(Noch) kein Land in Sicht

Meine Oma wird heute beerdigt, und ich bin nicht da. Immerhin fährt meine Freundin für uns hin, sie ist schon auf dem Weg in die norddeutsche Tiefebene …

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Klar, wäre jetzt gerne bei ihr. Aus 1000 Gründen. Stattdessen beginnt für mich gleich der Arbeitstag. Moderne Welten. Und überhaupt kein Land in Sicht vor dem „Country Inn“ in Long Island City.

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Drive by „Shooter“

Hier ist es halb Fünf morgens, kann nicht mehr schlafen, vielleicht jetzt doch die Zeitumstellung. Hab schon kurz mit meiner Freundin telefoniert, immerhin. Der erste Drehtag war gut. Der Protagonist, Patrick Weder, ein angesagter Holzdesigner, ist ein sehr netter, interessanter Typ. Haben ihn bei den Vorbereitungen für eine Messe begleitet. War hektisch, aber ich bin gleich bisschen herumgekommen. Das war nett. Möchte, glaube ich, trotzdem nicht hier leben, zumindest nicht für immer. Gestern fegte ein fieser Wind durch die Stadt und hat den ganzen Müll herumgewirbelt. Dafür bin ich dann doch zu sehr Landei. Aber wenn man sie portionsweise konsumiert, ist die Stadt schon sehr inspirierend. Sind gestern an dem Studio vorbeigefahren, wo sie Birdman gedreht haben – WOW!

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Brechfest in America

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Nachdem ich mir mein Abendessen gestern in der Tankstelle nebenan geholt habe (mein Feierabendbier wurde tatsächlich in einer dieser braunen Papiertüten verpackt oder, besser gesagt, versteckt – filmreif), sah das Frühstück heute Morgen leider auch nicht viel besser aus.

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Ungesunder Kram auf Einmalgeschirr. Dabei trägt das Hotel ein „Country“ im Namen. Doch so ist das, und am Ende schmelzen dann eben die Gletscher. Aber der Kaffee war lecker, Instant-Kaffee trinken wir zuhause ja auch frühmorgens in der Woche, insofern kein Problem.

Jetzt warte ich auf den Kameramann, gleich geht es zum ersten Dreh, mit einem Schweizer Holzdesigner, klang am Telefon sehr nett. Bin trotzdem konzentriert, so ist der Job. Noch einen Kaffee, ein Blick auf die Skyline (der Ausblick ist super, hab das Zimmer bestimmt bekommen, weil ich 2 Wochen hier bin – oder vom Fernsehen), auf dem Schreibtisch wacht Cees Nooteboom und gibt meiner Mission einen literarischen Anstrich, alles ist Erzählung. Ich bin Dichter. Dichter dran.

Am Erika

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Vermute, ich bin da. DA-her geht’s nicht. Hotel ist ein bisschen oll, aber ok. Wünschte, ich könnte dasselbe über die Gletscherpfütze sagen, die wir heute überflogen haben. Dieses schmelzende Eis, in Kombination mit dem ganzen Schrott aus der kleinen Entertainment-Unit an der Nackenstütze des Vordermannes … eine üble Kombination.

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Memo Mema

Meine Oma ist tot. Vorgestern Nacht ist sie gestorben. Das ist traurig. Und ich kann nicht auf die Beerdigung, weil ich im Ausland bin. Eigentlich dürfte ein Job nicht so wichtig sein, aber ich kriege es jetzt nicht mehr verschoben. Das ist schlimm, aber so ist das Leben manchmal. Und der Tod.

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Wir haben trotzdem Abschied genommen, auf unsere Art, meine Freundin, die drei Jungs und ich, ganz oben auf dem Berg, ganz nah am Himmel. War die Idee meines jüngsten Sohnes, auf „Mema“ (so nennen sie ihre Ur-Oma) anzustoßen. Das war stilvoll, aber ich hätte es auch gerne im Beisein der anderen gemacht. Wir sind ganz viele Kinder, Enkel und Urenkel, die Trauerfeier wird herzzerreißend werden.

Unser Schutzengel war zu Memas Gedenken offenbar auch die paar Meter zum Gipfel herab geflattert, denn als es meinen großen Sohn etwas später auf der allerletzten Abfahrt von den Skiern haute, war er da und wog ihn in Watte – nix passiert.

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Gestern Nacht sind wir heile und gesund wieder in Hamburg angekommen, nach 9 Stunden Fahrt im Auto. Ging tadellos, kein Stau, liebe Kinder und ich zuverlässig wie ein Autopilot. Alles nicht selbstverständlich, aber wir singen es ja auch immer, das Schutzengel-Lied.

Zum vollen Genuss mp3 (Play-Taste) und Elbtunnel-Video gleichzeitig starten:

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Wieder daheim. Elbtunnel Hamburg nach 9 Stunden im Auto. Bestes Gefühl ever from anders-blog on Vimeo.

