Pa-ris. Kom-mu-ni-Na-tion

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War mal eben in Frankreich, um die ersten beiden Interviews für das „Geheime Paris“ zu drehen. Durften netterweise die Räumlichkeiten im Pariser ZDF-Studio nutzen. Leider war genau an diesem Morgen eine Baustelle vor der Tür, was natürlich doof ist, wenn man einen „sauberen“ Ton braucht. Aber die Kollegen waren sehr gastfreundlich und superhilfsbereit, das muss ich wirklich mal sagen. Wir sind dann spontan in den Hinteranbau ins Büro eines FAZ-Redakteurs gegangen, den meine Co-Autorin zum Glück kannte. Mussten natürlich alles neu arrangieren und die Fenster mit Klebefolie und Papier und Plane abkleben, um das Setting herzurichten, aber mein Kameramann war prepared und hatte alles dabei. Also jeden Menge Probleme (oder der ganz normale Wahnsinn) am frühen Morgen – alle gelöst.

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Heute mal Spiegel Foto statt SPIEGEL TV

Ging in den Interviews auch um die deutsche Besatzungszeit. Das hatte ich gar nicht so auf dem Zettel, dass es in Paris über Jahre ein alltägliches Nebeneinander gab. Eine Art „Normalität“ unter der deutschen Besatzungsmacht, die aber natürlich trotzdem Besatzungsmacht war.

Hmmm, ...
Hmmm, … deutsche Spuren in der Metro?

Auf dem Rückweg viel zu früh am Flughafen, weil die Verbindung super passte und bei der Sicherheitskontrolle nichts los war. Kann man eben nie wissen, ist aber besser, als zu spät zu kommen. Hab vor Jahren mal meinen Rückflug verpasst (in London) und mir geschworen, dass das nie wieder passiert. Außerdem beobachte ich gerne Menschen. Jedes Gesicht eine Geschichte (ist auch fast das gleiche Wort), jeder mitgehörte Satz eine Lektion …

Neben mir hat sich eine junge, schwarze Französin, die offenbar zum Flughafenpersonal gehört, Essen geholt: Quiche, Melone und eine Coke. Sie stellt das Tablett ab, besteigt den Hocker, als wäre er ein zu großes Klettergerüst, hält kurz inne, faltet die Hände, neigt ihre Stirn auf die gefalteten Hände und betet. Mindestens dreißig Sekunden, eine halbe Ewigkeit, finde ich. Ich beneide sie in dieser Sekunde um dieses kontemplative Ritual.

Hab eben einem Vater, der mit seiner kleinen Tochter reist, geholfen – trotz Sprachbarriere (mein „Französisch“ ist ein Mix aus Englisch mit französischen Keywords). Hab erst mit dem Aufzug gewartet und die beiden dann auf der Toilette vorgelassen – und als die erste Kabine frei wurde, und ich zögerte, und der Vater mich fragte, ob ich nicht gehen wolle, erwiderte: No, he sounded malade (der Typ, der vorher drauf war, klang wirklich nach Magen-Darm – oder Drogen, der kam auch ein bisschen fertig mit halb geöffneter Hose aus der Kabine), I´m not going there. Ist der Vater dann auch nicht. Er dankte freundlich, wir wünschten uns Bon Voyage. Kommunikation.

Draußen auf dem Flur zum Gate kam mir ein Kone-Mechaniker entgegen, er trug sein Arbeitsoutfit, und ich dachte bloß: Kone, Aufzüge, Finnland, mehrere hundert Meter langer, unterirdischer Testschacht … da hab ich auch schon gedreht. Ja, vielleicht wird das nix mehr mit dem Literaturnobelpreis, und es wird definitiv nichts mehr mit der Nationalmannschaft, aber ich habe viel gesehen und kann mir allmählich ein Urteil erlauben. Oder Urteile.

Kon-tem-pla-tiv.
Ri-tu-al.

Die junge Französin bearbeitet mehr ihr Handy als dass sie ihr Essen isst. Kommunikationsgesellschaft, ein Begriff, den ich während des Studiums gelernt habe. Aber was für eine Art Kommunikation ist das? Mit sich selbst? Mit einem technischen Gerät? Mit anderen technischen Geräten?

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War natürlich cool, in Paris zu sein, während die „Blauen“ gegen Uruguay ins Halbfinale einziehen. Die ganze Stadt hat gefeiert. Da wurde mir einmal mehr bewusst, dass wir raus sind. Bierhoff hat sich ja nochmal zu Özil geäußert. Er hat vielleicht nichts ganz Falsches gesagt, aber zum denkbar falschesten Zeitpunkt, deswegen war es falsch und – vor allem – auch gefährlich, weil das wieder das Feuer auf dem rechten „Holzköpfehaufen“ schürt und, andersherum, man sich jetzt beinahe Sorgen um den Menschen Özil machen muss, dass der diese Krise heil übersteht, ohne eine tragische Dummheit zu begehen. Kommunikation.

Ö-zil
fal-sches-ten

Manchmal, wenn man begann, die Gedanken, die man dachte, die im Kopf entstanden, ohne dass man das – so weit das überhaupt möglich war (Was war das jetzt für eine Situation, in der ich versuchte, nicht daran zu denken, dass ich über das Denken nachdachte?) – steuerte, laut aussprach und die Worte immer deutlicher und langsamer formulierte, und die Sil-ben im-mer-wei-ter-von-ein-an-der-spreizte, konnte man den Eindruck haben, sich selbst in einer Fremdsprache gut zuzureden. Im Grunde war es ein Wunder, dass wir nicht alle in jeder Sekunde dieses Lebens aneinander vorbei redeten.

Ja, im Grunde war es ein Wunder.

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