(G)Unter (G)Eiern

Hab gestern mit meinem jüngsten Sohn Bundesliga geguckt. Nur am Rande: Robert Lewandowski!? Was für ein Wahnsinn: drei „Alu-Treffer“, einer krasser als der andere! Wären die alle drin gewesen, würde Gerd Müllers Rekord jetzt wirklich wackeln …

Jedenfalls erzählte mein Sohn während der Vorberichterstattung, er habe auf Netflix gerade „Das Hausboot“ gesehen, die kleine Serie über das alte Hausboot von Gunter Gabriel, das Olli Schulz und Fynn Kliemann gekauft und saniert haben. Ob wir das schon gesehen hätten!?

Natürlich haben meine Frau und ich das längst geschaut. Schließlich haben wir ja damals mit Gunter für den NDR die dreiteilige Serie „Der Hafencowboy“ realisiert – das rosa Hausboot war in der Zeit unser zweites Zuhause. Und ich muss sagen, wir wurden ein bisschen wehmütig, als es entkernt wurde, z.B. als das alte Trimm-Dich-Fahrrad im Container landete, auf dem er sich abstrampelte, als Amrei mit ihm und Gunters Personal Trainer Marios Winding gedreht hat (irgendwo muss auch noch eine alte Roger Trash-CD von mir über Bord gegangen sein, die ich Gunter mal als Inspiration geliehen hatte).

Am Anfang der ersten Folge zeigen sie sogar einen kleinen Ausschnitt aus unserer NDR-Serie, untermalt von einer kleinen Musikzeile, die Gunter damals beim Soundcheck(!) in der kleinen SPIEGEL TV-Sprecherkabine im Chilehaus eingesungen hat, als wir den von mir komponierten Trailersong „Der Hafencowboy“ aufgenommen haben. War eine richtige Rock and Roll-Aktion, mit ganz wenig Aufwand, zwei guten Mikrofonen, einem sehr guten Tonmann (Thorsten Rejzek) und einem „Produzenten“, der seine Hemmungen überwand und dem alten Schlagerschlachtschiff Gunter Gabriel Anweisungen gab, wie er das denn zu machen habe. Ich weiß, ich hab die Geschichte schon hundertmal erzählt, aber es sei mir verziehen, dass ich die alten Erinnerungen ab und an, wenn es einen Anlass gibt, mal wieder an die frische Luft lasse. Bin so froh, dass ich das damals alles aufgenommen habe. Glaubt einem ja sonst keiner:

The Gunter Recordings from anders-blog on Vimeo.

Zwei kleine Anmerkungen zum Schluss: Mein Münsteraner Musikerkollege Stephan „Gude“ Hinz und ich haben aus dem Jingle damals einen ganzen Song gemacht. Gunter war davon so begeistert, dass er ihn unbedingt auf seine nächste CD packen wollte. Ist dann nichts mehr draus geworden, aus tausend Gründen, u.a. wegen eines Treppensturzes, den er nicht überlebte. Vielleicht ist das die legendärere Geschichte, mich nervt es trotzdem ein bisschen. Hätte es gerne noch erlebt, wenn 10.000 Countryfans den Refrain mitsingen …

Und? Es ist übrigens auch kein Wunder, dass mein Sohn Spaß an der Netflix-Serie hatte, der Humor war ja infantil genug, an der Grenze zu … äh … grenzwertig. Aber wie drückte es schon mein Alphabeten-Kollege Sebastian aus:

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Den hättest Du vermutlich auch lustig gefunden. Ruhe in Frieden, Hafencowboy!

Höltigbaum-Hits Vol. 3 – Crossover

Anstrengende Woche hinter mir, aber auch aufregend. SEHR viel Recherche, SEHR viele Gespräche mit hochinteressanten Menschen, über die allein man vermutlich ganze Bücher schreiben könnte.

