Icke

Zurück aus Berlin. Habe dort gestern zwei interessante Interviews für die anstehende Dokumentation über die Lüge geführt. Zum Einen mit einem sehr cleveren, total netten, jungen Historiker – Bernd Ingmar Gutberlet, der echt meinen Horizont erweitert hat (nicht, dass das schwierig wäre, mein historisches Allgemeinwissen passt in eine Streichholzschachtel, trotz Geschichte-LK, wohlgemerkt) und zum Anderen mit einem katholischen Theologen, David Berger, der sich als homosexuell geoutet hat und dadurch natürlich Schwierigkeiten mit der Kirche bekam, ebenfalls eine beeindruckende Persönlichkeit.

In dem Kontext haben wir natürlich auch über schwule Fußballer gesprochen. Das Lustige (oder Traurige) ist, ich hatte gar nicht mitbekommen, dass sich just im fluter erstmals ein Bundesligaprofi geoutet hatte (anonym, aber immerhin). Will sagen, als Blogger bin ich natürlich (mindestens) einen Tag zu spät mit dem Thema, aber das ist es ja: man denkt selber wochenlang auf irgendwas herum, weil man einen Film darüber macht, und plötzlich explodiert genau dieses Thema an anderer Ecke, doch vor lauter Scheuklappen kriegt man das gar nicht mit. Jedenfalls habe ich dann abends in Kreuzberg ein paar alte Freunde getroffen, und einer von denen erzählte mir davon. Klar, die Gerüchte häufen sich ja seit dem Sommermärchen, und ein Nationalspieler hat sich ja auch schon mal konkret dazu geäußert, doch – gerade als Journalist – fragt man sich, warum der Boulevard da schon so lange schweigt!? Wer soll da geschützt werden? Oder was? Tatsächlich die Persönlichkeitsrechte der Spieler? Oder doch eher ein anachronistischer, milliardenschwerer Volkssport?

Spannend vor dem Hintergrund der Lüge ist übrigens auch, dass auf der fluter-Page unter dem Interview ein Hinweis abgedruckt war, dass man beim fluter davon ausgehe, dass der freie Mitarbeiter dies Interview mit diesem Spieler auch wirklich geführt habe. Tom Kummer lässt grüßen …

Wie lange kann es jetzt noch dauern, bis die ersten hochkarätigen Namen bekannt werden? Ich hoffe, dass die Fans und Funktionäre dann nicht durchdrehen. Ob Shitstorm oder Hetzjagd – der aufgeklärte Mensch ist immer noch ein Tier mit niederen Instinkten, sagt auch mein neuer Lieblingshistoriker … hier übrigens ganz entspannt beim Verkabeln.

Ein taz-Redakteur schrieb gestern (habe ich aber auch erst heute gelesen – Herrje), „schwuler Labbadia“ sängen die Fans doch seit Jahren … ja, vielleicht, aber „schwuler Labbadia“ ist bloß gaga – richtig bedenklich und fies wird „Schwuchtel“ oder das Attribut „schwul“ eben auch erst dann, wenn es sich – mit echter Verachtung – gegen Homosexuelle richtet. Insofern ist es Schade, wenn Funktionäre homosexuellen Fußballern aus Angst vor dem System raten zu schweigen, das System selbst aber nicht in Frage gestellt wird. Das hat der taz-Redakteur aber auch gesagt. Puh, ernstes Thema … morgen was Leichtes, versprochen.

Schlaft gut,
Gerrit

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert