Bauer sucht Streit

buntes

 

 

 

 

 

 

 

Haben gestern Abend als Familie zusammen ein bisschen GNTM geguckt. Ich habe auch schon Filme über die Fashion Week gemacht, das Genre ist mir also nicht fremd. Und außerdem kann das ganz lustig sein, sowas zusammen mit einem 17-Jährigen und dessen Mutter zu schauen. War es auch. Bis die BUNTE.de Chefredakteurin Julia Bauer ins Spiel kam, zum „Medientraining“. Also, abgesehen davon, dass man nie sicher sein kann, was bei solchen Formaten echt, geskriptet, inszeniert oder zumindest initiiert ist, fand ich die Dramaturgie, bzw. die Funktion der Journalistin etwas grenzwertig. Ja, es ist eben Fernseh-Unterhaltung und keine arte-Doku, und als SPIEGEL-Mitarbeiter muss man im Moment ohnehin ganz still sein, und vermutlich saß Frau Bauer auch nicht mit im Schnitt, aber wie im Prinzip rüberkam, dass bestimmte Models – jeweils mit gerade mal einem Halbsatz zu Wort kommend – als langweilig, nicht ehrgeizig oder arrogant bezeichnet wurden, fand ich schwierig. Aber es wurde noch schwieriger: Die „Expertin“ stellte nicht nur unbequeme Fragen, was für ein Medientraining ja noch okay gewesen wäre, sie profitierte auch noch von einem Konflikt zwischen den Mädchen und freute sich dann, als eines der Mädchen schon den Tränen nahe war, über eine coole Headline für ihr Produkt.

Wenn dieser Auftritt verkörpern soll, wie Journalisten heutzutage arbeiten (müssen), dann möchte ich lieber meinen Beruf an den Nagel hängen.

Glücklicherweise gibt es aber auch schöne Überraschungen: Habe in den letzten Tagen angefangen, eine noch nicht so alte, aber auch nicht taufrische Tokio-Hotel-Doku zu gucken. Sie heißt „Hinter die Welt“ und läuft in 4 Teilen auf YouTube. Und da muss ich sagen, dass mich dieser Film mehrfach überrascht hat. Klar, natürlich wollen die auch ihre VIP-Tickets verkaufen, aber trotzdem: sehr gelungene Parallelmontage der Lebensmittelpunkte der Band (Magdeburg und L.A.), insgesamt sehr nette, reflektierte Typen, interessante Rollenverteilung, lange Historie, und ich hätte nicht gedacht, dass die sich wirklich so viel selber um Dinge kümmern, vor allem im Studio (zumindest hat man den Eindruck). Und die symbiotische Beziehung der Zwillinge, mit dem schrillen Bill und Tom, der Bill immer beschützt hat, das hat mich mehrfach berührt. Klar, als Vater von Söhnen horcht man da natürlich auf. Es gibt im 4. Teil diese eine Einstellung, irgendwo in Russland, glaube ich, in so einem typischen Backstage-Raum. Bill signiert Plakate und Tom hängt im Sessel und spielt Gitarre. Bestes Bild!

Screenshot aus: Hinter die Welt, gibt´s auch auf DVD bei Amazon
Screenshot aus: Hinter die Welt, gibt´s auch auf DVD bei Amazon

Es wäre spannend zu sehen, wie sich dieses Verhältnis nun verändert, seitdem Tom mit seiner Freundin – und da – KREISCH! – schließt sich der Kreis, Heidi Klum zusammen ist. Aber gut, man kann nicht alles haben. Die BUNTE-Kollegin könnte sich von Tokio-Hotel jedenfalls mal ein paar Tipps in Sachen Menschlichkeit holen, und dass ich DAS mal so schreiben würde, hätte ich auch nicht gedacht.

Ansonsten? Watch out for the nice Brecht-Story von Volker Weidermann im neuen SPIEGEL. Ich kann allerdings an dieser Stelle verraten, dass der Kollege Weidermann den Bertolt nicht persönlich gesprochen hat.

Und? Mit ein paar Minuten Distanz weiß ich jetzt, was mich stört: Ein „Medientraining“ für nichtgeübte Menschen, die zum ersten Mal im Rampenlicht stehen, vor einem Millionen-Publikum durchzuführen, da muss man erstmal draufkommen. Das wäre so, als hätte ich meinen Kindern Schwimmen beigebracht, in dem ich sie auf offener See über Bord schmeiße – und mich dann noch darüber lustig gemacht, dass sie Wasser schlucken.

Vielleicht ist sie auch nur Teil einer großen Inszenierung. Aber dann finde ich es immer noch schwierig, welches Berufsbild vom Journalismus das transportiert wird.

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