Adrian!

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Bin krankgeschrieben, diesmal allerdings planmäßig. Hab heute eine sehr private Vorsorgeuntersuchung, die einen u. a. daran erinnert, dass man längst nicht mehr so jung ist, wie man sich an guten Tagen noch fühlt. Nur soviel: Man muss vorbereitend über zwei Tage eine Lösung trinken, die schmeckt wie hochkonzentriertes Red Bull, also ziemlich ekelig. Aber da mein Opa väterlicherseits, den ich aus diesem Grund nie kennen gelernt habe, recht früh an Darmkrebs gestorben ist, denken die Experten, es sei sinnvoll.

Mir fällt übrigens jetzt gerade auf, dass Krankgeschrieben! ein erstklassiger Romantitel ist …

Jedenfalls wollte ich heute vormittag eigentlich noch ein bisschen arbeiten, aber da diese vorbereitenden Maßnahmen etwas nerven, habe ich mich spontan aufs Sofa bzw. Lesen verlegt. Habe auf dem Rücken liegend das Bücherregal betrachtet, und da ist mir ein Adrian Mole-Buch ins Auge gefallen, von Sue Townsend, Die schlimmen Jahre – nach 39, hat mir meine Mutter mal geschenkt, lag auf dem Wühltisch im Kaufhaus Stolz in Kappeln (also, das Buch, nicht sie, sie hat das Preisschild nicht abgemacht), und irgendwie musste ich es in die Hand nehmen und in der Mitte aufschlagen. Hab mich natürlich sofort festgelesen.

Meine Mutter hatte mir damals schon den ersten Band geschenkt, als ich 13 oder 14 war (www.anders-blog.de/?p=3548), also im selben Alter wie Adrian. Man kann schon sagen, dass wir zusammen groß geworden sind, und vielleicht liegt es an dem YPS-Fund neulich (www.anders-blog.de/?p=7075) oder daran, dass die eigenen Kinder immer größer werden oder diese Bücher auch einfach klug, lustig und warmherzig sind,  jedenfalls hat mich das Lesen eben sehr berührt. Adrian hat Prostata-Krebs, aber er findet einen Freund und beginnt am Ende, leise optimistisch seinen Garten zu bestellen. Und plötzlich hab ich mich gefragt, welche Bücher aus der Reihe ich nicht kenne, und ob Sue Townsend noch lebt, was sie für ein Mensch ist und woher sie ihre Adrian-Ideen nimmt. Ich hab dann kurz recherchiert und in einem alten SPIEGEL-Artikel gelesen, dass sie schon seit 2014 tot ist – und aus ganz ärmlichen Verhältnissen stammt, als junge Frau alleinerziehend war, mit drei Kindern, früh im Rollstuhl saß und zeitgleich zur Prostata-Erkrankung ihres Romanhelden offenbar ein schweres Nierenleiden durchzustehen hatte (Mehr zu Sue Townsend …). Sie war auch erst 68, als sie starb, also keine Autorin, die mit 80 noch, ewig jung, hoch zu Ross auf Fuchsjagd ging – ja, so stellt sich mein kleiner Geist reiche, englische Menschen vor.

Ihre Adrian Mole-Reihe ist und bleibt ein Geschenk, für den Leser, aber auch für sie: eine Figur in einem Milieu zu schaffen, das einem erlaubt, über Jahrzehnte ungestraft seine Meinung zu aktuellen, politischen Geschehnissen kundzutun, ohne dass es den mahnenden Zeigefinger braucht – genial!

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Apropos geniale Bücher: So gerade eben noch konnten wir am Montagabend mit unserer Autorin Ina Bruchlos bei Cohen&Dobernigg vor ausverkauftem Haus die Premiere ihres neuen Buches feiern: Suche Stehplatz Nord! Wir freuen uns über Euer Interesse:  Hier geht’s zum Buch …

Originalverpackt

Am Samstag gehen meine Frau und ich gerne auf den Markt. Dort gibt es einen Stand mit gebrauchten Büchern – und Comics. Es war ein Highlight für meinen jüngsten Sohn, als er noch klein war und Lustige Taschenbücher gelesen hat, da samstags nach dem Einkauf auf dem Rückweg vorbeizugehen und vielleicht noch etwas abzustauben.

