Tiefe

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Drehen erst heute Abend, insofern hatte ich tagsüber ein bisschen Zeit für Recherche. War im NS-Dokumentationszentrum, in zwei Tiefgaragen und an der Einsturzstelle des alten Stadtarchivs (Foto siehe oben). Hab dann Mittag gegessen in einem total netten Laden namens „Pausenbrot“. Dort ein wenig in der neuen Brand eins geblättert und ein interessantes Interview mit dem Soziologen Berthold Vogel gelesen. Es ging um die Zukunftssorgen der Mittelschicht und inwiefern dieses Phänomen das Sozialkollektiv gefährdet und ein Misstrauenskollektiv schafft, welches wiederum Rechtspopulisten ausnutzen. Hochinteressant.
Hab ohnehin trotz des Produktionsstresses das Gefühl, wieder eine Art Bildungsreise zu unternehmen. War gestern im Fernwärmetunnel unter dem Rhein. Interessante Konstruktion. 500 m lang, aber nur 3 m Durchmesser. Gespenstisch. Als wir in der Röhre so herum liefen, fragte mein Kameramann Aksel plötzlich: warst du schon mal hier? Und zeigte mit dem Finger auf ein Gekritzel an der Betonwand. Wir trauten unseren Augen nicht. Da hatte jemand meinen Namen hinterlassen (siehe rechtes Foto). Verrückt, oder?

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Entwickle gerade ein Faible für die prosaischen, hässlichen, urbanen Un-Orte einer Stadt.
Gibt hier in einer Tiefgarage am Dom Reste der alten Stadtmauer.

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Völlig unscheinbar, aber auch bemerkenswert, wie hier hässlichste Moderne um frühe Stadtgeschichte herum gebaut wurde. Scheußlich schön.
Hab unterm Strich das Gefühl, in dieser Stadt mit all den Gesichtern, die ich nicht kenne, fern ab von zu Hause, plötzlich wieder ganz viel über das Leben zu lernen. Das Leben zu verstehen.

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Das NS-Dokumentationszentrum mit dem alten Folterkeller der Gestapo war besonders krass. Erinnerte mich an den Folterkeller der russischen Geheimpolizei in Riga, wo wir mit Manuel Möglich gedreht haben. Das sind die Orte, an denen die Menschlichkeit ins Unmenschliche mutiert. Man kann nur hoffen, dass es hierzulande nie mehr dazu kommt. Und da kommt wieder die Mittelschicht ins Spiel. Also die Menschen, die gerade so gut durchs Leben kommen und so viel besitzen, dass sie meinen, Angst haben zu müssen, genau das alles wieder zu verlieren. Denn genau an dieser Schwelle keimen Extremismus und Fremdenhass.

 

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