Kopfberg

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Mein kleiner Sohn sagte heute, beim Skifahren würde man seine Probleme vergessen. Er meinte wohl eher „kindliche Nöte“, aber egal. Daraufhin bemerkte meine kluge Freundin, daran könne man sehen, dass diese „Probleme“ nur im Kopf und nicht wirklich DA seien. Versuche mir das zu Herzen zu nehmen und noch nicht zu sehr an meinen nächsten Job in Amerika zu denken. Gelingt einigermaßen. Hab gestern Abend, als schon alle schliefen, auf DMAX eine Reportage über Trucker im australischen Outback gesehen. Danach ging es mir irgendwie besser. Lustigerweise kamen wir auf dem Hinweg an diesem Schild vorbei. Wollte es eigentlich meiner Chefin mailen: Bin schon da.

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Lese gerade die gesammelten Berlin-Notizen von Cees Nooteboom. Wundervoll. Man hat gleich Lust, wieder nach Berlin zu fahren. Und ist trotzdem gewarnt. Weil man nicht möchte, dass es nochmal so beschissen wird wie zu Zeiten der Mauer. Ich bin dafür ein bisschen zu jung, aber wie er diese Grenzkontrollen von West nach Ost beschreibt: gruselig. Und trotzdem denke ich, diese Art der Prosa-Chronik würde mir auch liegen. Hab im Moment Probleme, meine Projekte zu kanalisieren; im Ansatz viele gute Ideen, aber Schwierigkeiten, (mich) auf eine zu setzen.

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Man kann überall Bögen ziehen. Über All. Skiurlaub zum Beispiel. Allein schon räumlich eine Enklave, weil nur der kleinste Teil der Bevölkerung die Zeit, die Mittel und auch die Lust verspürt, in die Berge zu fahren und halsbrecherisch die Pisten hinunter zu sausen. Aber wie wohltuend, wenn man es einmal gemacht hat. Die meisten, die es sich leisten können, kommen daher auch wieder (oder irgendwie leisten können, so wie ich).  Jedenfalls spürt man diese mentale „geschlossene Gesellschaft“, diesen Begrüßungsblick untereinander, dieses kaum merkbare Nicken, eigentlich ein begrüßendes Ignorieren, für die Spießerseele in mir seltsam beruhigend, ähnlich wie das Gefühl beim Packen dieser komischen Dachbox am Abend unserer Abfahrt.

Viele Osteuropäer hier, Ungarn, Tschechen, dazu natürlich die unvermeidlichen Wikinger-Dänen und Seefahrer-Niederländer. Die Tschechen, scheint mir, müssen sich hier noch die Selbstverständlichkeit erarbeiten, die Einheimischen tun sich da schwer. So muss es gewesen sein, als die ersten Russen Kitzbühel unsicher gemacht haben, „unsicher“ vor allem aus der Sicht derjenigen, die „zuerst“ da waren. Ich finde es gut, dass hier die bescheidenen Tschechen sind und weiß, dass sie jetzt hier sein und mitfahren können, aufgrund der Ereignisse, die Nooteboom so fein beschreibt, Ende der Achtziger in Berlin, da wird einem die Größe bestimmter Ereignisse klar. Wie Ausläufer gigantischer, ewiger Lawinen rollen politische Entscheidungen bis heute über uns und vor uns und an uns vorbei.

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Vatersein in einem Wort, nein, in einem Gedanken? Eine hustende Kinderbrust mit Erkältungsbalsam einreiben; das sich über ein klebendes Schlafanzugoberteil beklagende Kind, mit der Klage immer noch nicht am Ende, als es schon von den Mentholdämpfen überzeugt, endlich einschläft. Das ist Poesie.

Ski heil e Welt

Blauer Himmel, klare Luft, weißer Schnee, leckeres Essen, glückliche Kinder, Entspannung pur. In solchen Momenten wäre ich gerne der unnütze Erbe eines Großindustriellen. Der jüngste Sohn, der zwar weniger bekommt, aber auch weniger Verantwortung trägt. Der sein Geld in Stiftungen steckt, Stipendien oder eigene kleine Projekte, z. B. einen Gedichtband, den ich dann statt Grußkarten zu Weihnachten verschenke. Und die Leute werden sich trotzdem freuen, weil ein Scheck beiliegt als Lesezeichen …

Anblick erster Abend vor unserer Hütte. Zum Heulen schön.

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Ski Gong

In der Speicherstadt stehen immer reihenweise Autos im Halteverbot, mit lustigen Zetteln in der Scheibe, damit sie ja kein Knöllchen kriegen oder, noch schlimmer, abgeschleppt werden. Einige sogar mit Namen und Telefonnummer, und wo man arbeitet – als wenn der Abschleppdienst oder die Politessen sich die Mühe machen würden, vorher anzurufen!? Irgendwie rührend.

