Tom Tom

Core-Knaben
Kindsköpfe
Kunstlicht
ewig nicht nüchtern
rolltreppenwitzelange
Einbrüche
in meine Sicherheitslücke

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Alltag

Obama ist wieder Präsident. Robben kriegt den Ball ohne fremde Hilfe nicht im Tor unter. Draußen ist es grau.

Hab heute die Lüge weiter geschnitten – Thema: Doping im Radsport. Josef Wilfling, der Mordermittler, zieht da einen ganz interessanten Vergleich mit der Mafia oder Rockerbanden, wo ja auch alle Mitglieder zugleich Mitwisser und Mittäter sind und sich ja auch alle auf dieses einvernehmliche Schweigen einigen bzw. eben alles zusammenkracht, sobald mal ein Aussteiger ausbricht und redet …

Jan Ullrich ist ein absolut faszinierender Sonderfall, das ist ganz schwer zu fassen. In so einem Crash-Interview mit dem Magazin antwortete er damals auf die Frage, ob er gedopt hätte, sinngemäß: Wenn Talent Doping ist – ja! Man möchte ihm so gerne glauben. Ich hab bei der Tour 1997 jeden Tag vor der Glotze gesessen und bei diesem legendären Zeitfahren fast geheult. An anderer Stelle sagte Ullrich mal, er hätte sich keinen Vorteil verschafft und niemandem geschadet. Jürgen Schmieder meinte das auch: Wenn einer mit Ullrichs Talent feststellt, er wird nur Zweiter, dann kommt er eben ins Grübeln. Hans-Hermann Tiedje fordert deswegen bei uns (mit einem Augenzwinkern), man müsse Doping endlich legalisieren, das wäre am Einfachsten …

Kräfte

freisetzen. Roboter Gerrit schneidet Filme. Stottert ein bisschen, aber funktioniert noch. Gestern Spendenaffäre, heute Doping. War `ne gute Idee, Jürgen Schmieder zu interviewen. Er ist ja hauptberuflich Sportjournalist, das zahlt ich jetzt aus. Hab ihn heute ein paar Mal eingepflanzt. Schade, dass man für diese langen Filme nicht noch ein bisschen mehr Zeit hat. Dann könnte man noch viel mehr an den Übergängen und den Themeninseln basteln. In unseren Interviews steckt immer so viel drin, eine Schande, wenn man bedenkt, was da alles am Ende rausfällt. Als würde man immer nur die Filets rausschneiden und den Rest in den Müll schmeißen …

Hänge schon wieder den ganzen Abend vor Pro 7. Respekt, Chuck Lorre. Mir fällt gerade auf, dass er jedes Format mit der gleichen schlichten schwarzen Tafel beschließt, auf der unten links vergleichsweise unprätentiös sein Name steht. Hat Stil. Schau gerade mal – der sieht auch noch gut aus. Und Charlie Sheen disst ihn auf Youtube, das ist der Ritterschlag!

Im Ernst, es kann doch nicht so schwer sein, ein erfolgreiches Format zu entwickeln, so was wie Friends, nur auf Deutsch. So eine Gelddruckmaschine, die obendrein auch noch clever und lustig ist.

Bei Two and a half Men ging es heute um so einen Treppenlift. Ich weiß, vor 30 Jahren wurden die Dinger schon beworben, auf diesen schwarzweißen Kleinanzeigen-Seiten in den Autozeitschriften meines Vaters (damals war der Lamborghini Countach der Traum aller Jungs), neben den ersten Bodybuilder-Pulvern (war das nicht sogar mit Arnie?), Hornhaut-Salben und Spezialschuhen  à la „Werden Sie 8cm größer in 2 Sekunden“.

Statt einer erfolgreichen Serie täte es auch eine Pille – „Wieder unbeschwert wie ein 8-Jähriger in 2 Sekunden“ …

Graf Foto

 

Man kann Fotos anschauen,
um zu wissen, wie ich war.

Oder Leute fragen.

Man kann Fotos anschauen,
um zu ahnen, wie ich sein werde.

Oder Leute fragen.

Ich durchschaue
mich und mich
auf Fotos
fragen Leute,
ob ich ein Abbild
von uns beiden bin.