Habe ein paar Leute gefunden, Zeitzeugen, die wichtig für Geschichten sind, die wir verfilmen wollen. Die ich noch nie in anderen Dokus zu dem Thema gesehen habe. Insofern war das eine gute Woche. Dieses richtige Recherchieren und sich von A nach B nach C durchfragen, das liebe ich ja, diese klassische Reporter-Arbeit. Wo man sich mit einer Frage im Gepäck aufmacht und nicht eher lockerlässt, bis man Antworten oder zumindest Menschen gefunden hat, denen man diese Fragen stellen kann …

Mein Alphabeten-Kollege Sebastian Stuertz hat, weil ihm der Lockdown so auf den Sack geht, zum Glück wieder Hummeln im Hintern – und eine schöne Online-Veranstaltung initiiert, mit einer wunderbaren Autorin als Gesprächspartnerin, die gerade ein sehr, sehr, sehr erfolgreiches Romandebut abgeliefert hat. Da freue ich mich drauf. Ist zwar eine geschlossene Veranstaltung, wird aber im Anschluss als Podcast verwertet. Eine schöne Abwechslung zum Tagesgeschäft.

Höltigbaum_Regen

Mit diesen ganzen gemischten, bunten Gefühlen habe ich mich eben auf meinen Drahtesel geschwungen und, wie so oft, eine Wochenausklang-Runde in Richtung Lieblingsplatz unternommen. Wetter war nicht optimal, aber stimmungsvoll. Und natürlich werde ich in meiner kleinen Musikreihe nun einen weiteren Hit präsentieren. Diesmal geht es um Prince – und um dessen Super Bowl-Halftime-Show von 2007.

Dieser Auftritt ist aus vielerlei Hinsicht außergewöhnlich! Zum einen war das Wetter so schlecht, dass man den Gig – allein aus Sicherheitsgründen – eigentlich hätte absagen oder zumindest komplett herunterfahren müssen. Aber Prince hat den Sturm und den Regen nicht nur angenommen, er hat ihn zum Teil seiner Performance gemacht. Zum zweiten hat er für den Abend ein Programm auf die Beine gestellt, das zwar mit seinem ewigen Hit Purple Rain hymnisch endet, auf dem Weg dahin jedoch das Football-Publikum (mehr Mainstream geht ja nicht) zum Kochen bringt, mit einer absolut massentauglichen, aber trotzdem arschcoolen Mischung aus Hits, die gar nicht von ihm sind. Also fast wie ein klassischer Alleinunterhalter auf Hochzeiten in norddeutschen Landgasthöfen in den 80ern, eine Live-Juke Box auf Speed! Was für eine Größe, einfach ein geiles Medley abzuliefern, anstatt sich in seinem eigenen musikalischen Korsett zu verfangen.

Kommen wir zum Punkt: Mittendrin spielt er ein paar Takte Jimi Hendrix – später wechselt er von da fließend in einen Foo Fighters Song – und diese paar Takte Hendrix, die er locker singt und sich dabei selbst mit einer Leichtigkeit, die zum Himmel schreit, auf der Gitarre begleitet, das ist einfach ganz, ganz groß.

Die Stelle, die ich meine, geht bei ca. 05:30 Minuten los, aber die volle Wirkung entfaltet sich natürlich nur, wenn man es im Ganzen anschaut.

Bitte schön: Prince Super Bowl 2007

Komm Unikat ion!

Viele Emails und Telefonate in diesen Tagen für diverse Filmprojekte, die sich in Planung befinden: Schweizer Fernsehen, ZDF, ein Streaming-Dienst. Von außen betrachtet, alles spannende Unterhaltung mit Tiefgang. Würde mich gerne mit voller Aufmerksamkeit jedem einzelnen Projekt widmen, aber das ist in der Praxis nicht immer leicht. Viele Pitches, viele Ideen, viele „Bälle in der Luft“ – und manch einer fällt auch auf den Boden. Das Bowie-Projekt ist leider nicht zustande gekommen …

Ich weiß gar nicht, ob das so ein Mann-Frau-Multitasking-Ding ist. Ich kann ja mehrere Sachen gleichzeitig bedenken oder ausführen, aber ich mag das eben nicht so gerne. Ich vergrabe mich lieber in der kreativen Stillarbeit, hab mein Projekt und fuchse mich da rein. Hatte diese Woche tatsächlich ein paar gute Recherche-Erfolge, musste dann aber erstmal abbrechen, obwohl ich das gerne bis zum Ende durchgearbeitet hätte. Ging um einen alten Kriminalfall in Österreich, einen Serienmord, bei dessen Ermittlungen auch ein pensionierter EX-Polizist eine Rolle spielte. Über den gibt es aber nicht viele Infos, auch nicht in anderen Filmen, die ich gecheckt habe. Also hab ich Angehörige und EX-Kollegen aufgespürt, und ich weiß genau, okay, eigentlich muss man jetzt alles stehen und liegen lassen, sich ins Auto setzen, runterfahren und nicht eher zurückkommen, bis man die Antworten auf seine Fragen hat. Aber im Tagesgeschäft ist das nicht immer möglich, immerhin, ich glaube, ich wäre kein schlechter Schnüffler …

