Europa breche auseinander, weil sich keiner so richtig darum bemühe. Das ist, glaube ich, ein menschliches Phänomen. Dass alle Konstrukte irgendwann zerbrechen, weil der Mensch nicht abstrahieren kann. Oder weil ihm die Kraft fehlt, eine langfristige Vision über die eigenen, unmittelbaren Bedürfnisse zu stellen. Eine Gemeinschaft braucht ein existentielles Erlebnis, z. B. einen Kampf. Nicht falsch verstehen. Ich zerbreche lieber wieder in meine Einzelteile als Schulter an Schulter mit den Griechen gegen Asien ziehen zu müssen. Aber vielleicht wird diese Währungsschlacht (Varusschlacht?) am Ende genau diese Wirkung erzielt haben. Dass wir alle das Gefühl haben, etwas zusammen erlebt zu haben. Klingt nach Satire (Sartre?), ist aber mein Ernst.

Was den Hirten Marx (s.o.) betrifft, bin ich kürzlich in einer Sanft & Sorgfältig-Wiederholung hängengeblieben, in der Peter Fox mehrfach für die Linke Partei Partei ergriffen bzw. gegen die ungerechte Verteilung von Reichtum gewettert hat. Tat gut. Wobei ich mich frage, wie er „Reichtum“ definiert!? Also, ob er sich für einen Reichen hält oder (bloß) für einen Besserverdiener?

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Ansonsten? War ich mit meinem alten Freund, Verleger und Debattier-Kollegen Jan von minimaltrashart mal wieder Bier trin…, äh, philosophieren, und zwar genau da, wo einem die besten Gedanken nur so im Dauerfeuer durch den Kopf schießen.

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