Betrachtungs-Weise

3sat
Gestern in Mainz gewesen. Habe dort mit einem geschätzten Kollegen ein paar Ideen bei 3SAT vorgestellt. Zurück mit dem IC entlang des Rheins wieder nach Hamburg, an die gute, alte Elbe. Man denkt auf diesem ersten Abschnitt am Wasser, man reise in eine(r) andere(n) Zeit, weil man die ganze „Zeit“ auf Burgen und Fachwerkhäuser blickt.

rheinfall
Lesestoff an Bord: „Ferngespräche“, von Alexander Kluge und Rainer Stollmann. Hab es während meines Kurztripps im Januar erstanden, eher zufällig (oder eben gerade nicht?), im Heinrich-Heine-Haus in Düsseldorf, einer Buchhandlung, die im Internet zudem noch als Büchercafé ausgezeichnet war, was sich wiederum als falsch erwies. Und auf der vergeblichen Suche nach einer Toilette und einem Heißgetränk, habe ich stattdessen dieses Buch erworben.

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Wie alles von Kluge ein Wissensschatz. Betone das deshalb, weil dieser Mann, der mich mit dem, was er tut und sagt, seit meinem Studium beschäftigt (also seit über 20 Jahren), nächste Woche 85 Jahre alt wird. Wir hatten ein Mal konkret miteinander zu tun, im Rahmen einer DVD-Produktion über das Böse. Meine Freundin und ich hatten eine Spiegel TV-Doku zu diesem dunklen Thema produziert und Kluge mehrere andere, kürzere Filme, die er zurecht gerne veröffentlicht sehen wollte.

Man kann Alexander Kluge nur für das bewundern, was er aus seinem Leben gemacht hat. Und das meine ich so, wie ich es sage; wie er es geschafft hat, sich in der kommerziellen, von Quoten und Werbeeinnahmen bestimmten Fernsehlandschaft einen „Markt-Platz“ zu sichern, mit Waren, die auf diesem Markt üblicherweise nicht nachgefragt werden, sondern, im Gegenteil, über die sich alle wundern. Oder sogar ärgern. Einmalig. Diese nicht standardisierten Genüsse dennoch stets im Gepäck, und die Strukturen des „Marktes“ in der Art ausgetrickst zu haben, dass man jeden Samstag aufs Neue seinen Stand aufbauen und weitere Waren produzieren darf, gleicht beinahe schon einem Eulenspiegel-Streich. In jedem Falle ein Glücksfall für diejenigen, die nicht nur Gemüse aus holländischen Treibhäusern fressen wollen.

Alexander Kluge – so scheint es jedenfalls, von außen betrachtet – befindet sich in der einmaligen Situation, laufend neue Projekte anzugehen, die ihn geistig (und körperlich) fordern und gewissermaßen auf seiner eigenen, geistigen Karriereleiter immer einen Schritt höher befördern. Während ich das Gefühl habe, seit meinem Studienabschluss täglich Wissen zu verlieren, scheint Kluges Wissensschatz wie der Inhalt von Dagobert Ducks Geldspeicher ständig und unaufhaltsam anzuwachsen. Sein Leben und sein Schaffen kommen daher wie eine einzige autogene Weiterbildungsmaßnahme. Und auch wenn er sich im Laufe der Zeit ein konstantes Vokabular angeeignet hat, bringen sich die Verbindungen und Anwendungen in seinen verschiedenen Ausdrucksformen ständig aufs Neue gegenseitig in Bewegung.

Wie in „Ferngespräche“. Ich habe das Buch aus Neugier gekauft. Weil an meiner Pinnwand ein Zettel hängt, auf dem steht: „Kluges Gespräch“! Es ist der Titel eines Interviewbuches mit Kluge, das ich gerne noch machen würde. Wobei ich nicht darauf versessen bin. Das Leben hat oftmals seine eigene Dramaturgie. Man kann im Laufe des Lebens Impulse setzen, aber alles andere ist ergebnisoffen. Konstellativ, würde Kluge sagen. Vielleicht. Was weiß ich schon?

Geh, nesen

Bin nach meinem langen Urlaub erstmal krank geworden: Erkältung. Bisschen blöd, aber nicht zu ändern. Bin dann halbe Tage ins Büro, um mit den neuen Projekten nicht gleich ins Hintertreffen zu geraten. Fürs Bloggen fehlte mir da ein bisschen die Kraft. Außerdem hatte ich auch das Gefühl, dass man sich – wenn überhaupt – auf jeden Fall zu Trump äußern müsste, und dafür fehlte mir erst recht die Kraft.

