Hab mir letzte Woche aus purer Langeweile ein Buch aus einem dieser Leihregale genommen, die in ein paar Linienbussen in Hamburg stehen: „Jeder jagt Juanita“. Hab darin geblättert und dann geschah etwas Tolles: Ich hab mich festgelesen, ehrlich, ich habe dieses amüsante, lustige Büchlein (in der Tradition deutscher Nachkriegsunterhaltungsliteratur) nicht mehr aus der Hand gelegt und heute (so oft fahre ich ja nicht Bus) schweren Herzens wieder zurückgestellt – aber nur so funktioniert das Prinzip. Komischerweise gibt es in meinem neuen Werk auch eine Passage, in der eine Juanita eine Rolle spielt. Die kann ich Euch jetzt natürlich nicht mehr vorenthalten …
Neben mir hing eine Pinnwand aus Jute mit Fotos. Auf einem sah man eine junge Frau, aber das Foto war älter, eine Schwarzweiß-Aufnahme. Mit dem Glas in der Hand stand ich auf und trat etwas näher an das Bild heran. Es zog mich magisch an. Die Frau hatte denselben Teint wie der Wirt. Sie stand irgendwo in der Wüste und trug ein buntes Strickkleid und Turnschuhe. Wie gesagt, das Foto musste mindestens 50 Jahre alt sein, doch genau so hätte es letzte Woche das Cover eines alternativen Designer-Magazins zieren können.
Ich ging noch näher heran. Erst als es fast unscharf wurde, blieb ich stehen. Plötzlich konnte ich ihr Kleid spüren, die kalte, etwas kratzige Wolle auf meiner Haut. Mir fiel Agnes ein, die ein ganz ähnliches Kleid getragen hatte, und dann dachte ich, dass ich mir ja vielleicht nie die Mühe machte, Menschen wirklich kennen zu lernen, und jetzt war sie gleich ein Kapitel in Eriks Geschichte, und da dachte ich an Erik, hoffte, es gehe ihm gut, und nebenbei starrte ich immer weiter auf das Foto, und mit einem Mal war ich dieser Frau auf dem Foto ganz nah, spürte, wie sie mir ihre schwarzen Locken unter die Nase rieb, konnte sie riechen, und ich fragte mich, warum es immer um Steffis, Julias oder Evas ging, warum nicht mal um Esmeralda oder Juanita, ja, vielleicht war das der richtige Weg, und dann fiel ich plötzlich der Länge nach hin auf den Boden.
Als ich nach meinem Nachmittagstermin in die U-Bahn steigen wollte, hab ich in diesem Super-Antiquariat am Stephansplatz einen kurzen Blick in die Auslage geworfen – und bin prompt fündig geworden: Ausgewählte kurze Texte und Gedichte von Richard Brautigan, schön handlich, hübsch gebunden, kleiner Preis.
Happy End.
Ansonsten? Geht´s gleich nach Sasel. Heute Pokalspiel. Viertelfinale. Bin ganz aufgeregt …