Dschungel bells

Heute sogar der „Gewinner“ in BILD – der neue Weihnachtsspot von Edeka. Meine Freundin hatte ihn mir am Sonntag schon gezeigt. Gut gemacht, große Gefühle auf knapp 2 Minuten, und das Thema trifft natürlich voll den Nerv. (Groß-)Eltern besuchen oder nicht? Ist dafür dieses Jahr Zeit? Hat man mit der Organisation der eigenen Familie und den Kindern nicht schon genug Stress? Und dazu die letzten Dinge, die vor Weihnachten noch im Job erledigt werden müssen. Alles, wie immer, unter Hochdruck bis zur letzten Minute. Wann kommt denn endlich Weihnachtsstimmung auf?
Diesen inneren Zwiespalt kennen wir wohl alle. Und die dunkle Ahnung, dass „Familie“ eigentlich die alle Familienmitglieder umfasst und die Eltern eben auch nicht ewig leben, kennen wir genauso gut. Und das schlechte Gewissen, wenn man sich gegen den Besuch entscheidet, weil man sich einredet, das nächste Weihnachten werden sie wohl noch da sein, ebenso. Meistens liegt man mit dieser Einschätzung ja auch richtig. Aber der Spot führt uns gut vor Augen, wie es uns ergehen würde, in dem Jahr und in der Sekunde, da wir realisieren, dass wir uns geirrt haben. Dass uns die Zeit manchmal einholt. Oder wir sie. Wenn uns das Schicksal einen Strich durch die Rechnung macht. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit und der Erkenntnis, (jahrelang) die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
All das führt uns der Spot (Anm.: im Übrigen eine Werbung, die so erfolgreich ist, dass bei youtube Werbung vor die Werbung geschaltet wird – super Thema für eine Abschlussarbeit) sehr eindrucksvoll vor Augen. Aber das Spannende ist: Er wird in den meisten Fällen an der Entscheidung – zumindest da, wo sie noch nicht getroffen ist – letztlich nichts ändern. Denn das ungute Gefühl haben wir ohnehin. Und eigentlich wissen wir um das „tödliche Risiko“. Und wir spielen mit diesem Risiko, weil wir vor der Komplexität des Alltags kapitulieren. Anders ausgedrückt: Wir sehen trotz der ganzen (kranken) Bäume zwar den Wald, doch das Leben ist ein Dschungel (zumindest glauben wir das). Und deswegen müssen wir sogar mit diesem Risiko spielen, weil wir nicht anders können (zumindest glauben wir das). Weil die Kraft, die es kostet, eine richtige Entscheidung zu treffen, von immer weniger Menschen aufgebracht werden kann. Oder? Irre ich mich!

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