Natasche

Okay, das war mein Sportwochenende. Gestern die Bayern, heute wir. Spannendes 2:1 gegen Hansa 11. War alles dabei – nur kein Fußball. Egal, hab immerhin einen schönen Lattenschuss in der ersten Halbzeit abgefeuert. Und wir sind nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich wieder zurückgekommen, passiert auch nicht alle Tage. Manchmal bekommen solche Spiele echt was Metaphorisches …

Danach ein bisschen eingekauft, Spülmaschine aus- und den Schrank mit den Töpfen aufgeräumt, Wäsche gewaschen, Wäsche gelegt und nebenbei ein bisschen Inspector Clouseau geguckt. Jetzt bin ich auch einigermaßen aufgeräumt.

Hab nach meinem gestrigen Schnelldurchlauf im Bayern-Fanshop heute ein bisschen gesucht – und zwar diese alte Stricktasche, die mir meine Mutter vor ca. 30 Jahren aus München mitgebracht hat. Ich hatte das Ding all die Jahre immer in Gebrauch (als Student trug ich meinen Speckbrettschläger darin), also wenn das keine Qualität ist, weiß ich es auch nicht.

Schicksals-Spiele

Was soll ich sagen? Donnerstag lag die Welt noch in Trümmern, und jetzt hat sich doch alles gefügt. Jürgen Schmieder ist heute Morgen tatsächlich erschienen und war sehr unterhaltsam. Nach dem Mittag hatte ich dann das Vergnügen, den Mordermittler a. D. Josef Wilfling zu interviewen. Auf die Frage nach der krassesten Lüge in seiner Zeit bei der Polizei nannte er das falsche Geständnis des Günther Kaufmann und erzählte nochmal die Details – superspannend. Na ja, wird man ja vermutlich im Frühjahr bei VOX sehen …

Hatte dann am Flughafen noch ein bisschen Luft. Stand kurz vor dem Geschäft meines Herzens und wünschte, mein kleiner Sohn wäre hier. Konnte dann aber widerstehen, Geld auszugeben, das ich nicht habe. Danach lief Bayern-HSV live in einer Sportsbar, und das war eine ganz neue Erfahrung. Zum ersten Mal seit langem musste ich mich für die Tore meines Vereins nicht schämen, im Gegenteil, die meisten jubelten sogar mit.

Dabei hätte mir heute ein Unentschieden absolut gereicht. Nicht nur, weil die anderen Teams alle für Bayern gespielt haben, nein, weil meine Freundin und ihr Sohn doch HSV-Fans sind. Mal sehen, ob sie die Schlösser schon ausgetauscht haben …

München

Wieder on the road. Bin gerade im Hotel angekommen, direkt am Hbf. Hab früher oft in München gedreht, aber hier war ich noch nie.

Ich freu mich immer über diese Begrüßungen via TV, keine Ahnung, warum, bin ich total empfänglich für. Der ganze Tag war aber auch nicht so schlecht. Fing damit an, dass sich der Autor Jürgen Schmieder heute bei mir meldete und spontan den frei gewordenen Interview-Spot morgen übernahm – genial. Hätte sonst irgendwelche Vox-Pops machen müssen. Schmieder hat 40 Tage lang nicht gelogen und darüber ein lesenswertes Buch geschrieben – deswegen ist er ein Experte für unsere Lügen-Doku.

Der Flug war auch gut. Keine nervigen Leute, im Gegenteil, Hamburg – München, da wimmelt es nur so von hübschen Menschen (ausgenommen mir), ehrlich, das ist als hätten die „genetisch Bevorteilten“ (Harald Schmidt) die Arche Noah erklommen, um auf einem anderen Planeten eine neue Art zu zeugen. War aber ganz froh, dass wir doch bloß nach München flogen. So kurz vor der Landung bin ich immer wieder geflasht davon, wie zivilisiert wir sind. Also nicht genug damit, dass wir fliegen können, nein, auch dass jede beschissene Straße Laternen hat, das ist doch verrückt, was für eine Logistik …

