Wenn die dicke taz vom Wochenende am Montag immer noch hier im Büro herumliegt, lese ich sie gerne in der Mittagspause, weil da so schön viele weiche und abseitigere Themen verhandelt werden. Und selbst, wenn man es nicht schafft, alle Artikel zu lesen, gibt einem der Überblick das gute Gefühl, tatsächlich eine Art Überblick zu behalten.
Wir kriegen in Deutschland die Kinderarmut nicht in den Griff.
In Hamburg protestieren Prostituierte dafür, wieder ihrer Arbeit nachgehen zu dürfen; ihr Claim: Der Staat fickt uns, aber er zahlt nicht!
Die Uni-Hildesheim bietet ab kommendem Semester ein Studium der „Digitalen Sozialwissenschaften“ an.
Deutsche Bauern entwickeln Strategien gegen die Dürre.
In New York können ein Viertel(!) der Menschen ihre Miete nicht mehr voll bezahlen.
Deutsche Häftlinge sind gesundheitlich unterversorgt.
Es gibt Kulturgeografen!?
Ich glaube, es ist der Mix aus großen und kleinen Themen, der mich in der Waage hält. Oder, anders gesagt: Dürre und Kinderarmut sind für mich emotional überhaupt erst zu verarbeiten, wenn ich weiß, dass sich in London eine Aktivistin für die Rechte hyperandrogener SportlerInnen einsetzt.
Mir graut jetzt schon davor, wenn es die taz bald nicht mehr in Papierform gibt. Wenn ich Geld hätte, würde ich als Sponsor eintreten. Habe am Freitagabend auf dem Nachhauseweg ein ganz interessantes Stück im Deutschlandfunk gehört, über die Zukunft der Medien: deutschlandfunk (Ihr müsst in der oberen Leiste über die Mediathek, 31.07., 19:15, Auf den Punkt)
Das Problem ist ja, dass die Leute sich seit Jahren schwertun, für journalistische Medienangebote zu bezahlen. Oder, andersherum, die Medien sich schwertun, ein funktionierendes Bezahlsystem vor allem für ihre digitalen Angebote im Netz zu etablieren. Weil da natürlich auch ganz viel (Mist) umsonst angeboten wird. Das ist ein Problem für Medienhäuser, die nach wie vor versuchen, sorgfältig, professionell und nach journalistischen Maßstäben zu arbeiten. Denn dieses System fußte bislang auf Werbeeinnahmen, und es kollabiert, sobald die Werbeeinnahmen wegbrechen. In einer Demokratie sind journalistische Unabhängigkeit und Meinungsvielfalt zwar nicht überlebenswichtig, aber durchaus systemrelevant. Deswegen kann das Medien-Problem schnell zu einem gesellschaftlichen Problem werden. Wie aber kann eine Lösung aussehen? Lutz Hachmeister meinte in diesem Zusammenhang, er könne sich vorstellen, dass bald wieder Mäzene ganz gezielt bestimmte Medien finanziell unterstützen, um sie zu bewahren. Ähnlich wie in der Kunst, also, hat es in der Geschichte übrigens schon gegeben. Blöd nur, wenn diese reichen Menschen nicht an Demokratie interessiert, sondern selber Machtmenschen sind.
Gut, zum Mäzen wird es bei mir in diesem Leben vermutlich nicht mehr reichen. Im Gegenteil, ich bräuchte ja eigentlich selbst ein Schreibstipendium. Vielleicht unterstütze ich aber den Suhrkamp-Verlag und kaufe mir Siegfried Unselds „Reiseberichte“. Klingt spannend.
Ansonsten? War ich am Wochenende zu einem kleinen, coronasicheren Geburtstagskaffee bei meiner Mutter. Weil aktuell die B205 gesperrt ist, fahre ich jedesmal anders, um von der A21 rüber zur A7 zu kommen. Das ist ganz schön, weil ich ja ohnehin jemand bin, der gerne mal links und rechts vom Wege abkommt. Hab diesmal einen Stopp auf der Klosterinsel Bordesholm gemacht. Bereits in meinem Debütroman Jugendstil ist ja die Rede vom „Bordesholmer Altar“, im Schleswiger Dom, und ich wollte immer schon mal gucken, was es mit diesem Örtchen eigentlich auf sich hat. War jedenfalls ganz beschaulich. Gucke ich mit meiner Frau bestimmt nochmal in Ruhe an.
Vielleicht liegt es daran, dass ich in den letzten Jahren so viel im Ausland war, aber die Aussicht, in nächster Zeit Urlaub im Harz, am Westensee oder im Schwarzwald zu machen, empfinde ich nicht als sonderlich düster.