In meinem „kleinen Walser“, in den ich zwischendurch gerne mal spicke, habe ich zwei Sprüchlein gefunden, die zwar schon 40 Jahre alt, aber immer noch hochaktuell sind:

Quelle: Martin Walser: "Der Grund zur Freude. 99 Sprüche zur Erbauung des Bewußtseins." (Rowohlt)
Quelle: Martin Walser: „Der Grund zur Freude. 99 Sprüche zur Erbauung des Bewußtseins.“ (Rowohlt)

Bin auch auf dem letzten Ende von „Geister“ angekommen, dem Roman, den mir mein Alphabeten-Kumpel Sebastian zum Geburtstag geschenkt hat. Tolles Buch – das im Übrigen sehr schön aufzeigt, wie durch die mediale Berichterstattung der Studentenrevolte in Chicago 1968 das „normale“ Volk am Ende so vergiftet war, dass es Nixon zum Präsidenten wählte. Da steht ein wunderschöner Satz, den ich hiermit teile:

„Manchmal glaubt ein Land, es hat verdient, dass man ihm den Hintern versohlt, manchmal will es umarmt werden. Wenn es umarmt werden will, wählt es demokratisch. Ich setze im Moment darauf, dass die Leute bestraft werden wollen.“ (Nathan Hill, „Geister“, S. 687)

Großer Satz – dem ich nach wiederholtem Lesen entgegen setzen würde: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen, die Trump gewählt haben, endlich mal wieder in den Arm genommen werden wollten. Und das Wahlergebnis auch (zunächst) als Belohnung empfunden haben. Oder frei nach den Ärzten: Die verbreitete antidemokratische Aggression ist tatsächlich in allerletzter Instanz ein „Schrei nach Liebe“.

Wie sich die Zeiten ähneln, heute und vor 50 Jahren. Damals waren es die Studenten, heute die Flüchtlinge. Dabei zittern die „besorgten Bürger“ vor allem um die demokratischen Errungenschaften und gesellschaftlichen Freiheiten, die uns – zu großen Teilen – erst die Studentenbewegung gebracht hat. Passt hier der Ausdruck: Ironie der Geschichte?

Meine Freundin meinte, es sei – bei aller Gefahr und Trauer – womöglich gar nicht schlecht, dass sich unsere Kinder wieder politisch werden engagieren müssen. Ich meine, was waren unsere Themen? Bio-Lebensmittel? Öko-Baumwolle? Datenschutz? Ja, auch wichtig, aber nicht existentiell.

Wobei, vielleicht werden auch diese Fragen in Zukunft extremer. Hab heute im Radio gehört, es gebe in Norddeutschland Engpässe bei Freiland-Eiern (wegen der Vogelgrippe) und bei Gemüse (aus Spanien, wegen der Unwetter dort). Ich spare jedenfalls auf eine Ackerparzelle, die meine Söhne noch bebauen können.

Mein Großer ist jetzt 16 geworden. Habe ihm ein paar Actionfilme geschenkt, die mich geprägt haben, z. B. „Leon, der Profi“. Vorgestern nachts noch mal angeschaut. Den Director´s Cut, versteht sich. Was für eine Meisterleistung von Natalie Portman. Beinahe gespenstisch. Bin gespannt, wie meinem Sohn der Streifen gefällt.

Treffen in Telgte

Hab mich in meiner letzten freien Woche noch mal ins Auto gesetzt und bin losgefahren. Spurensuche. Stoffsuche. B-Suche.

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War mit meinem Vater zunächst in Warstein, meiner Geburtsstadt. Sind die ganzen alten Wege abgegangen: zum Kindergarten, zur Schule, zum Sportplatz, wo ich Fußball spielen gelernt habe. Vielleicht liegt es am Alter, aber ich war total geflasht. Konnte mich an ganz viele Dinge genau erinnern (Hauseingänge, Wände, Tore, Bäume). Bin am Ende sogar noch auf den Piusberg geklettert, obwohl da ziemlich viel Schnee lag. Weil ich es einfach musste. Weil ich es als Kind nicht durfte.

