Leben

So paradox und schlimm es klingt, doch der Wahnsinn der letzten Monate (Putin, Pegida und Co.) hat bei mir etwas Gutes ausgelöst. Nämlich meine (Lebens-)Zeit wieder höher zu bewerten, in mich reinzuhorchen und kleine, richtige Schritte zu gehen. Entscheidungen zu treffen! Hab die letzten Tage viel über die immense Bedeutung von Zerstreuung und den menschlichen Spieltrieb usw. gelesen. Da ist etwas dran.

The Drummer’s Drama begins from anders-blog on Vimeo.

Ja, im Gesamtzusammenhang klingt es egoistisch und belanglos: eine Trommel-Möglichkeit. Doch ich habe das Gefühl, als hätte ich mich an eine Ladebatterie gehängt. Ich merke spürbare Erleichterung, und das kommt auch meinen Mitmenschen zugute. Wollte heute Morgen eigentlich ein bisschen an meinen Songtexten arbeiten. Am Ende reichte die Zeit doch wieder nur für Frühstück machen und abräumen und meinem Ziehsohn bei den Deutsch-Hausaufgaben helfen. Ging um eine Kurzgeschichte zweier Schiffbrüchiger. Ein Mann, ein Hund. Am Anfang hasst der Mann den Hund. Ohne Grund. Am Ende kann er nicht mehr ohne das Tier leben und zieht es aus dem Wasser auf seine Planke. Die Frage war: Wer rettet wen? Klar – der Hund den Mann, weil er dessen Hass in Liebe verwandelt. Komme darauf, weil das Je suis Charlie-Foto meiner Spiegel-Kollegen in den sozialen Medien erstaunlich viel krassen Shit hervorruft. Wo kommt der ganze Hass her? Vielleicht sollte man per Gesetz Kampfhunde gegen Schoßhündchen eintauschen, keine Ahnung …

Was ich sagen will: Ich habe die Textarbeit mit dem cleveren, jungen Kerl am Frühstückstisch heute sehr genossen. Und womöglich ist das der größte Dienst, den ich an der Gesellschaft leisten kann. Meine Zeit den aufgeklärten Bürgern von morgen zu widmen.

Jesu(i)s Charlie

jsc2

Heute hat auch der Spiegel sein Solidaritäts-Foto veröffentlicht – online und im neuen Heft, das Samstag kommt. Gemacht wurde es gestern. Ich bin nicht mit drauf, weil ich selbst fotografiert habe – von ganz oben, gewissermaßen aus der Engelsperspektive. Als Zeichen meiner ganz persönlichen Anteilnahme.

Bin immer noch ziemlich geschockt. Habe auf der anderen Seite auch Angst, dass die Menschen bald nicht mehr unterscheiden zwischen Extremismus und Religionszugehörigkeit. Meine Freundin hat mir einen tollen Artikel des taz-Kolumnisten Deniz Yücel weitergeleitet. Der richtet sich mit einem schönen Satz an AfD, Pegida, NPD und Co.: „Spackos, hört zu: Wagt es nicht, die Toten von Paris zu instrumentalisieren. Denn für euch hätten die Satiriker von Charlie Hebdo zur `Lügenpresse´ gehört.“ – Sehr gut.

Jetzt sind die Attentäter offenbar tot. Die Sinnlosigkeit kennt keine Grenzen.

 

 

Crisis – Cry this

paris

In Paris haben Terroristen die Redaktion der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo gestürmt und 12 Menschen getötet. Darum heißt es heutzutage generell „Heiliger Krieg“. Weil nichts mehr heilig ist.

Wenn ich überlege, dass hier unten auch schon die eine odere andere Demo vorm Haus stattgefunden hat, wird mir, ehrlich gesagt, ganz anders.

Drei lange Dokus über „Das Böse“ haben mir eines gezeigt: Es lässt sich nicht verhindern. Oder wie ich es in Jugendstil formuliert habe: Die Überraschung ist immer auf der Seite des Bösen. Das Gute manchmal auch, aber das ist eine zu vernachlässigende Größe.

Nachtrag: Mir ist bei meinen Recherchen eben ein Zitat von Norbert Bolz, dem Medientheoretiker, untergekommen: Der Fußball rettet die Natur des Menschen. Also, auf mich trifft das momentan in weiten Teilen zu. In 90 Minuten stehe ich auf dem Platz.

midlife crisis

 

Das war alles.
Das war alles.

