Über Gott und die Welt

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Hatte zwei schöne Veranstaltungen im Rahmen der „Nacht der Kirchen“. Ordentlich besucht, ordentlich gelesen und, was mir besonders gefiel, an beiden Orten noch ganz nette, kleine Bühnengespräche gehabt. In Rahlstedt mit der Literaturagentin Annette Pauw, mit der ich nun auch schon seit fast 5 Jahren gut bekannt bin, und zuvor in Lokstedt mit dem dortigen Pastor Claus Hoppe, der mir die sehr interessante Frage stellte, wo ich den „Geist“ ansiedeln würde. Es gibt ja in Kunststoff diese Passage über den Erfurter Dom, und in der Tat liegt die Frage nahe, ob der Geist z.B. über das Kreuz oder das heilige Gebäude oder den Ritus im Gottesdienst quasi von außen in einen hineinströmt oder eben nicht. Und da waren wir ja fast schon bei meinem Doktorthema. Ich meinte dann auch, ich könne zwar verstehen, warum Menschen in Kirchen Zuflucht fänden, wäre aber selber zu sehr Geisteswissenschaftler und Neo-Konstruktivist, um NICHT zu glauben, dass ich diese geistige Kraft am Ende nicht ganz allein und von selbst aufbringen müsse. War aber seht nett und anregend. Sowas könnte ich jeden Tag machen. Also, natürlich nicht nur in Kirchen, aber diese Kombination aus Lesung und Talk im kleinen Rahmen finde ich super.

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Ansonsten? Haben wir gerade die Rumänien-Folge fertig gestellt. Hochaktuell, nachdem jetzt die Gesetze für die so genannten „Armutszuwanderer“ verschärft worden sind. Ich finde, jeder sollte die Chance haben, aus seinem Leben das Beste zu machen. Wenn ich hier in Deutschland meine Familie nicht durchbringen könnte, würde ich es auch woanders versuchen. Aber wie sehen die optimalen Rahmenbedingungen dafür aus? Oder haben wir die? Wie flexibel ist unser System? Und wie belastbar? „Der Bröckelstaat“, titelt der Spiegel diese Woche. Ich habe keine Ahnung. Manchmal fahre ich durch Hamburg und sehe die kleinen spezialisierten Geschäfte, den Schuster, den Schneider, den Fahrradladen, den Raumausstatter, den Bastelbedarf, das Nagelstudio, den Weinladen und bekomme ein Gefühl für diese Art Tauschhandel und denke dann, ja, das klappt alles gut, aber was passiert, wenn es knallt, und einzelne Glieder dieser Kette zerspringen? Aber mein Gefühl sagt auch: Wenn es knallt, wird das nicht an den Menschen liegen, die hier ihr Glück (ver-)suchen, sondern an der Gier, der Dummheit und dem Machtmissbrauch auf der obersten Etage.

Re T(r)o R 2

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Nach meinem Luxusgeheule über Fußballschuhe gestern, geht´s retromäßig weiter. Hatte heute Mittag endlich die Gelegenheit, eine Location auszuchecken, in die ich seit Jahren schon mal wollte. Einen Schlachter in der Behringstraße, der auf knalligen, gelben Plakaten für frische, belegte Brötchen und Mittagstisch wirbt. Richtig oldschool. Auch drinnen. Mit einem schlichten Holzregal, auf dem so das Nötigste für die vergessliche Hausfrau steht: Mehl, Zucker, Apfelmus, Rotkohl und Alufolie. Super. Ich wollte einfach bloß ein Brötchen mit (selbstgemachtem) Bierschinken, und was soll ich sagen? Das war das beste Wurstbrötchen seit langer, langer Zeit. Würde meiner Freundin auch gefallen. Vielleicht führe ich sie mal ganz fein aus …

Lese ja im Moment weniger oder mehr in dem Generationenbuch von Florian Schröder. Da schreibt er sinngemäß, bei ihm hätte es früher geheißen: Opa, erzähl mal vom Krieg. Bei ihm wäre es später: Opa, erzähl mal vom A-Team. Weil wir eben in Friedenszeiten aufgewachsen sind. Mit Luxusproblemen, wie z.B. welche Fußballschuhe kaufe ich mir demnächst? Das ist eigentlich ganz lustig. Aber angesichts der momentanen Situation bleibt einem das Lachen ein bisschen im Halse stecken. Mir geht seit Neuestem dieser Song von Sting aus den 80ern durch den Kopf, Russians, genauer gesagt, diese eine Zeile: „I Hope the russians love their children, too.“ So do I.

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Wie habe ich Mittwoch geschrieben? – Manchmal wäre ich gerne ein allmächtiger Gott … also, um Weltfrieden zu stiften, versteht sich. So weit ist es zwar nicht, aber ich bin morgen immerhin zu Gast bei der Hamburger Nacht der Kirchen. Sogar zwei Mal, um 19 Uhr in Lokstedt und gegen 21 Uhr nochmal bei uns in Rahlstedt. Bin ganz gespannt. Die Lesung in Lokstedt wird synchron für Gehörlose aufbereitet. Großartig. Hab extra ein paar Passagen ausgesucht, in denen es auch um Kirchen, Gott oder die Bibel geht. Cool.

Und: Im Anschluss bete ich für Frieden. Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen.

