Schnitzel-Jagd

Weil ich versuche, ein moderner Mann zu sein …, nein, Moment, weil ich ein moderner Mann bin, versuche ich ab und an, abends für alle zu kochen. Gestern gab es Putengeschnetzeltes. Soße aus der Tüte, Geschmack … naja … und natürlich viel zu viel. Hab die Reste mit zur Arbeit genommen, weil ich kein Essen wegwerfe. Und ausgerechnet heute gab es Wiener Schnitzel, also nicht „Wiener Art“, sondern richtig, vom Kalb. Luxusproblem, ich weiß, aber immerhin. Bin standhaft geblieben.

restessen

Habe ich nicht gestern geschrieben, im Moment laufe hier bei der Arbeit alles ganz ruhig und  reibungslos? Dann bin ich vielleicht die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Denn laut einer aktuellen Umfrage der pronova BKK fühlen sich neun von zehn Deutsche von ihrer Arbeit gestresst. Und immerhin sechs von zehn Befragten klagen gelegentlich über typische Burnout-Symptome wie anhaltende Erschöpfung, innere Anspannung und Rückenschmerzen.

entfremdung

Passend dazu fiel mir gestern das SPIEGEL-Sonderheft über Karl Marx in die Hände, in dem ich abends auf der Terrasse gleich noch ein wenig blätterte. Marx Begriff der Entfremdung meint ja, grob gesagt: Der Arbeiter kann sich weder mit dem Produkt noch mit der Produktionsweise seiner Arbeit identifizieren. Er verkommt vom schöpferischen Wesen zur rohen Arbeitskraft, die nach Marktgesetzen, die er nicht beeinflussen kann, wiederum selbst wie eine Ware (unter Wert) entlohnt wird.

Unfertige Gedanken ohne abschließende These: Marx bezog sich unter dem Einfluss seiner Zeit auf den Fabrikarbeiter. Was aber, wenn sich heute in scheinbar kreativen Bereichen (Medien, Kultur, Werbung) die Produktionsverhältnisse so unter den Gesetzen des Marktes verschärft haben, dass auch hier die Menschen das Gefühl entwickeln, Texte, Konzepte oder Filme eher „am Fließband“ zu produzieren, in immer engeren Zeiträumen, mit immer kleineren Budgets? Und womöglich gilt das auch für Lehrer, die Tag für Tag, gewissermaßen „am Fließband“ dieselben, komplexen, sozialen Probleme lösen müssen?

Andersherum gefragt: Was müsste gewährleistet sein, damit sich neun von zehn Deutsche nicht mehr von ihrer Arbeit gestresst fühlen? Ich werde mal darüber nachdenken.

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