Okay, ich dachte, ich hätte eine Midlife-Crisis; wegen Udo Jürgens oder weil wir keinen Schnee hatten. Aber jetzt weiß ich, dass ich mir nur ganz normal Gedanken mache. Ohne es zu wissen, hab ich nämlich den alten Diskurs der Risikogesellschaft für mich wieder aufgewärmt. Hab es gerade in dem Nachruf über Ulrich Beck (ja, auch gestorben) in der taz geschnallt: Die Industriegesellschaft, die sich pathologisch weiterentwickelt, das freie, individualisierte Subjekt, das mit eben dieser Freiheit klar kommen muss – ist das nicht auch Sartre? Wusste ich auch mal alles. Ehrlich, ich werde täglich dümmer.

Da fällt mir Dieter Nuhr ein. Der zeichnete in seinem Jahresrückblick ein ähnlich düsteres Bild von der Welt. Ein Zitat ist hängengeblieben. Ging um uns, das Volk: „Intelligenz addiert sich nicht, Dummheit schon …“

Das ist zwar nicht neu, aber gerade wieder sehr aktuell. Nicht falsch verstehen, ich bin nicht elitär (und gestern Abend hat mir eine 60-jährige Tankstellenverkäuferin, die ihren 30-jährigen Sohn lachend mit den Worten „Sie bleiben immer Kinder“ verabschiedete, den Glauben an das Gute ein Stück weit zurückgegeben), doch am Sonntag war ich mit meinem Sohn den ganzen Tag lang auf einem Hallenfußballturnier, und da sind mir in dem ganzen dummen Gebrüll und Handyalarm zum ersten Mal nicht nur die Halbwüchsigen, sondern auch viele Eltern auf den Sack gegangen, vornehmlich Deutsche, ich kann es nicht anders sagen. Und plötzlich wurde mir klar, warum die Leute in Dresden mitmarschieren, und warum man so eine Bewegung, wenn der richtige Anführer kommt, auch nicht mehr stoppen kann. Weil sich Dummheit addiert …

Auf der anderen Seite – und ja, vielleicht bin ich schizophren – war dieses Turnier ein Musterbeispiel für Integration. Da waren alle Nationalitäten vertreten, und alle haben zusammen ein großes Sportfest gefeiert. Und trotzdem: Wenn ich mir die einzelnen Menschen angucke und das auf die ganze Welt projiziere, kann ich mir NICHT VORSTELLEN, wie das System langfristig funktionieren soll. Auf der anderen Seite hat es auch schon Jahrhunderte überlebt – zumeist unter viel schlimmeren Bedingungen für den Einzelnen.

Reptilienfutter im Tierhandel - auch zum Kotzen
Reptilienfutter im Tierhandel – auch zum Kotzen

Klar, wir können das große Ganze nicht schultern. Und klar, wir sollten uns lieber daran erfreuen, dass der Autoschlüssel doch nicht im Kofferraum liegt, sondern sich in der Tasche unter dem Portemonnaie versteckt hat. Dass wir gesund sind. Und die Kinder nicht im Rollstuhl, sondern fußballbegeistert. Schon klar …

Was mich im Moment aber wirklich nervt, ist der Medienkonsum überall. Auch die WM-Doku hat es ja gezeigt: Selbst unsere Nationalspieler glotzen die ganze Zeit auf ihre Scheiß-Handys. Hatte über die Feiertage auch prompt eine kleine Diskussion mit meinen Jungs, was die X-Box betrifft. Dabei ist hier alles im Vergleich so was von harmlos und total im Rahmen. Womöglich bin ich da im Moment überkritisch. Aber ich weiß auch, warum, und da schließt sich der Kreis. Weil ich im Moment wie so ein alternder Feldherr in den dampfenden Schlachtfeldern meines Lebens stehe und offenbar wild Ausschau nach Nachfolgern halte, die stark und clever und abenteuerlustig sind. Das ist genau das Bild, das mich aktuell beschreibt. Also doch Midlife-Crisis? Vielleicht hatte Ulrich Beck auch eine, als er Risikogesellschaft schrieb. Da war er ungefähr in meinem Alter.

Alte Bekannte

Manche Infos sind so hot, dass man sie im Nachhinein lieber gar nicht gehört hätte, weil man dann auch nicht hätte reagieren müssen. Eben kam mein Kollege Olli rein und meinte: Hey, diese Band, die du so gut findest, spielt am Sonntag in Hamburg. Wie heißen die noch? Erdmöbel?