Diese Zeiten sind lange vorbei, aber trotzdem muss ich immer daran denken, wenn wir an diesem Stand vorbeigehen. Was soll ich sagen? An diesem Wochenende bin ich schwach geworden. Vielleicht liegt es an Corona, an dieser ständigen Nachdenklichkeit, den zunehmenden Hiobsbotschaften, den düsteren Aussichten, was „Normalität“ in nächster Zukunft betrifft. Also, ja, vielleicht neigt man dann noch eher zu der Illusion, dass früher alles besser war, dass man wieder Kind sein möchte (was ich nicht möchte), aber ich konnte nicht daran vorbeigehen. Obwohl ich es, objektiv betrachtet, wirklich nicht brauche …

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Yps Nummer 358: das Fingerabdruck-Set. Originalverpackt und mit Gimmick! Das ist tatsächlich sehr selten. Und ich musste es nochmal kaufen, weil ich es als Kind schon mal hatte, die ganze Agentenserie: das Schießbuch, das Blasrohr, das Pulver, den Tresor und die Brieftasche. Und weil mir plötzlich wieder soviel Drumherum eingefallen ist, obwohl ich erst 8 war, damals in dem Sommer 1982. Das Blasrohr, zum Beispiel, war cool, und man konnte durch regelmäßiges Training seine Technik verbessern, allerdings hat genervt, dass die Styropor-Munition sofort weg war. Und dann hat man versucht, selber Munition zu basteln, was natürlich nicht dasselbe war. Ich glaube sogar, dass mein Vater mit mir Experimente mit abgedichteten Fischer-Dübeln gemacht hat – erfolglos.

Wir sind in dem Sommer umgezogen, aus dem Sauerland ins Münsterland. Oder, wie ich es nennen würde, von der Traufe in den Regen. Wir sind da immer noch viel hin und her gefahren, dieser Umzug hat gefühlt ewig gedauert, weil mein Vater das neue Haus erst komplett umbauen musste. Aber unsere Eltern haben versucht, uns das alles so leicht wie möglich zu machen, und irgendwie war es auch eine wilde, schöne Zeit.

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Den Agenten-Tresor, der eine Woche später kam, hab ich bekommen, als ich bei meiner Tante und meinem Onkel zu Besuch war. Keine Ahnung, ob noch Sommerferien waren, auf jeden Fall sind wir an demselben Tag auf der Rückfahrt zu meinen Eltern ganz spontan ins Weserstadion gegangen, weil Bayern gegen Bremen spielte. Und mein Cousin hat die ersten Tresor-Teile schon im Auto verloren, weil wir mit der Montage nicht warten konnten, bis wir wieder zuhause waren.

Bei dem Fußballspiel war es so, dass es, glaube ich, das erste Spiel für Völler bei Bremen war, und ich wusste, der würde einschlagen wie eine Granate, weil ich ein paar Wochen vorher in der Sportschau gesehen hatte, wie er dreimal in einem Spiel traf (damals noch für seinen Ex-Club 1860 München). Und bei Bayern stand zum ersten Mal Jean-Marie Pfaff im Tor, der sich dann auch gleich in seinem ersten Spiel das ätzendste Tor fing, das man als Keeper kriegen kann: das – bis heute – ziemlich legendäre Einwurftor von Uwe Reinders. Bitte schön!

Tja, all das ist mir am Samstag so durch den Kopf gegangen. Und eigentlich würde ich das Heft gerne auspacken und gucken, was das Unboxing in mir auslöst. Auf der anderen Seite verliert es dann massiv an Wert, vielleicht auch für mich. Vielleicht sollte man Erinnerungen in der Verpackung lassen, um die Illusion zu bewahren.

Bleibt gesund! Vor allem im Kopf …

Ina B(r)uch, Los!

Viel Output im Moment! Die Reisereportagen im ZDF im August, im September die Dokumentation bei ARTE über das Böse. Auf die bin ich jetzt schon zwei Mal angesprochen worden. Sogar unsere alte Nachbarin von unten hat sie geguckt (zufällig) und mich darauf angesprochen. Sie fand sie gut. Dieses Lob bedeutet mir mehr, als ich vermutet hätte.

