Foto-Monteur

Schlüsselszene

Sitze heute den ersten Tag im Schnitt, um die ersten Wohn-Geschichten zu schneiden. Erster Tag ist immer schwierig. Während die Cutterin etwas Licht ins Dunkel bringt, pflüge ich durch eine Flut von Handyfotos, die ich während der Drehreise gemacht habe. Sind doch viele Kleinigkeiten, die einem auffallen, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht.

Fotobeweis

Zum Beispiel diese Werbung für eine Autowerkstatt. Hing auf einem Rasthof über dem Pissoir. Ein vertrauenserweckender Mechaniker mit dem Schraubenschlüssel für alle Fälle. Müsste von der Größe mindestens ein 24er sein, aber wenn man genau hinguckt, ist es bloß ein 13er. Also eine Fotomontage? Muss das sein? Kann man nicht einfach einem Typen eine alte Hose anziehen, ein bisschen Öl in die Fresse schmieren und einen großen Schlüssel in die Hand drücken? Ist denn GAR NICHTS mehr echt?

Cover, Boy

Vorgestern konnte man es schon auf der facebook-Seite von minimaltrashart sehen, heute bei mir:

Cover, Boy

 

Ich finde es toll, und das, was drin steht, auch. Dank und Lob an den Verlag. Alles nicht selbstverständlich. Anais Nin hat sich damals eine alte Presse gekauft und ihre Texte anfangs selbst gedruckt, weil die Verlage diese zu „unkommerziell“ fanden. Hab ich heute wieder in den Briefen Henry Millers gelesen.

Will das gar nicht überstrapazieren, aber ich habe ganz viel Freude an diesem Miller-Buch (wie gesagt, 1Euro im Antiquariat). Heute schrieb er, wie er sich im Dezember 1942 – während einige seiner amerikanischen Freunde zum Kriegsdienst eingezogen werden – als Bewährungshelfer(!) bewirbt und nach seinem ersten Tag total geflasht ist von diesen ganzen rauen jungen Straftätern und den Geschichten, die er dahinter wähnt, und dass das für ihn wie eine „neue Verbindung mit dem Leben in seinem Rohzustand“ sei … da musste ich dann doch an meinen letzten Eintrag vorgestern denken, als ich schrieb, dass dieser Schicksals-Schnelldurchlauf auf Dreh mich natürlich auch immer menschlich weiterbringt. Das ist ja das Gute an meinem Job, nein, der einzige Grund eigentlich, warum man das überhaupt macht.

Büro(h)ängste

Erster Tag wieder im Büro. Schlage die Zeitung auf und sehe eine PR-Anzeige von LIDL – die haben ihren Mindestlohn auf 11 Euro angehoben und sind offenbar ganz stolz. Und die Mitarbeiter sind (jetzt auch) richtig motiviert:

LIDL-PR
LIDL-PR

Was kommt als nächstes? Ein Zeitungsverlag, der sich damit brüstet, immer noch mit Festangestellten zu arbeiten? Die Welt ist toll, äh … ein Tollhaus. Mein Arbeitgeber setzt ein Zeichen und lässt für seine schwitzenden Mitarbeiter den Eismann auf den Hof (li. Foto).

Eis A   Ah, da also ...

Jedenfalls hat mich auch diese Drehreise wieder verändert. Nicht nur, weil ich endlich den richtigen Weg zum Wissen gefunden habe (re. Foto), nein, wenn man diese ganzen Leben im Schnelldurchlauf abklappert, ist das natürlich immer auch ein Spiegel, speziell bei dieser Produktion. Je mehr ich für diese Wohnen-Dokumentation drehe, desto mehr stelle ich fest, wie glücklich man sich schätzen kann, wenn allein die Grundstruktur steht. Wenn ein bisschen Ordnung da ist. Wenn man heute weiß, wo man morgen zuhause ist. Bin gestern Abend ganz schön von Freundin und Sohn empfangen worden. Das ist Glück. Glück, das man in dem Moment aber auch erkennen und sich vergegenwärtigen muss. Weil es das Höchste ist, was man im Leben erreichen kann. Sogar die Tomaten hatten etwas für meine Heimkehr vorbereitet …

Rote Tomaten   Tomaten auf den Augen

In der Zwischenzeit ist beim Verlag auch eine Entscheidung für´s Cover gefallen. Demnächst mehr. Nur soviel: es ist sehr, SEHR plakativ. Aber cool. Vielleicht hilft es dem Verkauf. Köstliche Anekdote übrigens bei Henry Miller, wie er (in Hollywood) schreibt, dass William Faulkner für 300 Dollar die Woche (irre viel Geld) für Warner Brothers schreiben muss, weil „seine Bücher nicht viel Geld einbringen“ … weiß nicht, ob mich das trösten soll. Kurios ist es allemal.