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Manchmal reicht ja ein Blick in die Boulevardpresse, um sofort zu sehen, was schief läuft. Heute war es mal wieder ganz einfach:

1. Die Natur schlägt zurück

Quelle: Mopo
Quelle: Mopo

Da muss man ernsthaft konstatieren: Glück gehabt – das Ding wirbelte knapp einen Kilometer Luftlinie an unserer Dachgeschosswohnung vorbei. Halleluja.

2. Ein Blick in die BILD gibt einem dann noch den Rest.

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Dämlicher als die „Outs“ von Frau Gülzow geht es nun wirklich nicht. Passt aber zum BILD-Fan-Paket. Nicht falsch verstehen: Ich finde es wirklich ganz toll, dass sich auch Menschen mit kleinem Budget hierzulande vernünftig ernähren bzw. sich sogar mal einen kleinen „Luxus“ leisten können. Aber dieses ungesunde Plastik-Fraß-Sauf-Zucker-Fett-Fan-Paket für nicht einmal 2 Euro inklusive dieser verschissenen, unheilvollen Kleingarten-Schland-Das-Boot-ist-voll-Fahne, das ist leider – und, ja, dann klingt es halt elitär, aber in Wahrheit bin ich bloß sehr besorgt, und ich kann mich nicht dagegen wehren – irgendwie echt: White Trash meets Brot & Spiele. Stopft dem Volk Maul und Hirn und gebt ihm Fußball, so haltet ihr es unter Kontrolle. Wobei man aktuell ja sogar froh sein muss, wenn die Wutbürger nicht das Maul aufreißen, sondern brav auf ihrer Parzelle bleiben. Zumindest bis zum Endspiel.

Sprachrohr

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Erste Drehreise nach Köln gut überstanden. Gestern Nacht noch im Jack Who gedreht, einem relativ neuen Kellerclub in Ehrenfeld. Teil des Konzeptes dort ist es, dass die Gäste keine Fotos machen, sondern sich auf die Party konzentrieren sollen. Für uns haben sie eine Ausnahme gemacht.
War im Morgengrauen zuhause, hatte ich auch lange nicht. Bin aber erstaunlich fit. Eben auf der Rückfahrt im Zug „Generation Beziehungsunfähig“ von Michael Nast durchgelesen. Ich hab den ja mal auf einer Lesung in Frankfurt kennengelernt – also, ich kannte den vorher auch gar nicht. Netter, unaufgeregter Typ, der mit diesen Alltagskolumnen eine gute Nische für sich entdeckt hat. Aber auch bemerkenswert, dass man damit so erfolgreich sein kann. Es scheint mehr Menschen zu geben, als man denkt, die es schätzen, wenn man das Nachdenken für sie übernimmt. Oder zumindest ihre Gedanken formuliert.

Behandelst die Umwelt
wie ein billiges T-Shirt.
Falsche Größe,
falsche Farbe.
Und in Köln warnt die Lautsprecherstimme vor Trickdieben!

Wenn du einen Freund brauchst,
hörst du Beethoven.
Und in München warnt bloß der Deckel des Kaffeebechers vor heißem Inhalt!

Baust dir eine Existenz auf.
Aber es entsteht nichts.
Und in Düsseldorf warnt die Presse vor einem Anschlag!

Stopfst deine Showeinlagen
in die schnellen Lackschuhe.
Und in Berlin warnt ein Politiker vor dem Generalverdacht!

Kommst dir vor wie …
und endlich an.
Und zuhause warnt eine innere Stimme davor, allzubald wieder wegzufahren.

Tiefe

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Drehen erst heute Abend, insofern hatte ich tagsüber ein bisschen Zeit für Recherche. War im NS-Dokumentationszentrum, in zwei Tiefgaragen und an der Einsturzstelle des alten Stadtarchivs (Foto siehe oben). Hab dann Mittag gegessen in einem total netten Laden namens „Pausenbrot“. Dort ein wenig in der neuen Brand eins geblättert und ein interessantes Interview mit dem Soziologen Berthold Vogel gelesen. Es ging um die Zukunftssorgen der Mittelschicht und inwiefern dieses Phänomen das Sozialkollektiv gefährdet und ein Misstrauenskollektiv schafft, welches wiederum Rechtspopulisten ausnutzen. Hochinteressant.
Hab ohnehin trotz des Produktionsstresses das Gefühl, wieder eine Art Bildungsreise zu unternehmen. War gestern im Fernwärmetunnel unter dem Rhein. Interessante Konstruktion. 500 m lang, aber nur 3 m Durchmesser. Gespenstisch. Als wir in der Röhre so herum liefen, fragte mein Kameramann Aksel plötzlich: warst du schon mal hier? Und zeigte mit dem Finger auf ein Gekritzel an der Betonwand. Wir trauten unseren Augen nicht. Da hatte jemand meinen Namen hinterlassen (siehe rechtes Foto). Verrückt, oder?

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Entwickle gerade ein Faible für die prosaischen, hässlichen, urbanen Un-Orte einer Stadt.
Gibt hier in einer Tiefgarage am Dom Reste der alten Stadtmauer.

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Völlig unscheinbar, aber auch bemerkenswert, wie hier hässlichste Moderne um frühe Stadtgeschichte herum gebaut wurde. Scheußlich schön.
Hab unterm Strich das Gefühl, in dieser Stadt mit all den Gesichtern, die ich nicht kenne, fern ab von zu Hause, plötzlich wieder ganz viel über das Leben zu lernen. Das Leben zu verstehen.

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Das NS-Dokumentationszentrum mit dem alten Folterkeller der Gestapo war besonders krass. Erinnerte mich an den Folterkeller der russischen Geheimpolizei in Riga, wo wir mit Manuel Möglich gedreht haben. Das sind die Orte, an denen die Menschlichkeit ins Unmenschliche mutiert. Man kann nur hoffen, dass es hierzulande nie mehr dazu kommt. Und da kommt wieder die Mittelschicht ins Spiel. Also die Menschen, die gerade so gut durchs Leben kommen und so viel besitzen, dass sie meinen, Angst haben zu müssen, genau das alles wieder zu verlieren. Denn genau an dieser Schwelle keimen Extremismus und Fremdenhass.

 

Eau de Cologne

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War heute für eine ARTE Doku im berühmten Kölner Kronleuchtersaal. Stammt aus  dem 19. Jhdt. Und zu Ehren des Kaisers hat man damals einen Kronleuchter reingehängt, obwohl es eigentlich ein Abwasser-Kanal ist, auch heutzutage noch. Wurde heute Zeuge, wie das Abwasser über die kleine Mauer in den Saal schwappte, weil es hier so viel regnet. Das war beeindruckend. Vor allem, dass die Jahrhunderte alte Konstruktion immer noch funktioniert. Heute geht jedes Gerät und jede Maschine einen Tag, nach dem die Garantie abgelaufen ist, kaputt. Garantiert.