Points of (Inter)View

Hab in diesen Tagen zwei ganz vorzügliche Interviews gelesen. Das eine in dem Hamburger Straßenmagazin Hinz & Kunzt mit dem Illustrations-Professor Bernd Mölck-Tassel, das andere mit Hubert Burda bei Süddeutsche.de

In dem ersten geht es um dieses Charlie Hebdo-Drama, wie weit Satire gehen darf und warum viele gläubige Muslime ein Problem mit krassen Karikaturen haben – und Mölck-Tassel bringt da den interessanten Gedanken ins Spiel, dass den Muslimen die Phase der Aufklärung fehle.

Wörtlich heißt es:
„Wir hatten die Aufklärung als radikale Infragestellung durch den Verstand. Was ja nicht heißt, dass man danach nicht mehr glauben darf. Aber es heißt, dass man zulässt, dass der Verstand die logischen Brüche aufzeigt. Ich habe die Hoffnung, dass diese Form der Auseinandersetzung im Islam noch kommt. Wir waren schließlich auch lange humorlos. Die Christen kannten überhaupt keinen Spaß. Außerdem: Deutschland hat noch den Blasphemie-Paragrafen. Aber unsere Kirchen klagen niemanden mehr an.“

Letzteres stimmt nicht so ganz, ich würde eher sagen: Die Kirche kommt meistens mit ihren Klagen nicht mehr durch. Passend dazu heute die News, dass der WDR Carolin Kebekus, nachdem er sie erst wegen kirchenfeindlicher Comedy zensiert hat, jetzt ein eigenes Format gibt, weil sie polarisiert. Das nenne ich Fortschritt.

Das Burda-Interview sollte jeder Mal selber lesen, da steckt ganz viel drin:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/42764/1/1

Burda spricht da sehr amüsant und packend über seine Kindheit, seine ersten gescheiterten Projekte, sein Studium, seinen Lieblingsautor Handke, seine theoretischen Einflüsse (u.A. Flusser und Sedlmayr, dessen Hauptwerk „Verlust der Mitte“ übrigens zuhause bei mir in irgendeiner Bananenkiste im Keller vor sich hin gammelt), seine Bekanntschaft zu Warhol, die ihn gelehrt hat, die Verbindung zwischen Trash und Hochkultur anzuerkennen usw. Hochinteressant.

Herausheben möchte ich aber keine Antwort von Burda, sondern eine Frage der beiden SZ-Autoren:
„Der Intellektuelle ist durch den Zweifel definiert. Wie Hamlet ist er tendenziell unfähig zur Tat. Wie erklären Sie, dass mit Springer und Burda zwei der erfolgreichsten deutschen Medienkonzerne von einem promovierten Musikwissenschaftler und einem promovierten Kunsthistoriker in die digitale Welt geführt wurden?“

Es besteht für mich also noch Hoffnung.

Burda

Und? Ich hab damals vor unserem großen Umzug von meinem alten Chef, als der sein Büro entrümpelte, ein Buch bekommen: Das werde ich mir jetzt mal mit ganz anderen Augen anschauen.

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