Kein Signal

keinsignal

von oben, dass das Wetter nochmal besser wird. Bekomme eine Lungenentzündung alleine vom Aus-dem-Fenster-schauen.

Es ist, als hätte ich es gerochen. Hab ich doch im letzten Beitrag beschlossen, das Lebenswerk eines Mannes zeige sich am Ende weniger in bedruckten Regalmetern und mehr in der Fürsorge für seine Liebsten, lese ich heute bei SPON eine Rezension über Thomas Langs neuen Roman „Immer nach Hause“. Thema: Hermann Hesses Ehe mit der Basler Fotografin Mia Bertoulli und seinen vielen Fluchtversuchen aus eben diesem Familienleben. Seine Gattin Bertoulli endete später mehrfach in psychiatrischer Behandlung, ein hoher Preis für die künstlerische Suche des Schriftstellers; ich würde sogar sagen, ein eigentlich unbezahlbarer.

Während ich im Urlaub war, hat mein Arbeitgeber zwei Spezial-Hefte herausgebracht: eines über Fidel Castro und eines über die Sechziger. Hab ja noch vor dem Urlaub „Tumulte“ von Enzensberger gelesen und muss sagen, dass ich diese Ära immer spannender finde. Weil es auch so viele Überschneidungen gibt. Sartre fährt mit Castro durch Kuba, genauso wie Enzensberger, den Castro später auf die Liste der politischen Gegner setzt. Sartre befragt auch den jungen Daniel Cohn-Bendit nach dessen Revolutionsbegriff, der sich wiederum über das Menschenbild eines Che Guevaras aufregt. Alles Randnotizen unter einer großen Cloud.

Man darf nicht vergessen, was die 68er-Bewegung alles im Nachkriegsdeutschland „bewegt“ hat, zum Beispiel die Frauen- oder Schwulenbewegung. Das Meiste von dem, was wir heute als fortschrittlich und schützenswert empfinden, wurde damals nicht nur erkämpft, sondern zum ersten Mal überhaupt formuliert.

Ich frage mich, ob es damals leichter oder schwerer war, sich Gehör zu verschaffen. Und ob es heute noch eine Forderung gibt, die – wenn man sie richtig formuliert – etwas Großes „bewegen“ könnte. In die richtige Richtung, versteht sich.

Ansonsten? Ertappe ich mich dabei, abends gerne noch ein bisschen Olympia zu gucken. Ich beobachte da einen Trend: Die Sportarten, in denen wir Deutschen erfolgreich agieren, sind eher Luxussportarten: Reiten, Schießen, Tennis. Das ist symptomatisch und wird sich in den nächsten Jahrzehnten auch eher verschärfen.

Und? Habe jetzt erst die Heimwerker-Videos von Fynn Kliemann für mich entdeckt. Dafür ist das Medium wirklich gedacht und gemacht.

Schneckentempo

schneckentempo from anders-blog on Vimeo.

Urlaub vorbei. Morgen geht es wieder ins Büro. Und dann in zwei Wochen ab nach St. Petersburg. Erdogan wird dann wohl nicht mehr da sein, sonst hätte ich mich mit den beiden Demokratie-Experten mal an einen Tisch setzen können.

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Das Wetter hier ist ja tatsächlich so unsommerlich wie aus der Ferne beschrieben. Der einzige Vorteil an diesen ständigen Schauern ist, dass sich die Blumen wie von selbst gießen.

Waren ja mit dem Wohnmobil unterwegs und sind auch wirklich der Sonne hinterher gefahren. Österreich, Slowenien, Kroatien und auf dem Rückweg noch mal Österreich. Geangelt, Fußball gespielt, im Mittelmeer gebadet, gut gegessen und als Familie Zeit miteinander verbracht. Ich bin sehr dankbar für diese schönen Momente, gerade in diesen hektischen Zeiten, doch umso härter ist jetzt die Phase, da die eigenen Kinder wieder weg sind. Daran werde ich mich nie gewöhnen.

In Kroatien haben wir spontan einen alten Bekannten besucht, Holger Frenzel, ein Deutscher, der dort seit Jahren einen Campingplatz betreibt. Ich habe ihn vor Jahren mal für VOX gedreht, seitdem waren immer mal wieder Fernsehteams da. Aktuell läuft gerade was mit ihm auf Kabel 1, „Zwischen Meer und Maloche“ oder so ähnlich, hab am Sonntag Abend kurz reingeschaltet, fand es aber langweilig, bis auf Holger, versteht sich, der ist echt unterhaltsam. Und ein guter Gastgeber. Hat mit uns einen Bootsausflug zu den Delphinen gemacht, das war (selbst für die größeren) Jungs natürlich ein Knaller.

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Wenn man Zeit mit seinen Liebsten verbringt, stellt man sich automatisch die Frage, warum das so selten der Fall ist. Warum man so viel Zeit mit anderen Dingen verbringt. Und wie man das ändern kann. Ich habe mir extra zwei Tage länger Urlaub genommen, aber anstatt zu entstpannen, wäscht man einen Haufen Wäsche und kommt ins Grübeln.

Meine Freundin hat mir im Campingplatz-Supermarkt ein Buch gekauft: „Silbermond und Kupfermünze“ von W. Somerset Maugham. Es handelt von Charles Strickland, der seinen Job als Börsenmakler aufgibt, Frau und Kinder verlässt, um in Paris als Maler zu leben. Es gibt einen Haufen Genies, die zeitlebens einen Riesenoutput hatten, aber sich einen Dreck um ihre Kinder gekümmert haben. Ja, mir fehlt auch manchmal die Zeit, mehr als einen Gedanken zu formulieren, aber ich glaube, die eigentliche Lebensleistung misst man am Ende nicht in gedruckten Regalmetern.

In der neuen „11Freunde“ gibt es eine schöne Vorstellung der neuen, jungen, noch unbekannten Bundesligaprofis. Einer von ihnen heißt wie ich, nämlich Gerrit, allerdings Holtmann mit Nachnamen. Es hat mich sehr gerührt, wie er erzählt, dass ihm viele Trainer in der Jugend gesagt haben, er würde es nie zum Profi bringen, und wie er seinem krebskranken Vater auf dem Sterbebett versprach, „es mit dem Fußball zu packen und auf meine Mama aufzupassen“. Gerrit Holtmann war damals so alt wie meine Söhne heute, im Ernst, als ich das gelesen habe, musste ich fast heulen.

Für mich beginnt jetzt auch die Vorbereitung auf die neue Saison. War heute sogar joggen, morgen ist Training. Und ich habe in Equipment investiert. Wir haben auf dem Rückweg von Östereich einen Zwischenstop in Herzogenaurach gemacht und mit dem Jungs einen Abstecher ins Puma- bzw. Adidas-Outlet gemacht. Leider bin ich auch schwach geworden. Hab mir ein paar Fußballschuhe gekauft, ein Restpaar, das angeblich mal 250 Euro gekostet hat. Für sage und schreibe 25 Euro. Hatte sie schon einmal zum Kicken an – keinen Unterschied festgestellt. Aber schick sind sie schon. Oder zumindest schrill …

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