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Im Moment lechze ich irgendwie nach diesen Bildern aus meiner Kindheit. Bin nach unserer Rückkehr in Wolbeck, wo ich groß geworden bin, auch morgens meine alte Trainingsrunde durch den Tiergarten gelaufen. Auch hier hatte ich wieder das Gefühl, noch jede Baumwurzel zu kennen, jeden Stein. Allerdings bin ich die Strecke über den kleinen Wall auch schon hunderte Male gelaufen.

Hab dann in Münster meinen alten Freund Michael Knüfer besucht und später in Telgte „Zander“, meinen besten Freund und Fußballkameraden von früher, außerdem Bassist unserer Rockband „Verdancy“. Er hat mich mit zum Fußball genommen, was natürlich klasse war. Hab da noch ein paar alte Bekannte getroffen, Jungs, die ich 20 Jahre nicht gesehen habe. Das war toll. Und es ordnet mich auch irgendwie neu ein.

Aber unterm Strich sind das natürlich alles (schöne) Übersprungshandlungen. Die ganze Reise ist eine Übersprungshandlung, weil ich immer noch auf der Suche nach einem neuen Buchprojekt bin. Merke aber gleichzeitig, dass ich das dringend brauche. Etwas Zeitloses, etwas, das alles andere ein bisschen überdauert.

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Hab es dann heute schließlich doch ein bisschen geschafft, mich zu fokussieren. Hab mich in eine Pension in Telgte eingemietet und einen auf Hemingway gemacht. Bin durch die Stadt gelaufen, hab mir das hiesige Religionsmuseum angeschaut, mir ein Buch über Mystik gekauft, war in Kaffeehäusern und mittags in einem urigen Gasthaus zum Grünkohl essen.

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Nebenbei bin ich durch meine Notizen gegangen, meine Gedichtsammlung, hab alte Texte gelesen. Es war tatsächlich einiges dabei – und ich positiv überrascht. Jetzt hab ich endlich das Gefühl, ich könnte etwas heraus- und daran herumpicken, aber nächste Woche geht der Job wieder los. Haha.

Ich glaube, Spiritualität wird in nächster Zeit ein größeres Thema für mich. Nicht seltsam ideologisch oder komisch religiös, eher pragmatisch. Eher im Sinne: Wie kann ich die geistige Dimension im Alltag angemessen mit-erleben. Heute im Religionsmuseum, was ich wirklich gut fand, ist mir noch einmal aufgegangen, wie sehr sich der Mensch nach „Höherem“ sehnt. Und wie hilflos die meisten Versuche sind, diese Sehnsucht zu bedienen bzw. diesen Weg weiter zu beschreiten. Ohne Guru. Ohne Joga. Wobei mich Meditation schon interessiert. Vielleicht sollte ich doch noch mit einer asiatischen Kampfsportart anfangen!?

Wenn ich mir mein Leben malen könnte, würde ich meine Freundin einpacken und als Schriftsteller von Kaff zu Kaff reisen. Jeden zweiten Abend irgendwo eine kleine Lesung, gutes Essen, ein nettes Gespräch, dann in eine kleine Pension, am nächsten Tag ausschlafen, frühstücken, gemeinsam durch die Stadt bummeln – fertig.

Youth …

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„Youth“ – so hieß der erste Romanentwurf, an dem ich Mitte der Neunziger parallel zum Studium meine ersten Kletterversuche als Schriftsteller unternahm. Oder: Schrift-Hersteller. Man erkennt den Titel unten links im Foto, auf dem Aktendeckel. Damals hab ich noch mit der Hand geschrieben und die losen Seiten in einer Mappe gesammelt (und für alle deutlich sichtbar stets mit mir herumgetragen). Ziemlich genau zwanzig Jahre ist das Foto alt. Meine Mutter hat es mir vor ein paar Tagen geschickt. Per WhatsApp. Allein das würde eigentlich genug besagen, um zu verdeutlichen, was seitdem alles passiert ist. In der Welt, meine ich.