Was cool ist: Die 11Freunde hat unser schönes Buch von Ina Bruchlos vorgestellt, in der aktuellen Ausgabe, ganz positiv, passend zum Derby heute Abend. Da haben wir uns natürlich sehr gefreut. Hoffen wir mal, dass es ein bisschen zur Verbreitung beiträgt, ist ja in Zeiten wie diesen für Indie-Verlage nicht so leicht. Die AutorInnen können keine Lesungen machen, die BuchhändlerInnen sitzen auf den Neuerscheinungen. Da hilft es natürlich, wenn ein cooles Fußballbuch seinen Weg in die Fachliteratur findet.

11Freunde müsst ihr haben
11Freunde müsst ihr haben

Ansonsten? Habe ich eine mehrtägige WhatsApp-Korrespondenz mit dem Philips-Kundendienst hinter mir. Unsere Haarschneide-Maschine, die gar nicht mal so günstig war, funktioniert nicht mehr, weil ein winziges Teil verloren gegangen ist (das sich schon nach kurzer Zeit gelockert hat). Ich konnte das Teil sogar lokalisieren und hab denen ein Foto davon geschickt, hab sogar angeboten, dass sie, wenn sie die Einzelteile nicht verschicken, ich den Schneider sogar einschicke, wenn die Reparatur nicht absurd teuer wäre. Die waren auch ganz verständnisvoll und freundlich und haben lustige Emojis benutzt, und für eine Sekunde dachte ich, hey, das könnte echt was werden, aber keine Chance.

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Wieder ein Teil für 60 Euro, das jetzt Elektroschrott ist, weil der Hersteller nicht in der Lage ist, ein Ersatzteil zu besorgen, das in der Herstellung wahrscheinlich nur ein paar Cent kostet. Sowas nervt mich WIRKLICH.

Höltigbaum-Hits Vol. 2 – mit Gestalten

Irgendwie menschlich
Irgendwie menschlich

Ja, man könnte sich vielleicht öfter äußern, als Blogger. Merke aber, dass es für mich besser ist zu schweigen, wenn man gerade nichts zu sagen hat. Oder nichts Genaues. Obwohl auf der anderen Seite viel passiert, über das man eigentlich diskutieren sollte: die Gefährdung der Demokratie, die Gefährdung der Wirtschaft, die Gefährdung der Kulturlandschaft, die Gefährdung von Jobs, die Gefährdung von Bildung. Alles ist gefährdet. Alles weltweit. Vor allem die Zukunft. Dabei frage ich mich: Kann die Zukunft gefährdet sein? Die Zukunft wird es doch immer geben, so oder so. Also ist nicht die Zukunft in Gefahr, sondern allenfalls unser Platz in der Zukunft, so wie wir beides als solches empfinden. Komischerweise finde ich den Gedanken, dass es die Zukunft immer geben wird, als tröstlich. Habe dann gleich wieder Lust, sie ein bisschen mitzugestalten.

Bin viel mit dem Fahrrad unterwegs, jetzt gerade am Wochenende wieder, bei strahlendem Sonnenschein ab ins Naturschutzgebiet und dann dick eingepackt auf meiner Lieblingsbank Pause gemacht und nachgedacht. Über Gott und die Welt. Und Musik gehört. Auf der neuen Notwist-Platte gibt es diesen Song, den ich sehr mag. Ihr vielleicht auch. Funktioniert am besten mit Kopfhörern und frischem Schnee drumherum. Bestes Noise-Cancelling-System ever …

Höltigbaum-Hits Vol. 1

Ihr Lieben,
ich habe ja vor ein paar Wochen schon mal geschrieben, dass ich – um dem totalen Lockdown-Schock zu entgehen – abends regelmäßig mit dem Fahrrad ins nahe gelegene Naturschutzgebiet „Höltigbaum“ fahre, mich da immer auf dieselbe Bank setze (mit Glück vorher den wilden Rindern begegne), ein Feierabendbier öffne, den Blick über die Wiese schweifen lasse und ein bisschen Musik höre. Jetzt im Winter vorzugsweise mit dicken Klamotten, langer Unterhose, Sitzkissen, Mütze, Handschuhe, das volle Programm.

