Win-Win(ter)-Situation

Kennt ihr diese Tage, an denen man morgens normal aufsteht und dann alles innerhalb kürzester Zeit in die falsche Richtung zu laufen scheint? Ich hatte heute einen solchen Tag – habe aber am Ende ganz gut die Kurve gekriegt. Und davon möchte ich kurz berichten …

winwintersit

Wenn ich recht darüber nachdenke, fing es eigentlich schon gestern Abend damit an, dass mir plötzlich heiß und kalt und schlagartig klar wurde, dass wir am 70. Geburtstag meiner Mutter im Urlaub sind. Dass ich also falsch geplant, bzw. den großen Geburtstag meiner lieben, alten Mutter bei der Planung völlig übersehen habe.

Dieses ungute Gefühl der Scham kam heute Morgen nach der ersten Tasse Kaffee wieder hoch und vertiefte sich auf dem Weg zur Tiefgarage. Ein schräger Blick gen Himmel. Wollt ihr mich verkohlen? Dicke Schneeflocken fallen herab, ein dünner weiß-brauner Schmierfilm auf der Straße, der örtliche Straßenverkehr sogleich wieder kurz vor dem Kollaps. Ich – dadurch leicht verspätet und sogleich wieder in Hetze – auf dem Weg zum Zahnarzt, eigentlich nur um mein Bonusheft abzugeben und die weitere Behandlung zu besprechen. Stattdessen Röntgen und die laute Überlegung, vielleicht doch gleich noch den Zahn daneben mitzumachen und aus der Krone lieber eine Brücke zu machen. Ach ja, und der Weisheitszahn muss auf jeden Fall raus. Den Termin können wir jetzt gleich machen. Das andere kann ich mir überlegen!!

Auf dem Weg zur Arbeit gedrosseltes Tempo, vor mir ärgern sich dicke Schlitten auf Sommerreifen. Einziger Lichtblick: Mein heißer Kaffee, so schlau war ich gerade noch, beim Bäcker reinzuspringen, dazu die Alexander Kluge-CD im Player, „Chronik der Gefühle“, was für eine hochintelligente Sammlung. Höre Anekdoten aus der Geschichte, denke an mein Studium, meine Arbeit über die Volsunga-Saga und deren Einfluss auf Wagners „Ring“, Minuten später Kluges Gedanken über die Wälsungen, hatte ich völlig vergessen, dass er das Thema auch beackert hat. Vermisse die Kopfarbeit.

Manchmal.
Sehr.

Vermisse jedenfalls nicht den Planungsstress. Die Absprachen, die man treffen muss, das Sortieren der Zeiten mit den Kindern. Das ist so, aber nicht natürlich. Nervkram. Und wie bringe ich es meiner Mutter bei, dass sie ihren 70. womöglich ohne uns feiern muss? Zerreißen müsste man sich können, um zur selben Zeit an verschiedenen Orten zu sein. Am Wochenende bahnt sich gleich das nächste Problem an: Spiel des Jüngsten gegen das große Sankt Pauli, ich, der Alte, zeitgleich ein wichtiges Nachholspiel, das zugleich auch ein Abschiedsspiel ist.

Und das ist der Moment, wo sich alles dreht: Denke an den Grund für das Abschiedsspiel. Einer unserer Mannschaftskameraden ist gestorben, Krebs, keine 50 Jahre alt ist der geworden, einfach nur zum Heulen. Am Sonntag spielen wir mit Trauerflor und legen vor Spielbeginn eine Schweigeminute ein. Das Leben ist kostbar, und was ist schon eine Brücke gegen eine Chemo-Therapie – die dann noch nicht einmal greift!?

War ein anderer Mensch, als ich ins Büro kam, glaube ich, nett und kollegial. Aufgeräumt. Habe meiner Mutter meinen Planungs-Fauxpas gebeichtet und mit ihr vielleicht schon eine Lösung ausgetüftelt. Habe ihr gesagt, dass ich ihr es jetzt beichten MUSS und nicht erst zwei Wochen vor dem Geburtstag, weil mich die Gedanken wirklich plagen.

Weil die Reue echt ist.
Ist sie.

Habe das Gefühl, dass ich 2018 anders angehen werde. Direkter kommunizieren, weniger Umschweife machen. Mir vergegenwärtigen, wie kostbar Zeit ist. Auf meinen Körper achten. Aber mich auch nicht verrückt machen. Öfter die einfachen Dinge genießen. Gute Freunde treffen. Meine Freundin öfter neu erobern.

einfachgut

Mehr lustig sein. Und selber noch mehr lachen. Oder zumindest öfter Schmunzeln, anstatt mich aufzuregen. Heute hat es am Ende noch geklappt. Kann ich nur empfehlen.

Übrigens: Die Alphabeten sind back! Yeah!

abgefahrenereifen

 

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