Ich dachte eigentlich, ich hätte das Foto für meine damalige Freundin gemacht (bzw. machen lassen, mein WG-Kollege und guter Freund Michael Knüfer von Nevermind Music war so nett), als Weihnachtsgeschenk, was nichts zur Sache tut, außer der Frage, wie meine Mutter in dessen Besitz gelangt ist, bzw. dass auch das, also, wenn ich damals wirklich zwei Abzüge desselben Fotos meiner Freundin und meiner Mutter geschenkt hätte, was ich mir nicht so richtig vorstellen, aber auch nicht gänzlich ausschließen kann, ein Zeichen dafür wäre, wie ich mich in den letzten zwanzig Jahren persönlich und als Mann weiterentwickelt habe.

 

Die Frau, die jetzt (und wenn es nach mir geht, bis zu meinem Lebensende) an meiner Seite steht, hat gestern versucht, dieses alte Szenario wiederaufleben zu lassen, und in der Tat ist es ihr gelungen, mit wenigen Requisiten eine Momentaufnahme abzubilden, die über diesen kleinen Moment weit hinausgeht:

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Ja, ich bin älter geworden. Vielleicht bin ich nicht mehr so schlau wie damals, mit all meinem angelesenen Uni-Wissen, dafür bin ich heute sicher klüger. Nein, ich schreibe, wenn ich arbeite, nicht mehr mit der Hand. Ja, der Rum ist in der kalten Jahreszeit als Grog immer noch ein verlässlicher Freund. Aus den losen Blättern von damals sind zwei Romane erwachsen, das Debut „Jugendstil“ sogar gewissermaßen aus demselben Samen. Und – bei allen kaputten Akkuschraubern und Netzteilen der letzten Wochen – den Nicki von damals besitze ich immer noch, obwohl er sich an den Ellbogen und den Ärmeln beinahe auflöst. Irgendwie gut. Geworden. Alles.

Die Story der Geschichte

Hab immer noch Urlaub. Weil ich letztes Jahr so viel gearbeitet habe. Wollte eigentlich die Zeit nutzen und ein neues Buchprojekt beginnen. Oder zumindest schon mal definieren. Tue mich leider ein bisschen schwer damit. Immerhin kann ich jetzt wieder am Rechner arbeiten. Kurz nachdem mein Akkuschrauber den Geist aufgegeben hatte, folgte nämlich prompt das Netzteil meines Laptops. Der hat zwar auch schon einige Jahre auf dem Buckel, war aber trotzdem lästiger als gedacht.

Da ich nicht schreiben konnte, hab ich zumindest gelesen: „Schundroman“ von Bodo Kirchhoff. Mein absoluter Lieblingssatz steht auf Seite 282 und lautet wie folgt: „Nur Schwachköpfe wollen auf der letzten Seite erfahren, wer der Mörder ist. Vernünftige Menschen fragen sich, wer wen am Ende lieben könnte.“

War schön, mal wieder ein cooles Buch zu lesen. Hab dabei allerdings auch mit Schrecken festgestellt, wie viele Bücher hier noch herumliegen, die ich nur halb, an- oder noch gar nicht gelesen habe. Erfüllt mich mit einem schlechten Gewissen. Heute schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht besser sei, alle Bücher zu verschenken und nur noch ein einziges zu besitzen, das man immer und immer wieder lesen kann, bis man zumindest dieses eine richtig und vollständig erschlossen hat (Ist das nicht so ähnlich in der „Schachnovelle“?).

Hab mir aber immerhin sogleich ein zweites, dickes Buch vorgenommen: „Geister“ von Nathan Hill. Hat mir Sebastian von den Alphabeten zum Geburtstag geschenkt. Gefällt mir gut; interessant, dass es genau wie „Schundroman“ (und im Übrigen auch meine beiden Romane „Jugendstil“ und „Kunststoff“) ein Roman übers Schreiben ist, also Literatur über Literatur, davon bin ich ja immer schon ein großer Freund gewesen.

Beim Lesen ist mir aber noch etwas aufgefallen: dass das Schreiben, solange es nicht wirklich das Schreiben an einem Buch ist, sondern z.B. „nur“ eine Arbeitsnotiz oder ein Blog-Eintrag, gewissermaßen immer nur ein „zweitklassiges“ Schreiben ist. Eine Art Gymnastik, an der Grenze zur Ausrede. Vielleicht nicht für Euch, die ihr das hier lest, jedoch für mich. Ein Schriftsteller ohne das passende Buchprojekt ist wie ein Kämpfer ohne Gegner. Er kann zwar trainieren, aber das Resultat der Leistung stellt keinen echten Wert dar. Oder eben nur einen zweitrangigen.