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Wenn man in dieser Einsamkeit mit sich alleine ist, kommen die unterschiedlichsten Gedanken vorbei, setzen sich auf einen kleinen Plausch. Meine drehen sich dabei meistens ums Schreiben oder um Musik. Auch wenn ich mir gerade wieder eine richtige Platte bestellt habe (The Notwist – die neue), bin ich doch ein Fan dieser Musik-Apps geworden, weil man da ja tatsächlich fast alles findet, was einem gerade einfällt. Und oft ist ja so, dass einem, wenn man z.B. ein altes Stück hört, das man lange nicht gehört hat, gleich noch ein paar andere einfallen, die man dann auch sofort hören muss.

Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, demnächst an dieser Stelle ab und an kleine Musikgeschichten aus meinem Leben zu erzählen. Anekdoten, unnützes Wissen, ihr wisst schon.

Heute also diese: Ich bin jetzt kein Riesenfan von Marius Müller-Westernhagen, aber es gibt da ein paar Nummern, die ich gut finde. Und eine hab ich jetzt wiederentdeckt, die finde ich richtig geil:

Besonders dieses eine „Yeah!“ bei 05:10 Minuten. Der ganze Song ist gut, aber vor allem das Ende baut gut auf, schönes Solo, absolut geiler Trommler (Jean Paul Zimbris, sein Set klingt auch wie eines dieser ersten E-Drum-Sets, super fett und ein bisschen plastisch, ist aber vielleicht auch einfach nur gut aufgenommen und gemischt) und dann dieses beinahe schwebende, alles abrundende „Yeah!“ …

Immer wenn mich Dinge interessieren, gehe ich ihnen nach. Also bei Wikipedia das Line-Up gecheckt, und da sehe ich Gitarre: Karl Allaut. Und irgendwie sagt mir der Name was, aber ich komme nicht drauf. Ein paar Tage später sitze ich abends im Arbeitszimmer und beschäftige mich mal wieder mit Axel Schulß, einem Münsteraner Künstler, der viel zu früh gestorben ist. Der hat ein paar wahnsinnige gute Platten gemacht (z.B. mit Musikern wie Steffi Stephan aus dem Panikorchester, meinem Trommellehrer Ben Bönniger oder Ekimas und Wolfgang Proppe von den Erdmöbeln). Und auf einer gibt es einen Song, den ich absolut feiere: Morgen fangen wir von vorne an. Da gibt es am Anfang nur seine Stimme und eine Gitarre. Eine göttliche Gitarre. Und dreimal dürft ihr raten, wer die spielt – richtig, Karl Allaut. Klar, der wohnt jetzt in Hamburg und hat bei Westernhagen gespielt, der hat aber auch wie Steffi Stephan bei Lindenberg gespielt, und Steffi Stephan hat ja in Münster das berühmte Jovel betrieben. Will sagen, die Szene ist dann doch nicht so groß, zumindest nicht, wenn es um die wirklich guten Leute geht. Aber natürlich würde es mich interessieren, wie die Zusammenarbeit damals zustandekommen ist. War der zufällig in der Stadt? Und Stephi hat dann Ekki im Studio angerufen: Ey, der Karl ist hier und hat Bock, ne Nummer vom Axel einzuspielen!? Ich glaube, ich versuche das mal herauszubekommen.

