und ich dachte

Hat nach über 20 Jahren ihren Geist aufgegeben. Fest steht: Die neue wird nicht so lange halten.
Hat nach über 20 Jahren ihren Geist aufgegeben. Fest steht: Die neue wird nicht so lange halten.

Heute Morgen hab ich an unserem Bahnhofskiosk noch einen Kaffee und ein Croissants gekauft, da bestellte neben mir jemand zwei kleine Jägermeister, so ein ganz normaler Typ, ein Monteur oder Handwerker, offenbar auf dem Weg zur Arbeit, und ich dachte, okay, das ist schon krass, wenn du morgens erstmal Sprit tanken musst, damit der Motor auf Touren kommt – oder ruhig läuft, je nachdem.

Als ich dann die Rolltreppe am Hauptbahnhof hochfuhr und am Saturn entlangging, rannte so ein hagerer, grauer, alter Mann im Stechschritt an mir vorbei und pfiff dabei ganz laut, aber mit starrer Miene: „Lasst uns froh und munter sein“, und ich dachte: Ja, dann mach doch.

Auf der anderen Straßenseite unterhielt sich vor dem Kaufhaus eine junge Frau im Business-Outfit mit einem Obdachlosen, der sich mit seinem knappen Hab und Gut in eine windgeschützten Nische zurückgezogen hatte. Als ich fast bei ihnen war, verabschiedeten sie sich gerade. Sie sagte: Tschüss, und nannte seinen Namen. Darauf er: Viel Spaß heute. Und sie: Ja, Dir auch, und ich dachte: Hä? Dir auch?

Das Leben ist schön, bunt, wild, faszinierend unfassbar, mitunter hart und grausam, aber allemal komplex. Hab mir vorgenommen, was die Komplexität betrifft, an meiner Einstellung zu arbeiten. Bin ja (wie viele andere auch) manchmal genervt, wenn wegen des Jobs die Kunst leidet oder die Familie, oder wenn die Spülmaschine kaputtgeht (s.o.) oder der Dachdecker den Grund für den nassen Fleck in der Wand nicht sofort findet. Aber jetzt hatte ich – extra kurz vor Jahresschluss – nochmal so eine Woche mit Zahnarzt und TÜV, und das ist eine interessante Analogie, weil man bei beiden Terminen mit viel Hoffnung vorfährt und, gerade wenn Gebiss und Getriebe (Zahn(!)räder) jetzt nicht mehr die jüngsten sind, doch jedes Mal enttäuscht wird. Anders gesagt: Automechaniker und Zahnärzte finden immer was. Doch diesmal ging beides glimpflich ab. Poröse, kleine alte Zementfüllung im Weisheitszahn und poröses Traggelenk vorne links – no big deal. Und darüber habe ich mich gefreut, weil ich mich auch gut um beides gekümmert habe. Weitsichtig agiert. Nachhaltig gedacht. Abgesehen davon, dass der alte Elch an sich natürlich eine Umweltsünde ist. Hab heute beim Mittagessen einen interessanten Artikel in der taz darüber gelesen, wie sehr unsere deutsche „Vereinzelungsgesellschaft“ auf die Klimabilanz drückt. 40 Prozent aller Deutschen wohnen alleine, und jeder hat einen eigenen Fernseher, Computer, eine Kaffeemaschine und ein eigenes Auto. Und das alles verbraucht natürlich viel mehr Energie als zu Zeiten der Großfamilie, und ich dachte, ich möchte da nicht unbedingt hin zurück, aber „Vereinzelungsgesellschaft“ klingt auch irgendwie gruselig.

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