Mitunter treibt diese Verlegenheit darüber sehr seltsame Blüten. Habe gestern auf der Fensterbank in der Küche eine … ja … Landschaft geschaffen, so eine Mischung aus Kinderfoto-Album, Pop-Art-Installation und Waldorfschulen-Jahreszeitentisch. Kenne die Story der Geschichte zwar noch nicht im Detail, aber die Szenerie steht. Viel Spaß beim Draufklicken und Entdecken:

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Zwischen (all) den Jahren

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Weihnachten. Zeit für Besinnung, vor allem für die Rück-Besinnung auf die wesentlichen Dinge: Liebe, Familie, Freunde, Natur. Oder anders formuliert: Wenn man mit einem Isländer an der Leine durch die Wälder Schleswig-Holsteins streift, merkt man erst, wie grotesk und abstrakt manche Dinge im abgelaufenen Arbeitsjahr eigentlich waren. Nicht sinnlos, aber zumindest über den Begriff der Relevanz ließe sich im Einzelfall trefflich streiten.

Ansonsten dreht sich, im Angesicht der eigenen Söhne, die rasend älter werden (aber man selbst doch schneller), viel um Erinnerungen an die eigene Kindheit, und was davon nachhält. Was war für mich wichtig? Was hat sich als gut erwiesen? Was kann ich weitergeben?

Hab dem Jüngsten einen Comic-Band geschenkt, der mir damals, als ich in seinem Alter war, viel Freude und Spannung bereitet hat: Percy Pickwick. Konnte dann auch nicht umhin, abends selber mal drin zu blättern. Hab mich gleich festgelesen und war total überrascht, wie gegenwärtig einzelne Bilder noch waren.

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Dieses zum Beispiel, das war damals meine absolute Lieblingsgeschichte. Da bekommt Percy ein Serum gespritzt und anschließend davon Wahnvorstellungen. Meinem Sohn gefiel die Geschichte auch. Bin ganz froh, dass manche Inhalte die normale Haltbarkeitsdauer überleben.

Apropos: Wollte dann noch ein weiteres Comic-Regal bauen (die Sammlung wächst) und musste feststellen, dass mein alter Akkuschrauber aus dem Baumarkt den Geist aufgegeben hat. Nach fast 20 Jahren. Das finde ich dann doch erstaunlich, in Zeiten, in denen die meisten Geräte schlapp machen, sobald die Garantie abgelaufen ist. Und bei aller Natur-Romantik muss ich zugeben, dass mich der Tod dieser kleinen Maschine ein bisschen traurig macht.

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Die ist mit mir wirklich durch dick und dünn gegangen, war bei allen handwerklichen Aktivitäten stets wie ein verlängerter Arm, tja, und es ist eigentlich auch bezeichnend, dass, streng genommen, nicht der Schrauber abgeraucht ist, sondern das Ladegerät. Ist das dann ein Herzinfarkt?

 

 

Das ist 2016

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Eigentlich wollte ich gerade darüber schreiben, dass ich heute im Grunde eine gute Mischung hatte aus Pferdestall ausmisten (Körper) und Gedichte publizieren im neuen Whatever-Magazin der Hamburger Werbejungs von Rocket&Wink (Geist) – da kommen gerade über Facebook, SPIEGEL online & Co. Meldungen von einem Anschlag in Berlin, und man hat mit einem Mal gar keine Lust mehr IRGENDWAS zu schreiben, weil alles im Moment dann doch irgendwie nur belanglos ist. Jammerschade. Obwohl, vielleicht passt einer der Texte gar nicht so schlecht, wie überhaupt Kunst nicht unterschätzt sein sollte, diese kleinen, fantastischen Leuchtraketen im Dauerfeuer der Wirklichkeit.

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Inklusion Hamburg

Ich weiß, ich hatte angekündigt, dass es in diesen Tagen möglicherweise schon einen ersten Literatur-Podcast von den Alphabeten geben könnte – hat leider nicht geklappt. Zuviel Vorweihnachtsstress. Jobtechnisch. Hätte aber immerhin eine weitere Strophe für das Gedicht gehabt, das ich letztes Mal angefangen habe …

Du lallst mir ins Ohr:
Ich liebe dich
Aber das ist doch wieder nur so’n Gefühl
Von Dir
Aus gesehen, bist du im Recht
mir wird schlecht

Kann ich vielleicht an Bosse verkaufen. Oder Thees Uhlmann. Oder wie heißt diese neue, hippe Band, die gestern im Uebel&Gefährlich gespielt hat? – Isolation Berlin.

