Bücher, Wurm

In Altona hat jemand an der Bushaltestelle eine Kiste mit Büchern hingestellt: zu verschenken. Hab zum Glück reingeguckt und zugeschlagen. Enzensberger, Strittmater, eine Kompilation mit Texten sozialistischer Politk und Literatur – und schließlich eine total coole (Schul-?)Ausgabe von Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“ Keine Ahnung, ob da jemand Abschied vom Linkssein gefeiert hat, ich bin jedenfalls ganz beseelt über den unverhofften Reichtum. Hab gleich angefangen, in dem Strittmater zu lesen, „Ole Bienkopp“, gehört (laut Fischer-Klappentext) zu den bedeutendsten Werken der DDR-Literatur und gilt als Muster des `sozialistischen Dorfromans´.

Zuhause angekommen, dann Drama: Eine der kleinen Meisen ist aus dem Nest gefallen. Hab mit dem Enzensberger eine Fliege gekillt und sie dem Meisenbaby mit der Pinzette hingehalten – da ist es panisch weggehüpft. Was jetzt? Ole Bienkopp hätte bestimmt Rat gewusst. Bin wegen der ganzen Wohnungs-Recherche gerade wieder akut empfänglich für alternative Konzepte auf dem Land. Obwohl wir hier ja auch sehr schön wohnen … Ach, was weiß ich denn. Oh, sehe gerade, der Typ heißt Strittmatter – mit 2 `t´. Strittmater hieß, glaube ich, der Seelsorger in der Krebsklinik, wo ich Zivildienst gemacht hab.

Geschwür – Geschworen – Geschwader

Zufälle?

Gestern Abend eine weitere, lange Lektoratssitzung bei minimaltrashart abgefeiert. Seltsam, was man – selbst nach dem 20. Mal Lesen – doch noch alles findet. Aber auch gut, mal ein paar Seiten am Stück wegzuschaffen und festzustellen, dass es (immer) besser wird. Habe aber auch festgestellt, dass man am Ende vor lauter Müdigkeit Ja und Amen zu allem sagt. Zum Glück rechtzeitig aufgehört.

Heute Morgen dann den Sohn meiner Freundin zum Bauernhof gefahren. Er verbrachte dort seinen „sozialen Tag“, d. h. arbeiten für einen guten Zweck. Der Bauer fragte ihn als Erstes, ob er schon mal Trecker gefahren sei. Die Bäuerin hieß übrigens Ingrid – genauso wie die Bäuerin aus meinem Buch. Zufall? Wohl kaum. Vor 2 Tagen stand ich an der Ampel und sah diesen Aufkleber:

Einer meiner Hauptprotagonisten heißt ja auch Erik und könnte phasenweise genauso ausgesehen haben – wie Erik Cohen. Kannte den gar nicht. Ein Rocker. Im Herbst auf Tour. Vielleicht gehe ich mal hin, kann doch alles kein Zufall sein …

Ansonsten? Ja, in Hamburg regnet es oft, aber immerhin verschwinden die Häuser nicht in den Fluten. Alles Wahnsinn …

Und? Stelle gerade fest, dass dies der 200. Artikel ist. Muss ich mir für Morgen etwas Besonderes einfallen lassen.

Die steril(isiert)e Gesellschaft

U-Bahn-Station. Ja, klar, man kann nicht überall rauchen (an der Tankstelle) und saufen (am Steuer), aber wo ist die Grenze? Was macht das System mit uns? Was lassen wir mit uns machen? Ab wann ist es zu spät, um etwas zu dagegen zu machen? In „Resistanbul“ (taz) versuchen mutige Menschen gerade, sich gegen einen mächtigen Staatschef zu wehren. Zu spät? Weil es einem lange gut ging? Weil es einen erst jetzt unmittelbar betrifft? Was ist der berühmte „Funke“? Was könnte das in Deutschland sein? Oder könnte das in Deutschland gar nichts mehr sein? Würden die Menschen, die in Frankfurt demonstrieren, auch in Istanbul auf die Straße gehen? Wofür würde ich Tränengas in Kauf nehmen? Wenn mir jemand meine Wohnung wegnimmt? Habe im Zuge meiner Recherchen für die neue Doku übers „Wohnen“ schon einige Horrorgeschichten gehört, über Makler, über Spekulanten, über die Schattenseiten der Gentrifizierung. Noch bin ich Beobachter der Opfer. Wenn ich selbst Opfer bin, gehe ich auf die Straße. Aber dann wird es zu spät gewesen sein. Bald werden unsere Städte Verbots-Stätten sein, in denen sich reiche Langeweiler gegenseitig auf Schultern klopfen und Nerven gehen. Letzte Chance für Kreative: regionale Land-Wirtschaft. Erste (erfolgreiche) Versuche gibt es schon.

Ansonsten? Ist Michael Ballack im neuen WM-Vorspann des DFB zu sehen – überraschend nach dem Abgang. Und die Kinder, die die Nationalspieler gestern Abend gegen die USA aufs Feld geführt haben, trugen statt der Trikots T-Shirts von McDonalds …

Und? Jaden Smith, der Sohn von Will Smith, soll gesagt haben, er interessiere sich nicht für Gleichaltrige, weil die nur Videogames im Kopf hätten. Armes Kind.