Hier auf jeden Fall der Song! Zuvor die kleine Anmerkung, die Axel Schulß damals auf seiner Website zu dem Song gemacht hat. Komponiert hat das Ding übrigens Thomas Paßmann-Engel, der Bruder von … richtig … Bertram Engel, dem Trommler von … genau … Lindenberg und Maffay, ja, wie gesagt, die Musikwelt ist klein. Zumindest war sie das mal – als man, um Musik zu machen, noch ein Instrument beherrschen musste (Zwinkersmiley) …

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Aufgewärmt

Ihr Lieben,
Kurz vor Weihnachten und – noch schlimmer – vor dem Jahreswechsel und – noch viel schlimmer – das alles im Lockdown … da kann das Gedankenkarussell schon mal Fahrt aufnehmen. Oder komplett einrasten. Oder komplett aus. Wer sich jetzt nicht in guter Verfassung wähnt, sollte lieber keine Alben in die Hand nehmen und Fotos gucken, auf denen die Kinder noch sooo klein waren oder – noch schlimmer – man selbst. Die Zeit ist wie ein guter Freund, der sich immer Geld pumpt, aber nie zurückzahlt. Will sagen, man buttert nur rein.

Ich finde im Moment diese Verschiebung von Altersgrenzen spannend, den Wechsel der Generationen. Also, wenn ich plötzlich feststelle, dass mein Vater, als er unser Elternhaus (quasi im Alleingang) umgebaut hat, bloß etwas mehr als 10 Jahre älter war, als unsere ältesten Söhne jetzt sind …

Der eine hat sich zu Weihnachten übrigens Campinggeschirr und einen Spirituskocher gewünscht. Das finde ich natürlich großartig. Also, ja, vielleicht geht er illegal auf Wildschweinjagd, glaube ich aber nicht. Jedenfalls hat er mir einen Link geschickt. Große Kinder schreiben – geschweige denn malen – ja keine Wunschzettel mehr, sondern verschicken Links. Da ich aber auch gerne auf dieses Umtausch-Procedere verzichte, finde ich das ok. Jedenfalls fiel mir beim Anblick dieses Kochgeschirr-Sets ein, dass meine Ausrüstung noch im Keller steht. Seit zehn Jahren unbenutzt, ungefähr. Ich liebe es ja, Dinge, die mir im Laufe des Lebens wichtig geworden sind, an meine Nachkommen weiterzugeben, z.B. Klamotten oder Bücher, zum Glück sind sie da auch offen. Jedenfalls hab ich den Karton vor ein paar Tagen aus dem Keller geholt, alles mal vernünftig gereinigt und ausprobiert und …

Kocher

… funktioniert tadellos. Und mein Sohn findet den Old-School-Benzinkocher, der einen Lärm macht, als würde in der Ferne ein Düsenjet starten, auch gut. Er weiß aber natürlich auch, dass jetzt ein paar Euro übrig sind, z.B. für eine Hängematte mit Moskitonetz.

Was mich an der ganzen Sache am meisten berührt, ist die Tatsache, dass ich damals ziemlich genau so alt war wie er, als ich mir Geschirr und Kocher gekauft habe. Für eine Helgolandreise mit meinem Kumpel Bene. Das war eine schöne Zeit, und ich drücke uns allen, aber vor allem eben auch den jungen Menschen die Daumen, dass sie bald wieder raus in die Welt und diese für sich entdecken können.

Und eine Randnotiz noch: In meinem Debütroman „Jugendstil“, den man übrigens mit Glück immer noch gebraucht im Netz findet, gibt es eine Passage, die genau diesen Kocher, den ich jetzt an meinen Sohn weitergebe, zum Vorbild hatte. Auf der dem Buch beiliegenden CD habe ich diese Stelle damals auch vertont. Bisschen pathetisch, aber ich war noch jung:

Kommt zur Ruhe – und freut Euch auf den nächsten Tag am Meer!

Solo, Soli, Darität

Der Komponist Mathias Rehfeldt, der im Sommer für unsere TerraX-Reihe „Abenteuer Freiheit“ (Abenteuer Freiheit) die komplette Musik gemacht hat, schickte mir vor ein paar Tagen einen Link zu einem, wie er schrieb, Kompositionsauftrag für Chor und Orchester der Diözese. Oder, wie ich es nennen würde, geistliche Musik. Es sei natürlich alles schwierig gewesen, wegen Corona, und auch die Frage, ob und wie sie das Werk uraufführen. Sie haben dann letztlich dieses tolle Video gemacht.

Ich bin jedenfalls total begeistert. Ich finde es ja immer beeindruckend, wenn Menschen in ihrer Kreativität nicht so festgelegt sind, wenn sie also verschiedene Musikstile bedienen können oder, wie ich es versuche, neben dem Film auch mal zu schreiben, zu fotografieren, zu kalauern …

Storyteller

… oder zu trommeln.