Immerhin haben wir, wie jeden Freitag, einen neuen Bilderwitz gemacht:

krebstherapie

Hoffentlich könnt ihr darüber schmunzeln, ist zwar ein bisschen „schwarzer Humor“, aber, glaubt mir, ich bin voller Mitgefühl für die Welt, und man kann nicht den ganzen Tag lang an allem verzweifeln. Die Hölle in Syrien, Europa gegen Afrika, fakenews bei facebook, Naddel bei Zwegat, die Liste ist lang und facettenreich und wird hinten raus auch nicht viel besser.

Also: Lacht und bringt andere zum Lachen!

Lü-Rick

In unseren turbulenten Zeiten ist es ja schwierig, sich zwischendurch auf andere Gedanken zu bringen. Sich inspirieren zu lassen. Jetzt am Wochenende ist mir das ganz gut gelungen, und es war ganz einfach.

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Hab meinen Sohn am Samstag zum Fußball gefahren. Bis zum Anpfiff war noch eine gute Stunde Zeit, und es regnete kühl, also stellte sich mir die Frage, wie ich die Wartezeit sinnvoll überbrücken könnte. Und da erinnerte ich mich, dass ich immer schon mal ins Ernst-Barlach-Haus gehen wollte. Das hab ich dann gemacht, und es war super. Nicht nur Barlachs Skulpturen (musste ans Erwin Teichmann-Museum in Pomerode denken, wo wir mit Manuel Möglich gedreht haben), auch die aktuelle George Grosz-Ausstellung, bis hin zum Selbstbedienungscafé und dem kleinen Büchertisch, wo ich auch noch fündig geworden bin. Klar, man kann da auch mehr Zeit verbringen, aber so haute es genau hin, und ich war pünktlich zum Anpfiff wieder am Platz.

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Hab mir ein kleines Reclam-Büchlein mit Gedichten des Expressionismus gekauft – und gestern Abend sind mir prompt selbst mal wieder ein paar Zeilen gekommen …

Er schaltet das Licht ein,
es leuchtet, aber
es bleibt dunkel.
Irgendwo auf seinem Hals
muss ein Kopf sein.

Wenn alles klappt, starten „Die Alphabeten“ Mittwoch Abend ihren ersten Podcast. Zumindest machen wir mal einen erweiterten Soundcheck. Vielleicht hab ich bis dahin sogar eine zweite Strophe …

Schick-Saal

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Meine Stadt im Ausnahmezustand. OSZE-Konferenz. Seit Tagen überall Polizeipräsenz. Höchste Sicherheitsstufe. Bin gestern ausnahmsweise mal wieder mit der U-Bahn nach Hause gefahren. 10 Minuten Verspätung. Rappelvoller Waggon. Kaum Luft zum Atmen. Hab mich in dem Moment schon gefragt, was wäre, wenn nun jemand hier und jetzt eine Bombe hochgehen lässt. Man wäre chancenlos. Und dann musste ich an eine Dokumentation denken, die ich letztens morgens nebenher laufen ließ. Es ging um irgendeinen kleinen asiatischen Gebirgsstaat, keine Ahnung, jedenfalls sagte dort ein junger Mann, der für eine kanadische Firma im Goldabbau arbeitete, er spreche zuhause nicht über das Gold, weil er nicht wolle, dass seine Kinder später denselben Job machen, denn der Job sei ungesund, aber für ihn sei das nun okay, und wenn er denn dabei umkomme, sei das eben sein Schicksal. Und das sagte er so nüchtern und abgeklärt und irgendwie „groß“, dass mir echt die Spucke wegblieb.  In vollem Bewusstsein darüber, was er in seinem Leben schon gemacht hat, was er noch nicht gemacht hat, und was er hinterlassen würde. Grandios. Der Mann hatte offenkundig wenig Handlungsspielraum und sein Schicksal wirklich angenommen. Und dieser Gedanke, angesichts der ständigen Drohkulisse nicht verrückt zu werden, sondern dieser vielmehr eine gewisse geistige Größe entgegenzusetzen, hat mir sehr imponiert.