Und es geht munter weiter: In diesen Tagen veröffentlicht der kleine Verlag, den ich in meiner Freizeit mit betreibe, ein neues Buch von Ina Bruchlos. Es sind Geschichten über den FC St. Pauli, bzw. über Inas Fan-Sein: clever, lustig, ein bisschen nerdig, also Fußballkultur im besten Sinne.

Das für mich Spannende an Ina ist ja, dass sie wie ich (aber natürlich auch wie viele andere Fußballbegeisterte) spielend die Perspektive wechseln kann: also, das Spiel Fußball (auch) als KünstlerIn zu betrachten und die Kunst (auch) als FußballerIn. Das ist dann so, als könnte man mit rechts und mit links schießen, Ihr wisst schon. Nur über Fußball zu reden, wird auf Dauer genauso langweilig, wie nur über Kunst zu reden. Der kompetente, wilde Mix – das ist doch das Reizvolle! In der Kunsthalle vor einer Leinwand zu stehen und die Selbstporträts eines jungen Malers ins Verhältnis zu setzen mit den Instagram-Accounts der neuen Profi-Generation … egal, ich hatte bei der Produktion viel Spaß.

Guckt doch mal hier. Leseproben stellen wir noch rein. Kann man aber auch einfach mal so „no-look“-mäßig vorbestellen …

https://www.minimaltrashart.de

Das wirklich Tolle an diesen Nebenbeschäftigungen ist ja, dass man mit tollen Menschen zusammenkommt. Dass man Menschen besser kennenlernt. Dass sich andere Menschen darüber freuen, dass man sich für sie und ihre Arbeit einsetzt. Dass man Zeit investiert, ohne es so zu empfinden. Habe in diesem Falle auch wieder einen kleinen Trailer gemacht, also in Wahrheit mehrere, aber hier kommt der erste:

Kuh-Tipps

Der amerikanische Präsident hatte das Virus. Sagt er zumindest. Die Frau meines Hausarztes sagte sofort, das sei eine weitere Lüge. Um zu zeigen, dass er alles besiegen kann und um Corona zu verharmlosen. Michael Moore sagte das dann auch. Ob er die Frau meines Hausarztes kennt?

Ich habe pünktlich zum Urlaub leider massive Rückenbeschwerden bekommen. Anfang der Woche schon, bin natürlich sofort zum Arzt. Nervkram (auch wenn es nicht lebensbedrohlich ist). Nehme seit Tagen Schmerzmittel und gehe viel spazieren, weil Sitzen und Liegen den Zustand verschlimmern. Gehe meistens ganz langsam dieselbe kleine Runde durch unser Naturschutzgebiet vor der Haustür, meistens gegen Abend, weil dann da nicht mehr so viel los ist. Jedenfalls hatte ich dabei tatsächlich einen Moment für die Ewigkeit.

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Der Clou an diesem Naturschutzgebiet ist, dass man immer mal wieder durch offenes Weideland geht. Da grast so eine seltene Rinderart, und meistens sind die auch ganz weit weg, aber vor drei Tagen kam die Rinderherde auf ihrer Wanderung abends direkt an mir vorbei, blieb stehen, interessierte sich sogar auch ein bisschen für mich und genoss hier im letzten Licht der untergehenden Sonne das frische, grüne Gras. Das war ein so wahrhaftiger, ursprünglicher Moment, beinahe mystisch. Auch wenn es wie ein Klischee klingt, in diesen Momenten ahne ich mehr über das große Ganze zu verstehen als den Rest der Zeit über …

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Gibt es eigentlich etwas Traurigeres als Blumensträuße an Tankstellen bei Einbruch der Dunkelheit?

Einbruch
der Dunkelheit
in meine Komfortzone
haltet die Die-
bin
ich es vielleicht selbst?

Diss-Kurse

Hab heute morgen auf dem Weg zur Arbeit auf NDR-Kultur einen Kommentar zur „cancel culture“ gehört. Also, zu der Tendenz, dass hierzulande umstrittene (die Autokorrektur von Notizen schlägt mir „unstrittige“ für „umstrittene“ vor – WTF?) Künstler eher ausgeladen und entsprechende Veranstaltungen eher abgesagt werden, anstatt sich mit anderen, anstößigen oder gar rassistischen Meinungen (z.B. rechten Verlagen auf Buchmessen) kritisch auseinanderzusetzen.