War letzte Woche Donnerstag auch wieder in meiner Trommelbude. Als ich fertig war, bin ich auf dem Rückweg meinem Vermieter über den Weg gelaufen: Lars Watermann, sehr guter Trommler, super Typ. Hat in den letzten Jahren tolle Konzerte gespielt, auch ganz unterschiedliche Sachen (lars watermann).

Ich schreibe darüber, weil man ja vieles nur aus den Medien mitbekommt, z.B. was dieses Corona-Jahr mit KünstlerInnen gemacht hat. Lars erzählte, dass viele seiner Mucker-KollegInnen dieses Jahr wieder in ihre alten Jobs gegangen sind, um über die Runden zu kommen. Die, die konnten, wohlgemerkt. Und ich teile das hier, weil mir Mathias auch schrieb, wie ernst die Lage für einige geworden sei, nicht nur finanziell, sondern natürlich auch mental. Jemand, der seiner Bestimmung oder Berufung nicht nachkommen kann, leidet. Wenn ihm oder ihr dadurch noch der Lebensunterhalt flöten geht, ist es doppelt schlimm.

Damit möchte ich weder das existenzielle Leid vieler Menschen hierzulande und woanders auf der Welt schmälern noch verschweigen, dass momentan zigtausende andere vor allem in medizinischen oder Pflegeberufen aufopferungsvoll Tag für Tag ihren Mann/ihre Frau stehen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, vor Weihnachten und im nächsten Jahr wieder gezielter Kulturgüter zu erwerben, bei denen ich weiß, dass die Kohle auch den KünstlerInnen zugute kommt. Insbesondere Produkte von denen, die mir in den letzten Jahren und Jahrzehnten verlässlich Freude bereitet haben. Bringen The Notwist nicht bald ein neues Album heraus?

Unsere mta-Autorin Ina Bruchlos ist übrigens auch so eine Künstlerin. Ihr neues Buch habe ich schon. Und ihr? Suche Stehplatz Nord

Maradona …

… ist tot.

Hatte diesbezüglich eine kleine Diskussion mit meiner Frau, wie man „Legende“ definiert. Oder was einen Menschen zur Legende macht. Ich glaube, es begann damit, dass ich sagte, der komplette Lebenswandel dieses Mannes sei für mich zu destruktiv, um am Ende von einer Legende zu sprechen. Klar, der sportliche Erfolg, seine Bedeutung für den Fußball, aber alles danach? Schwierig. Im Grunde, meinte ich ein bisschen voreilig, sei Maradona da für mich eher auf einer Linie mit Boris Becker. Wimbledon-Sieg mit 17, die Spiele waren Straßenfeger, er hat einen Tennis-Boom ausgelöst (auch bei mir), aber dann? Ein langsamer, stetiger Niedergang, bis heute (Muss seine Mutter jetzt eigentlich aus der Villa raus, die Papa Becker noch gebaut hat?).

Jedenfalls wurde meine Frau an der Stelle ziemlich unnachgiebig. Die beiden könne man ja wohl kaum miteinander vergleichen. Und warum ich Menschen kein Scheitern zugestehen würde!? Ich erwiderte, das täte ich ja, natürlich könnten Menschen Fehler machen (ich mache ja selber ständig welche). Aber für mich verdienen vor allem die Menschen Bewunderung, die trotz ihres Erfolges und ihrer Bedeutung eben nicht abdriften, sondern ihr Leben weiterhin im Griff haben. Oder nach einer Krise umso stärker zurückkommen. Klar, die gebrochene Biografie ist immer interessanter. Genie und Wahnsinn, Selbstmord mit 27 usw., wissen wir alle. Doch ich bewundere Menschen, die Großes erreichen und trotzdem weiterhin funktionieren, gute Eltern, Freunde und Partner sind, die vielleicht noch etwas für die Gesellschaft tun. Ich glaube eben, es ist schwieriger, über lange Zeit ein verlässliches Licht zu sein als über kurz oder lang in Flammen aufzugehen.

