weakender

Hab am Dienstag nochmal in Duisburg gedreht und eine georgische Flüchtlingsfamilie beim Bezug ihrer neuen Wohnung begleitet. Das hat mich sehr berührt und demütig gemacht. Es hat mir vor allem auch gezeigt, dass man nicht immer nur vor einem akuten Bombenhagel fliehen muss, sondern manchmal eben auch vor den Folgen eines Krieges, einem korrupten Politiksystem, einem drohenden Putin und beißender Armut. Fazit des gebildeten, schüchternen, Deutsch sprechenden Mannes: „Bisher haben wir viel Glück gehabt, aber ich habe Angst, wie es weitergeht. Ich war noch nie in dieser Situation …“

Ich bin jedenfalls ganz demütig nach Hause gefahren (im warmen ICE, auf einem sonnenbeleuchteten Fensterplatz) und werde so schnell nicht mehr jammern, wie anstrengend es ist, die Wohnung zu streichen. Andere haben nämlich erst gar keine.

Man möchte mit den Fingern schnipsen – und alles ist gut. Stattdessen werden viele Herzen immer kälter, unser Winter immer wärmer, Gunter Gabriel geht doch ins Dschungelcamp, und Werbeplakate für Fitness-Studios erinnern irgendwie an einen antiken Sklavenmarkt. Oder bin ich hysterisch?

fitness

 

Nachricht von gestern

 

gerritpc

Meine Schwester ist vor ein paar Tagen auf facebook von dem Sänger meiner alten Rockband angeschrieben worden. Er hat immer schon gerne Karikaturen von uns gezeichnet und jetzt offenbar eine wiedergefunden, auf der ich abgebildet bin. I like.

Gestern Abend hat mich dann die Nachricht erreicht, dass meine Patentante gestorben ist. Einfach so, im Fernsehsessel. I hate.

Und wie das immer so ist; ich hab mich länger nicht blicken lassen, immer gedacht, das läuft nicht weg, Weihnachten ist ja bald usw.

Jetzt ist es zu spät. Was bleibt, sind Erinnerungen an schönste Schulferien auf dem Bauernhof und die (nicht neue) Erkenntnis, dass man Familienbesuche nicht ständig aufschieben sollte.

Hab letzte Woche in der großen Moschee in Duisburg-Marxloh gedreht. Die Frage: Wie führt eine Stadt mit hohem Ausländeranteil die Flüchtlingsdebatte? Die Antwort: Weniger besorgt als eine Stadt in Ostdeutschland, in der es kaum Ausländer gibt.

Bemerkenswert allerdings, wie sich in Zeiten wie diesen trotzdem alle Beteiligten noch auf eine „Ziel-Gruppe“ einschießen können. Alle Duisburger meckern über die „Roma“. Überall Müll, keine Wohnkultur, keine Bereitschaft, Deutsch zu lernen, einziger Bezugspunkt: der Clan.

Ich kann die wahren Ausmaße (noch) nicht beurteilen, und im Zweifel fände ich es sicher auch schöner, wenn mein Nachbar seinen Müll in die dafür vorgesehene Tonne schmeißt. Auf der anderen Seite merke ich jetzt, dass scheinbar dringende Erledigungen wie Wohnung streichen, Winter-Check beim Auto, Steuer-Erklärung oder Mülltrennung einem manchmal auch die Sicht versperrt. Oder anders ausgedrückt: Was den Familienzusammenhalt betrifft, sind wir Deutschen sicher nicht Weltmeister.