Himmelsjäger

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Meine „Lebens-Gefährtin“ (werde das jetzt bis auf Weiteres mit Bindestrich schreiben, um das „Gefährtin“ herauszustreichen, tolles Wort) und ich saßen gestern Abend das erste Mal in diesem Jahr noch ein bisschen auf der Terrasse. Die Stimmung war friedlich, der Himmel klar. Man konnte die Sterne sehen. Ich kenne mich da nicht so gut aus, aber ein Bild erkenne ich immer wieder: den Oriongürtel, diese drei kleinen Sterne, die im Sternbild des mythischen Himmelsjägers Orion auf der Höhe des Hosenbundes zusammen eine gerade Linie ergeben.

Als 16-Jähriger habe ich dieses Sternbild über der Golden Gate Bridge gesehen und dachte: Wow, das ist wirklich derselbe Himmel wie über Helligbek, dem norddeutschen Heimathof meines Vaters. Komplett gegensätzliche Orte, unter demselben Himmels-Zelt (Randnotiz: Helligbek bedeutet so viel „Heiliger Bach“, weil da ein berühmter Taufstein steht, der „Poppostein“, aber dazu ein anderes Mal mehr).

Im Keller, in einem meiner Tagebücher (Gott, was freue ich mich, die mal hervorzukramen und in Ruhe durchzuackern. Die habe ich geschrieben, als ich so alt war wie meine Söhne jetzt, vielleicht geht mir dann ein Licht auf.), müsste sich jedenfalls noch eine Skizze aus dieser Nacht im fernen San Francisco finden lassen. Und gestern Abend auf der Terrasse schoss mir dieser Gedanke wieder durch den Kopf: Wow, der gleiche Himmel wie über San Francisco – und über Helligbek. Und dann dachte ich daran, dass das Chaos hier unten auf der Erde noch so groß sein kann – die Sterne bekommen das gar nicht mit, die zucken nicht mal mit der Wimper, wenn die Verrückten hier unten ihre verrückten Pläne schmieden. Und dann dachte ich daran, dass die Mutter meines Vaters, Oma Erna aus Helligbek, nicht mehr lebt und ich am Tag ihrer Beerdigung in New York auf dem Times Square stand und fürs Schweizer Fernsehen gedreht habe, und das klingt dann wahrlich glamouröser, als es ist. Weil es in Wahrheit nämlich einfach nur falsch und beschissen war. Ironie der Geschichte, irgendwie. Ein krummer Kreis, der sich schließt. Das würde ich heute vermutlich nicht mehr so machen, aber für bestimmte Widerworte muss man erst ein gewisses Alter erreichen, damit sie nicht nur ausgesprochen, sondern auch gehört werden.

Ansonsten? Höre ich gerade auf 917xfm eine gelungene Cover-Version von Radioheads „Creep“, interpretiert von Max Mutzke. Und in dieser Sekunde, in der ich das schreibe und mich auf das Finale Furioso freue, knallen die mitten ins Stück einen Werbeblock! Mitten ins Stück! WTF? So nicht, Freunde. Hab gerade mal geschaut und eine noch verrücktere Version von ihm gefunden. Und nicht, dass ich ihn „adeln“ könnte, trotzdem: guter Typ!


 

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