Aber natürlich funktionieren „Legenden“ anders. Und ich muss sagen, ich habe da auch zwei Begriffe vermischt: Legende und Held. Mir ist das klar geworden, nachdem ich jetzt nochmal eine Doku über Maradona gesehen habe. Ich kannte natürlich die Geschichten: die Nicht-Nominierung bei der WM 1978, das frühe Ausscheiden (mit der Roten Karte) gegen Brasilien 1982 und dann die WM 1986, das Viertelfinale gegen England, in dem er die zwei wichtigsten Tore seine Karriere schießt. Im selben Spiel! Das „Hand-Gottes“-Tor (die Poetisierung einer groben Unsportlichkeit) und dann das Solo über den ganzen Platz, das alle Zweifel beseitigt. Mir war das alles noch bewusst, jedoch nicht mehr der zeitliche Zusammenhang: dass Argentinien und England vier Jahre zuvor gegeneinander Krieg geführt hatten (obwohl der Falkland-Krieg im geheimen Tagebuch von Adrian Mole auch Thema ist – die Reihe feiere ich gerade mal wieder richtig). Dass der Sieg gegen England im Prinzip ein ganzes Land emotional befreite. Maradona war Seelenheil, nicht nur für seine argentinischen Landsleute, auch für Neapel, eine zerstrittene Stadt, die er durch den ersten Meistertitel seit was-weiß-ich-wieviel Jahren wieder zusammenführte – und die ihn danach mit ihrer Liebe erdrückte.

Und insofern war er – über sein gesamtes Leben betrachtet – vielleicht kein klassischer Held, dafür war die zweite Hälfte m.E. zu tragisch, aber mit der Bedeutung für sein Land, mit diesem poetisch-prägnant geführten Kampf gegen England, ja, mit dieser hinzu gedichteten religiösen Komponente (die „Hand Gottes“) und letztlich der Tatsache, im vielleicht wichtigsten Spiel seines Lebens seine größten Fähigkeiten auf dem Platz zu verwirklichen … das ist natürlich legendär.

*

Ansonsten? Ist meine Mutter ein bisschen lustig …

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Zuvielisation

Die Anti-Corona-Demos in Leipzig. Dieser amerikanische (Alb-)Traum von (Ex-)Präsident, die zunehmende soziale Ungerechtigkeit, der allgemeine Rechtsruck, die allgemeine Tristesse, die neue Perspektivlosigkeit. Der November 2020 birgt Herausforderungen.

Vor ein paar Tagen erzählte ein hohes Tier vom NDR im Radio, Journalisten müssten aufpassen, dass sie die Welt, wenn sie über sie berichten, nicht immer – bewusst oder unbewusst – in Schwarz und Weiß aufteilten. Sonst erscheine bald alles auch nur noch Schwarz oder Weiß. Ich denke, ja, stimmt, aber Grautöne und Schattierungen helfen im November ja auch nicht so richtig weiter.

Ich habe in den letzten Tagen viel mit meiner klugen Frau gesprochen und werde selber versuchen, wieder ein bisschen mehr Freude und Farbe zu versprühen. Die Gräben, die sich auftun, nicht noch tiefer zu zeichnen, sondern mit Kalauern zuzuschütten. Und mit Argumenten. Ohne erhobenen Zeigefinger. Auf Augenhöhe. Von Herzen.

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Ich schneide diese Woche bei Studio Hamburg, zum ersten Mal in meiner nun doch schon recht lange andauernden TV-Karriere. Und ganz grundsätzlich habe ich hier den ganzen Tag nur mit netten Menschen zu tun. Was erstaunlich ist, weil alle ihre kleinen Sorgen mit sich herumtragen. Und weil die Stadt, wenn man aus dem Fenster blickt, (zumindest hier) potthässlich ist. Weil eigentlich alle jeden Grund hätten, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Aber sie tun es nicht. Weil der Mensch in der Lage ist, sich menschlich zu verhalten. Mitmenschlich! Weil das Handeln des Einzelnen im Alltag normalerweise nicht Ausdruck von Gier oder dem Streben nach Macht ist. Sondern der Versuch, mit anderen Menschen klarzukommen. Gemeinsam zu einem Ergebnis zu kommen und dabei womöglich sogar ein bisschen Spaß zu haben. Das ist nicht immer leicht, aber es macht das Leben leichter, wenn es ansatzweise gelingt.

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