Trotzdem Knöllchen oder ein altes zur Tarnung?
Trotzdem Knöllchen oder ein altes zur Tarnung?

Heute Abend geht es in den Schnee. Ein paar tage mit den Liebsten. Kann es mir eigentlich nicht leisten, aber gut. Die Kinder freuen sich, ich freue mich. Leider muss ich mein Diensthandy anlassen, zu komplex ist diese Amerika-Produktion. Noch einige ungeklärte Fragen. Deswegen wäre ich manchmal gerne Handwerker. Naja, jedenfalls ist das Visum schon mal da.

Hab heute zufällig im Abendblatt (von Dienstag) gelesen, dass ein paar Hamburger Sterneköche überlegen, eine Art Konventionalstrafe oder Buchungsgebühr zu verlangen, wenn Gäste, die einen Tisch gebucht haben, einfach nicht kommen. Ich musste direkt an Ali Güngörmüs denken, mit dem ich vor Jahren mal gedreht habe, wo – mitten im Dreh, also vor laufender Kamera – jemand in seinem Restaurant anrief und kurz vor der ausgemachten Zeit die Reservierung für den großen 8er-Tisch platzen ließ. Da wurde selbst der nette und ausgeglichene Ali etwas schmallippig. Aber das ist natürlich auch richtig Umsatz, der da flöten geht. Naja, jedenfalls will sich Ali auch dieser Köche-Initiative anschließen. Ich glaube, der Dreh ist auch schon wieder 8 Jahre her. So lange ärgern die sich damit rum, bis einer mal sagt: Jetzt reicht´s. Muss wie eine Erlösung für die anderen sein. Sowas will man ja auch nicht alleine durchziehen, dann bist Du als Chef gleich uncool.

Mir fällt gerade ein, dass ich bei unserer Apotheke ein Seaband für Kinder bestellt habe – hilft gegen Reiseübelkeit. Mein Sohn hat mich aber eben angerufen, er habe sein altes just wiedergefunden. Es ist zwar kein 8er-Tisch bei Ali, aber ich glaube, ich rufe mal eben in der Apotheke an und cancle die Bestellung.

Roh world

Hab das Büchlein von Fritz J. Raddatz „Jahre mit Ledig“, das mir meine Freundin geschenkt hat, gelesen und bin ganz begeistert. Was für eine interessante Zeit die 60er doch waren. Und was für ein berauschender Job, an der Seite des (unehelichen) Sohnes von Ernst Rowohlt eben diesen Verlag zur Blüte zu treiben. Ständig auf der Suche nach neuen Autoren, diese für sich zu gewinnen, dann das Publikum für diese, oft mit Erfolg, immer unter Strom und den Augen des Chefs, mit der Fähigkeit zu Zwinkern … ja, es ist Literatur über Literatur und sicher nicht die ganze Wahrheit, aber es entfacht genau den sonnigen Zauber wie eines der ersten Chartbreaker des Verlags, Tucholskys „Schloss Gripsholm“, nach wie vor eines meiner Lieblingsbücher. Interessant und charmant und versöhnlich und gesund auch, dass das Büchlein bei Rowohlt erschienen ist, obwohl Raddatz durchaus auch kritische Töne orgelt, aber die Grundtonart bleibt harmonisch und uneinholbar von Winter-WM, Masern und dem ganzen Rest.

Fühle mich in die Geschichte regelrecht eingearbeitet. Weil Namen wie Tucholsky fallen und „von Salomon“, dessen Sohn mein erster Chef war und dessen Großneffe Jakob nun hier in Hamburg ein immer gern von mir getroffener Freund ist; Manuel Möglich – jetzt ebenfalls ein Rowohlt-Autor – schrieb, ich sei in der Danksagung seines Buches erwähnt, meine Freundin hat es per Foto aus dem Buchladen bestätigt. Freut mich.

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Aber der Gipfel des Zu(sammen)falls – ein Name, eine Zeile darüber, Gunnar Schmidt, der Verlagsleiter, der mich vor ca. 10 Jahren nach der Lektüre meines Debuts „Jugendstil“ – wiederum auf Geheiß des mittlerweile verstorbenen Zeit-Redakteurs Konrad Heitkamp – auf dem Handy anrief und Interesse an meiner Schreibe bekundete. Nun ist bekanntlich nichts daraus geworden und doch so viel, es strickt schließlich meine eigene zum Ärmel einer kleinen, warm haltenden Literatur-Geschichte, und ich kann damit herrlich über alles hinwegwischen. Hab mir allerdings sicherheitshalber aus unserem Hause das neue Wissen-Heft eingesteckt:

Scheitern

Scherz beiseite, das Interview mit dem Soziologen Heinz Bude klingt wirklich interessant.