Allerdings! Die finde ich nicht nur gut, sind auch alte Bekannte, die jetzt eine kleine Weihnachtstour machen. Hab auf der Homepage ein Video gefunden. Das muss ich Euch zeigen:

Mir wurde beim Gucken ganz warm ums Herz, nicht nur, weil der Song schön ist. Erstens hab ich in dem Studio, in dem da auch gedreht wurde, selber mal was aufgenommen, zweitens hab ich Ekki, den Bassisten, damals für meine Abschlussarbeit interviewt und drittens hat mich der Pianist, Wolfgang Proppe, ein ganz wunderbarer Mensch, mal auf einer Mini-Tour (am E-Piano) begleitet. Eine ganz tolle Band mit Geschmack, Herz, Talent und Geschichte(n). Sehr selten. Sonntag wird knapp, aber da muss ich irgendwie hin.

Exklosiv

So, kurz vor Weihnachten drehen noch einmal alle am Rad. Die einen gehen auf die Straße und die anderen fragen sich, wer da eigentlich warum auf die Straße geht. Ich bin ganz froh, dass es zumindest um mich herum noch ein paar vernünftige Menschen gibt, die erkennen, dass die Welle da draußen das Potential für eine Sturmflut hat. Jetzt heißt es: wach bleiben!

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Ganz ehrlich, in den letzten Monaten ist so viel passiert, dass ich unsere Tiefgarage mit ganz anderen Augen sehe. Kein Wunder, die wurde ja auch im Kalten Krieg gebaut und dient im Notfall zugleich als Bunker. Hab ich, glaube ich schon mal erzählt. Und meine Jungs finden das sogar irgendwie cool, so in dem Sinne: Wow, das ist ja wie eine Ritterburg hier – Und ich denke bloß: Mein Gott, lass uns dieses Ding bitte niemals ausprobieren müssen.

Die Akustik ist allerdings toll. Hab – dem Anlass entsprechend – etwas aufgenommen: Das Intro von Explosion, Tocotronic …

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Zettel-Wirtschaft

Hatte gestern Abend ein längeres Gespräch mit meiner Mutter über Weihnachtsgeschenke. Mein Sohn hatte sich einen Kalender von der Nationalmannschaft (also der Weltmeister-Elf) gewünscht. Da der aber da, wo meine Mutter wohnt, in den kleineren Formaten ausverkauft war, hat sie stattdessen einen Bayern-Kalender gekauft (mein Sohn ist ja auch Bayernfan) und sich dann gewundert, als ich meinte, das könne vielleicht blöd kommen unterm Tannenbaum. Daraus entwickelte sich eine Diskussion, dass ein Wunschzettel ja auch nur ein Wunschzettel sei und kein Bestellzettel. Ich habe entgegen gehalten, wenn man so haarscharf neben dem Wunsch liefert, die Enttäuschung eben größer sei, als wenn man so komplett was Anderes schenkt. Meine Mutter meinte, dann würde das aber gar keinen Spaß mehr machen zu schenken. Hat sie auch Recht. Spiele daher mit dem Gedanken, nächstes Jahr ausdrücklich keine Wunschzettel einzuholen, sondern einfach die Ohren offen zu halten. Finde ich eigentlich auch besser.

Hab im aktuellen Uni-Spiegel den Bericht über diese (relativ) neue Band „Trümmer“ gelesen. Und dass die so coole, clevere Texte machen, so „raus aus der Komfortzone“-mäßig, und wirklich etwas sagen wollen etc. Als Beleg dafür folgte folgendes Zitat aus einem ihrer Songs:

HS1

Vor ein, zwei Jahren stand in einem dieser „Whatever“-Kunsthefte von den Designern Rocket & Wink ein Statement von mir, das lautete: If you fight the problem, you are the problem. Klingt noch besser, finde ich. Aber die Jungs von Trümmer sind jetzt Rockstars! Und Rocket & Wink übrigens auch. Hmmm, …

B.Such B.Rainstorm

b

Manchmal würfeln sich Tage selbst durcheinander und werden einfach überraschend gut. Waren heute mit Manuel Möglich zum gemeinsamen Ideen-Austausch verabredet. Ging um mögliche Projekte für´s nächste Jahr. Gleichzeitig bekam ich eine SMS meines alten Freundes Gian-Philip, Sprecher, Schauspieler und freier Journalist aus Berlin, der zufällig im Hause war, um einen Film für uns zu vertonen. Zuerst dachte ich: Oje, ich hab gar keine Zeit, aber dann hab ich ihn einfach in die Runde geholt und – gewissermaßen als Experten von außen – mal nach seiner Meinung, seinen Lieblingsformaten und seinen Sehgewohnheiten gefragt, und das war superkonstruktiv. Mein Chef und die anderen waren aber auch flexibel genug, das zuzulassen. Danke an alle. So macht Arbeit Spaß.