Einer der NDR-Redakteure hat sich sehr offen dafür ausgesprochen, dass es gut sei, diese Konflikte immer auszutragen, also z.B. rechte Verlage zuzulassen und Verschwörungstheoretiker nicht auszuladen.

Ich glaube nicht, dass das so einfach ist. Ich glaube auch nicht, dass man das pauschal beantworten kann. Ich glaube, dass es auch einen Unterschied macht, ob man z.B. einer umstrittenen Band eine Festival-Bühne zugesteht, wo das Publikum sich dann eben auch so goebbelsmäßig einfangen lässt, oder ob man explizit ein diskursives Streitgespräch einberuft. Dann sollte man jedoch drauf achten, dass der Gastgeber auch in der Lage ist, den umstrittenen Gast kritisch zu hinterfragen, bzw. die umstrittenen Thesen auch als solche zu entlarven. Andererseits ist das Risiko, dass sowas nach hinten losgeht, m.E. viel zu hoch – und es wäre dann im Zweifel besser, in schwierigen Zeiten bestimmte Themen noch eine Weile in der Tabuecke zu lassen, bis wir Demokraten in der Lage sind, stets und in jeder Situation die besseren Argumente zu liefern. Oder der Großteil der Bevölkerung wieder zur Besinnung gekommen ist.

Mit 17 hat man noch Träume …

Mein jüngster Sohn wird morgen 17. Mit 17 hat man noch Träume, schrieb meine Mutter eben. Mit (fast) 47 übrigens auch, möchte ich an dieser Stelle hinzufügen. Mein Traum wäre, dass Corona aufhört (also, der Virus, nicht die Vorsicht deswegen und die Maßnahmen dagegen), dass meine Liebsten gesund bleiben (vor allem die Alten), dass wir das Leben nicht immer so schwer nähmen, obwohl es manchmal schwerfällt, das eben nicht zu tun, wenn man sieht, was da draußen los ist. Hab mich eine Woche lang geweigert, über diese rechte Reichstagsstürmung zu schreiben, aber das macht sie ja nicht ungeschehen, nur weil ich nicht darüber schreibe. Über den „Mob“ oder „die Masse“ gibt es ja viele Abhandlungen, ich verstehe nur nicht so ganz, warum sich so viele darüber wundern, dass scheinbar „normale“ Menschen Seite an Seite mit Rechtsextremen auf die Straße gehen. Das passiert ja nicht zum ersten Mal. Man kann von einer heterogenen Masse nicht verlangen, dass sie auch differenziert reagiert, so paradox das klingt.

Jetzt wird ein sofortiger Sicherheitsgraben vor dem Parlament diskutiert. Kann ich verstehen. Sieht blöd aus, aber was soll’s? Um den Eiffelturm steht schon seit geraumer Zeit eine Panzerwand aus Plexiglas. Nützt ja nichts. Der Terror war immer schuldig, aber jetzt hat er auch noch seine Unschuld verloren. Nein, so kann man das nicht sagen, aber ihr wisst, was ich meine. Früher reichten eine Smith&Wesson oder ein Maschinengewehr, ein Brandsatz oder ein Messer. Aber jetzt heißt es eben auch in Sicherheitsfragen: Denken Sie groß!

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Man muss in diesen Tagen – mehr, denn je – aufpassen, dass man nicht vergisst, das Positive zu sehen: Ja, die Demokratie ist gefordert, aber, hey, wir haben wenigstens noch eine. Und sie funktioniert sogar. Ja, jetzt wird der Jüngste schon 17, aber, hey, wir haben es mit vereinten Kräften und günstigen Sternen geschafft, dass aus dem Jungen ein gesunder, toller Kerl geworden ist. Ja, die Äpfel an unserem kleinen Apfelbaum auf der Terrasse schmecken nicht, aber, hey, endlich trägt er mal welche. Und so viele! Und, ja, mich strengt mein Job oft an, aber, hey, er ist auch interessant. Mein neuestes Recherche-Thema lautet: David Bowie, mehr muss ich ja wohl nicht sagen. Darf ich auch (noch) gar nicht.

