Schwierige Themen

Überlegen gerade, für die Manuel Möglich-Reihe noch Deutschtürken in Istanbul zu drehen. Ein junger Spiegel-Kollege, Maximilian Popp, hatte da einen ganz schönen Artikel drüber geschrieben, deswegen kam ich auf die Idee. Nun ist in Istanbul natürlich gerade wieder die Hölle los, was einerseits spannend ist, andererseits die Dreharbeiten auch nicht gerade erleichtert. Krass – das Bild von dem Erdogan-Berater heute in allen Zeitungen. Übrigens auch wieder ein Thema für eine Abschlussarbeit, wie so ein Foto in verschiedenen Medien – mal clever, mal plakativ – betitelt wird:

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Hab dann gestern im Rahmen meiner Recherchen ein Interview mit Akif Pirincci gelesen und echt geschluckt, weil die Ansichten über Integration und Einwanderer, die er in seinem neuen Buch „Deutschland von Sinnen“ vertritt, so eindeutig und zugleich so befremdlich sind. Was wirklich auffällt – denn darüber diskutieren wir hier natürlich auch ständig mit Manuel, weil es unser Format betrifft – ist diese ambivalente Bewertung, auch in der Presse, aber auch durch jeden einzelnen. Ich finde auch, dass Integration immer beidseitig funktioniert und womöglich auch derjenige, der in ein fremdes Land kommt, erstmal schauen sollte, wie funktioniert das hier eigentlich, aber dass auch nicht jeder, der seine Heimat verlässt, hier gleich am nächsten Tag irgendwo voll angepasst in Lohn und Brot steht, ist doch auch klar. Und dass Einwanderer ihre Traditionen pflegen, finde ich auch nachvollziehbar. Im Exil ist die Heimatliebe am größten, hat Heinrich Heine mal gesagt, und das haben wir bei unseren Drehs auch festgestellt. Da leben Leute im Dschungel und suchen Ostereier. Oder kochen Gänsebraten mit Rotkohl. Also muss das hier andersherum doch auch möglich sein. Schwieriges Thema. Jedenfalls – und darauf wollte ich eigentlich hinaus – schrieb Harald Staun von der FAZ (laut Wiki), Pirinçci mache sich mit seinem Buch „zum Megafon der schweigenden Mehrheit“, und das beschreibt in der Tat das ungute Gefühl, das ich auch schon ein paar Mal bei unseren Recherchen verspürt habe. Ja, man kann nicht immer gleich die Nazikeule rausholen, wenn man etwas Gutes über Deutschland sagt, das es vielleicht auch zu schützen gilt, aber unser großes Problem ist von jeher diese „schweigende Masse“. Denn diese „schweigende Masse“, die jetzt über Pirinccis Buch sagt: `Endlich traut sich mal jemand, das auszusprechen!´ würde auch (wie damals) schweigend zusehen, wenn die Bundesregierung plötzlich alle Einwanderer wieder in Zügen nach Hause schicken würde. Und deswegen ist nach wie vor Bescheidenheit und Fingerspitzengefühl angesagt.

Heute Morgen hing in der U-Bahn ein Aufkleber vom Familienministerium am Fenster, darauf stand sinngemäß: `Heimlich schwanger? – Wir helfen.´ Die schwarzhaarige Frau, die im Hintergrund (unscharf) auf einem Bett saß, hätte auch eine Türkin sein können. In solchen Momenten finde ich mein Land ganz, ganz fortschrittlich.

 

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