Re T(r)o R

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Hab gestern Abend auf dem Land in Hoisbüttel auf einem Kunstrasen-Flokati gespielt, der so weich und toll war, dass ich fast meine Bauklötze ausgepackt hätte, um da einfach immer weiter zu spielen. War auch gut drauf (bis auf einen beschissenen Freistoß). Hab mich bei der Gelegenheit auch mal wieder über meine tollen Retro-Buffer gefreut. Weil ich die bislang nur an meinen Füßen gesehen habe, dachte ich mir, ich schaue heute mal im Netz, ob es die noch gibt, bzw. ob ich investiere und mir einen Restposten in meiner Größe sichere. Aber es gibt sie gar nicht mehr. Nur noch in Größe 5,5. Kreisch! Aber typisch. Das einzige Produkt, das mich voll überzeugt, kauft sonst kein Schwein.

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Wie zum Trost und beinahe zeitgleich hat mein tüfteliger Vater dafür mein altes Radio wieder flott gemacht. Ich habe es vor mehr als 30 Jahren von meiner Mutter zu Weihnachten bekommen. Statt Walkman. Den hatte sie, wie sie mir später erzählte, zwar schon in der Hand, konnte sich aber nicht dazu durchringen, weil sie meinte, der Kopfhörer mache meine Ohren kaputt. Verrückt, wenn man bedenkt, dass heute JEDER mit Stöpseln in den Ohren durch die Gegend rennt. Aber irgendwie toll, diese Fürsorge.

Fear gewinnt

momentan nicht mehr tragfähig
momentan nicht mehr tragfähig

Hab es jetzt für mich auf den Punkt gebracht, also den Moment, in dem ich an mir selbst den Unterschied im Denken ausgemacht habe. Es war gestern Abend. Ich hab Wäsche gelegt, mein Ziehsohn schlief schon, und meine Freundin bereitete, unter dem letzten Aufbäumen der Kater, am Esstisch eine Präsentation für den nächsten Tag vor, als ich mich plötzlich gefragt habe, was mir mehr Sorgen bereitet: die NSA oder Putin.

Ich hab mir als 16-Jähriger mal in Moskau – wir waren mit dem Schulorchester da – diese Gürtelschnalle gekauft und immer gerne getragen. Sie war ein nostalgisches und zugleich cooles Accessoire, mit der kleinen, politischen Botschaft, dass man aus dem Sozialismus durchaus etwas mitnehmen könne und auf den Kapitalismus ein wachsames Auge haben solle. Gestern Morgen fand ich sie zum ersten Mal unpassend. Saudoof. Was soll ich sagen, manchmal wünschte ich mir, ich wäre Gott. Oder zumindest allmächtig. Ehrlich, ich verstehe das alles nicht, was da in der Welt passiert. Es ist mir zu hoch. Oder, besser gesagt, zu unterirdisch.

Week Ender

Komme im Moment vor lauter „Tag“ nur dazu, kleine Wochenrückblicke zu liefern. Die sind mir aber umso wichtiger, weil viel passiert. Und alles spiegelt sich in allem, jede Kleinigkeit gibt Anlass für große Gedanken, die vor lauter „Tag“ leider nur gernegroß bleiben.

Meine Nichte ist eingeschult worden und mein Vater in Rente. Alles innerhalb von 2 Tagen. Das Tröstliche ist, dass mir die Rente auch eher wie ein Anfang von etwas Neuem erscheint. Kann aber auch an meinem Alter liegen. Ich glaube jedoch, mein Vater ist auch niemand, der mit seiner Zeit nichts anzufangen weiß.

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Freitag Abend war in Hamburg so eine Fahrraddemo, die mich auf dem Nachhauseweg ziemlich aufgehalten hat. Dann bin ich auch noch an so einen Typen geraten, der mich mit seiner ruhigen Art richtig auf die Palme gebracht hat, aber im Nachhinein muss ich sagen, dass ich die Aktion eigentlich gut fand. Jedenfalls besser als Heizkörper auf Polizisten zu schmeißen, wie es auch diese Woche passiert ist, bloß ein paar Blocks weiter. Empört Euch, aber wie?

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Samstag Abend im Rahmen der langen Nacht der Literatur im Nochtspeicher gelesen, wo sich Hamburgs Indie-Verlage präsentiert haben. War, ehrlich gesagt, vorher ein bisschen skeptisch. Hab wieder die Frankfurt-Passage ausgesucht, weil die kurz und prägnant ist, kam mir dabei schon vor wie Gottlieb Wendehals, der dann immer Polonäse Blankenese singt und – kein Scheiß – ich hatte den Gedanken noch nicht ganz ausgedacht, da wehte mir im Eingangsflur des Nochtspeichers dieses Plakat vor die Linse. Gott & Wende – oder doch bloß das alte Gummihuhn? Ich hab den ja mal kennen gelernt, als ich mit Gunter Gabriel gedreht hab. Gunter hat ihn gelöchert, wie er soviel abgenommen hat, ich glaube, es waren aber auch 20 Kilo oder so. Das war schräg.

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Jedenfalls war ich bei der Nochtspeicher-Lesung als Letzter dran, und ich dachte schon, oje, dann ist niemand mehr da, aber es waren alle noch da (auch weil meine Kollegin Ina Bruchlos zwei tolle neue Geschichten gelesen hat), und dann hatten wir richtig Spaß. Hatte extra für den Anlass zwischen Tür und Angel noch ein paar neue Schlag-Worte gesammelt (Pfeil drücken):

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