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Und auch die Neben-Projekte machen Spaß. Aktuell sitze ich abends immer noch zwei, drei Stunden am Schreibtisch und kümmere mich um das Schlusslektorat für das Buch von Ina Bruchlos, das wir bei mta bald herausbringen werden. Und obwohl ich die Geschichten schon kenne, hatte ich nochmal sehr viel Spaß beim Lesen. Was für ein unterhaltsames, kluges Buch …

Erste Schritte

Ihr werdet es vermutlich genausowenig mitbekommen haben wie ich, aber die Yellow Press rätselt gerade, ob Brad Pitt und das deutsche Model Nicole Poturalski ein Paar sind. Ist ja eigentlich auch egal. Es ist nur ein bisschen lustig, weil ich damals für Spiegel TV auf der Fashion Week gedreht habe, als Nicole ihre erste große Show gelaufen ist. Wir haben sie quasi bei ihren ersten Schritten begleitet. Guido Maria Kretschmer hatte – so weit ich weiß – damals übrigens auch seinen ersten größeren TV-Auftritt bei mir. Die Kollegen haben das Stück aus gegebenem Anlass offenbar nochmal aus dem Archiv geholt. Nette Protagonisten, nettes Team, netter Film. Könnt ihr ja mal schauen, ist aber auch kein Muss …

Er folg(t)

Pah, nichts ist so schnell vergessen wie der Erfolg von gestern. Haben die große Terra X-Reihe noch nicht richtig vom Tisch, da liegen schon die nächsten Aufgaben da. Verdammt schnelllebig, dieses Fernsehgeschäft (und an diese 3 „l“ werde ich mich NIE gewöhnen). Nee, ist alles gut, man muss nur ein bisschen auf sich aufpassen, weil es sonst keiner tut. Jetzt auch noch diese komische Herbststimmung – zum Glück ist nachher Fußballtraining …

Grauuuuu
Grauuuuu

Habe mir bei allem Stress vorgenommen, in der verbleibenden Freizeit demnächst mal wieder an mein Manuskript zu gehen. Habe es ein paar Wochen ruhen lassen, die nächste (und letzte) Arbeitsrunde kann kommen, das Feedback der Testleser war in jedem Falle motivierend.

Die kritischsten Anmerkungen kamen von meinem alten Berliner Freund Gian-Philip Andreas, ein super Lektor, schreibt tolle Filmkritiken usw. und macht das immer ganz clever. Er sagt dann, er nehme jetzt mal die Rolle des Advocatus Diaboli ein, mit anderen Worten: Besser, ich haue Dir das jetzt um die Ohren als später ein Kritiker. Recht hat er ja, und außerdem findet er in seinen Anmerkungen immer noch einen lustigen Ton, so dass man eher lachen muss, als dass man sich ärgert.

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Aus dem Zusammenhang gerissen, liest es sich wirklich merkwürdig …

Diese schlichte Nein oben am rechten Rand, herrlich. Ich kenne ihn aber auch schon wirklich lange. Eigentlich ewig. Wir sind zusammen zur Schule gegangen, sind zusammen konfirmiert worden, hatten denselben Trommellehrer, und wir haben tatsächlich schon sehr früh zusammengearbeitet. Meistens habe ich ihn engagiert, als Kameramann für Preußen Münster (für die ich als Student gearbeitet habe, unter Carsten Cramer, jetzt Marketingchef bei Borussia Dortmund) oder als fiktiven Interviewpartner für meine bekloppte Radioshow „On the Rocks“ im Offen Kanal Münster, und viel später als Schauspieler, wenn ich Themenbilder für meine Dokus inszenieren musste. Ein Highlight sind unsere Aufnahmen, die wir damals für „Das Böse“ gemacht haben. Hab ihn damals selbst geschminkt, das war echt Low Budget, aber wir verwenden diese tollen Bilder (Kameramann: Olli Gurr) immer mal wieder. Für unsere ARTE-Doku, die meine Frau realisiert hat (läuft am 26.09.), habe ich sie auch nochmal an ein paar Stellen bemüht. Das führt dann dazu, dass man plötzlich im Internet die verrücktesten Ankündigungen findet. Keine Ahnung, wo das herkommt …

gpa

Und wenn sich die Dinge dann so verselbständigen, dann kann mann schon das Gefühl kriegen, das es zwei kleine Jungs aus der westfälischen Provinz irgendwie in die große, weite … äh … was-auch-immer geschafft haben ;-)

Top(f)form

Was für ein Wochenende! War gestern noch ganz beseelt, deswegen erscheint heute erst der kurze Rückblick auf ein paar ereignisreiche Tage.