Als ich dann nach der Landung auf die Uhr schaute, wurde ich plötzlich ganz mellow, weil ich seit langem mal wieder die Uhr trug, die mir mein Vater vor 20 Jahren weiter vererbt hat (also, ohne zu sterben, aber immerhin), das war irgendein Weihnachten. Er selbst hatte sie mal bei der Fernsehlotterie gewonnen, was spackig klingt, aber die Uhr für mich noch viel wertvoller macht. Das fiel mir auch heute wieder ein, hab sie gleich abgemacht und umgedreht; wenn man auf das Bild klickt und genau hinguckt, kann man es auf dem Rücken der Uhr lesen: Fernseh-Lotterie …

 

München ist cool. Hätte fast noch Lust, mir ein kleines Kino zu suchen oder eine alte Pinte. Muss aber morgen auch fit sein. Hab mir stattdessen erstmal eine Wanne eingelassen. Nebenbei blogge ich – hab mir, wie man sieht, einen kleinen Arbeitsplatz im Zimmer eingerichtet. Das Abendessen besteht aus einem Fertigsalat, Sonnenblumenkern-Brötchen und einer Dose Löwenbräu (falls es nicht reicht, gibt´s zur Not immer noch die Minibar).

Auf Bayern 3 läuft eine gemütliche Castingshow, moderiert von Nina Eichinger. Die hat vor 6 Jahren mal ein Praktikum bei uns gemacht und saß ein paar Wochen bei mir im Büro. Ein ganz nettes Mädchen. Null Allüren. Hat (nicht nur, aber auch) immer ganz leckeren Tee gemacht. Den Rest hat sie mir sogar dagelassen, musste ich Jahre später wegwerfen …

Berufswal

Mist. Wegen Sandy sitzt meine Interviewpartnerin für Samstag immer noch in New York fest und wird es vermutlich nicht schaffen. Nervig. Leider kann man die Dame auch nicht ersetzen. Das ist das blöde an diesen langen Filmen; dass dir auf dem letzten Ende immer noch irgendwas passieren kann. Das kann man als normaler Mensch schwer nachvollziehen. Das verfolgt einen bis in den Schlaf. Klar, ein Herz transplantiert man auch nicht mal so eben oder baut ein Atomkraftwerk. Ja, es gibt schon Jobs, die man, wenn man nach Hause kommt, nicht wie einen Mantel an die Garderobe hängt. Die schleift man den ganzen Abend hinter sich her.

Ich musste da heute ein paar Mal dran denken, weil ich gestern von meinem Vater schrieb, tagsüber im Finanzamt und nach Feierabend Hobby-Schäfer (jetzt baut er Eisenbahnen). Meine Mutter war ihr Leben lang Krankenschwester. Warum ist mir diese „Verwirklichung“ plötzlich so wichtig? Warum sind meine Eltern scheinbar problemlos mit 30 Urlaubstagen ausgekommen? Steigere ich mich in eine „Das Leben ist so kurz und wertvoll“-Hysterie hinein? Obwohl – der Bestseller-Autor Manfred Lütz sagte in dem Interview, das Timo mit ihm für unseren Lügen-Film gemacht hat, etwas ganz Ähnliches. Nicht neu, auch so ein bisschen „Alles fließt …“, aber ich fand es trotzdem ganz passend, zumal der Lütz ja auch kein totaler Medienpessimist ist.

Also, hier, habe ich eben noch gelesen:

„Dieses Buch (Bluff, Anm.: GJA) soll Menschen ermutigen, dass sie zwar einerseits in diesen Kunstwelten leben müssen, unvermeidlich, aber dass sie wenigstens zeitweilig mal rauskommen. Dass man mal in den Wald geht für eine halbe Stunde und nicht mit einem Buch Mein Wald gehört mir – oder seiner Frau nur zu erzählen, dass man durch den Wald gegangen ist. Sondern diese unwiederholbare halbe Stunde des Lebens zu riechen, zu schmecken, zu erleben. Und sich klar zu machen: Das ist unwiederholbar, ich kann das nicht mehr wiederholen. Morgen mache ich das in einer anderen Atmosphäre und übermorgen lebe ich vielleicht gar nicht mehr. Das heißt, wirklich im Bewusstsein der Unwiederholbarkeit jedes Moments existenzielle Momente des Lebens wirklich wahrzunehmen und sie wichtiger zu finden, als das, was man in diesen Kunstwelten, in künstlichen Rollen so treibt.“

Vielleicht sollte ich wieder nach Island … muss demnächst mal unsere Videos durchgucken.