Meine Frau (immer noch ein bisschen „neu“, aber gut) und ich waren am Wochenende bei meiner Mutter zu Besuch. Mein Vater und meine ältere (Halb)Schwester waren auch da. Wir haben im großen Stil Sträucher geschnitten, den Holzschuppen winterfest gemacht und Holz gestapelt. War der letzte schöne Tag, und tatsächlich sind wir ziemlich ins Schwitzen gekommen. Diese ganzen Äste aufsammeln und aufladen ist, ehrlich gesagt, ätzend. Ich hasse das. Eine Arbeit für jemanden, der, wie mein Vater sagen würde, „Vater und Mutter erschlagen hat“, aber die liefen da ja beide herum, also konnte das nicht der Grund für die Strafarbeit sein. Naja, hab es dann durchgezogen, und Mutter war happy. Dafür durfte ich dann nachmittags mit meiner (Halb)Schwester – das (Halb) setze ich nur dazu, damit man bei den ganzen Schwestern nicht durcheinanderkommt – den Holzschuppen reparieren, das war lustig und hat es wieder aufgewogen. Im nächsten Leben werde ich Zimmermann.

Übernachtet haben wir bei meiner kleinen Schwester, das war auch sehr schön. Waren Samstag spätabends noch in der Flensburger Förde am Strand. Da leuchtet im Moment das Wasser, wenn man da reingeht und es ein bisschen aufwirbelt. Als wenn da viele kleine Glühwürmchen schwimmen würden, interessantes Naturphänomen. Als Höhepunkt des Ganzen hatte meine Mutter für Sonntag die ganzen (noch lebenden) Geschwister meines Vaters zum Kaffee eingeladen. Coronasicher natürlich, mit ganz viel Abstand. Sie sind auch alle gekommen, und da ist mir nochmal aufgefallen, wie lange ich meine Tanten z. T. nicht gesehen habe. Jedenfalls war das eine ganz tolle Idee. Das Leben ist so kurz, und man verbringt einfach immer zu wenig Zeit mit seiner Familie, denn gerade, wenn alles wieder eingespielt und so ein bisschen wie früher ist, muss man schon wieder los.

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Sind nämlich dann spätnachmittags schnell nach Hause. Mein jüngster Sohn hatte sich spontan angemeldet, zum Champions League-Finale gucken. Und was war das für ein Spiel. Auf Messers Schneide, mit einem überragenden Manuel Neuer. Thomas Tuchel, der Trainer von Paris, sagte später, es sei fast „Wettbewerbsverzerrung“ gewesen, Manuel sei „zum falschesten Zeitpunkt in Topform“ gewesen. Was für ein episches Kompliment! Thiago war der zweite Man of the Match. Eine Schande, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach zu Liverpool wechselt. Aber auch das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, weil er damit beim Erzrivalen von Man City landen würde, dem Club seines einstigen „Förderers“ Pep Guardiola, der ihn damals von Barcelona mit zum FC Bayern brachte. Pikant. Naja, war auf jeden Fall ein bisschen gerührt von den Reaktionen der Spieler nach dem Match. Das sind auch alles keine Roboter, und Corona hat bei uns allen bis heute Spuren hinterlassen. Auch wenn es teilweise Unverständnis und verschiedene Meinungen dazu gibt, wie auch unser Familientreffen wieder gezeigt hat.

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Zu guter Letzt lief im Vorprogramm des Finales noch die dritte Folge unserer Terra X-Reihe „Abenteuer Freiheit“. Mein Kollege Andreas Sawall hat trotz Corona einen ganz tollen Film gebaut, zum Glück konnte ich ihm mit meinem Kolumbien-Material ganz gut helfen, ziemlich viel davon ist im Film gelandet. Das freut einen natürlich, wenn sich die anstrengende Arbeit auszahlt. Wir konnten die Quote auch nochmal steigern. Über 16% Marktanteil, über 4 Millionen Zuschauer. Das ist Spitze.

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Wer den Film noch nicht gesehen hat, kann das in der ZDF Mediathek nachholen:

Reichweite

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Am Sonntagabend lief die zweite Folge der Terra X Reihe „Abenteuer Freiheit“ im ZDF. Es war die Folge, für die ich maßgeblich verantwortlich war. Alles gut gelaufen: Super-Quote, 15,3% (das entspricht ca. 3,5 Millionen Zuschauer, der Film war in den Top10 der meistgesehenen Sendungen des Tages), ein großer, begleitender Artikel auf SPON und insgesamt sehr gutes Feedback – bis auf die üblichen Facebook-Nörgler, die meckern, Offroader zerstörten die Natur. Aber ich kann diese kritischen Stimmen sogar verstehen, auch wenn ich weiß, dass gerade die Protagonisten dieser Folge, Jonas & Ellen, eher Umwelt-Schützer sind. Egal.

Die nächsten Projekte warten schon, trotzdem bleibt ein bisschen Zeit, sich mal kurz zu sammeln und ein bisschen quer zu denken. Habe mir gestern eine alte Dokumentation über Alexander Kluge angeschaut. Würde gerne eine Doku über ihn zu seinem 90. Geburtstag machen, seine „Schöpfungsgeschichte“ ist wirklich interessant. Er ist ja eigentlich ein gelernter Jurist (das verbindet ihn im Übrigen mit Ferdinand von Schirach), dann der Einfluss von Adorno, der ihm angeblich sagte, er solle lieber Filme machen, Bücher müsse nach Proust niemand mehr schreiben. Es war eine spannende Zeit in den Sechzigern, als der neue, deutsche Film entstand. Der Einfluss, den Godard hatte. Als die jungen Regisseure erkannten, dass Spielfilme nicht immer wie in Hollywood produziert werden mussten, sondern auch guerillamäßig funktionieren und trotzdem erfolgreich sein konnten. Die erste Schauspielerin, die mit Kluge arbeitete, war seine Schwester Alexandra. Kein Scherz. Für „Abschied von gestern“ hagelte es Preise, auch für sie, aber sie hörte nach diesem ersten Film gleich wieder auf mit der Schauspielerei und wurde lieber Ärztin (wie ihr Vater). Nebengeschichte. Dann der Kollektivfilm „Deutschland im Herbst“, später Kluges Kooperationen mit Helge Schneider. Habermas sagt in dieser Doku (von Angelika Wittlich) über Kluge, er sei der „unzynischste Mensch“, und das sehe ich auch so, ohne es beurteilen zu können. Habe nur einmal mit ihm telefoniert. Aber er erscheint immer so höflich, wahrscheinlich ist er es auch. Habermas sagte allerdings auch, Kluge sei als junger Mann noch etwas neurotisch gewesen, der Erfolg seines Schaffens habe ihn natürlich auch als Mensch ruhiger und sicherer gemacht. Dazu passt dieses wunderbare Foto von Kluge und Adorno, was im Film kurz auftaucht …

Kluger Adorno

Habe vor ein paar Tagen dieses wunderbare Video gefunden. Also, ja, ich glaube, Roger Waters ist – anders als Kluge – auch gerne mal edgy oder unbequem, aber dieser Song ist schon toll und seine (dessen?) Neu-Interpretation ebenfalls. Bitte checkt mal meine Lieblingsstelle bei 01:58, Waters abschätziger Blick nach der Zeile: Mother, should I trust the Government?

Politik ist gerade kein leichtes Thema, wenn man nach Amerika oder Weißrussland schaut. Und da sind wir noch nicht einmal bei den „normalen“ wirtschaftlichen Krisen, die sich coronabedingt gerade mehr oder weniger überall abspielen. Die Schauspielerin Sharon Stone hat vor ein paar Tagen ihre Landsleute dazu aufgerufen, bei der nächsten Wahl Frauen zu wählen, weil alle Länder, die mit Corona einigermaßen klarkommen, von Frauen geführt würden. Ich habe ihre These nicht überprüft, aber mein Gefühl sagt mir auch, wir können uns glücklich schätzen, unter diesen Bedingungen in diesem Land zu leben.

Hoffen wir, dass das so bleibt.